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GFF – Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.

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Luisa Podsadny

Kriminalstatistik Berlin

18. January 2021 by Luisa Podsadny

Nach Beschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) und des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma hat die Berliner Datenschutzbeauftragte eine Beanstandung gegenüber der Berliner Polizei ausgesprochen. Die Polizei habe rechtswidrig Daten zur Zugehörigkeit von Tatverdächtigen zur Volksgruppe der Sinti und Roma erfasst. Die GFF prüft weitere Klage- und Beschwerdemöglichkeiten.

Die GFF hatte bei der Berliner Landesdatenschutzbeauftragen ein Beschwerdeverfahren wegen des Verdachts auf Diskriminierung von Sinti*zze und Roma*nja lanciert. In der Kriminalstatistik von 2017 machte die Berliner Polizei Angaben zur Volkszugehörigkeit von Tatverdächtigen. Der Polizei bestritt jedoch, diese Daten zu erheben. Gemeinsam mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und der Berliner Jugendorganisation Amaro Foro setzt sich die GFF dafür ein, zu überprüfen, ob sich die Datenerhebung der Polizei im rechtlichen Rahmen bewegt.

Mit Blick auf die 2017er Kriminalstatistik ruderte Innensenator Geisel nach anfänglichem Widerstand Mitte Januar 2020 zurück. Er ließ den diskriminierenden Hinweis auf Sinti und Roma in der Online-Version der Statistik löschen und sicherte eine erneute Prüfung zu, ob rechtswidrig Daten zur ethnischen Herkunft erhoben werden. Im März 2020 bestätigte die Landesdatenschutzbeauftragte gegenüber der GFF, dass sie im nächsten Schritt ihres Prüfverfahrens bei der Polizei vor Ort Akten einsehen wird. Von diesem Recht macht die Datenschutzbeauftragte nur in seltenen Fällen Gebrauch. Im Januar 2020 beanstandete die Datenschutzbeauftragte gleich zwei Rechtsverstöße der Berliner Polizei: Zum einen verstößt die Erhebung von Daten der ethnischen Zugehörigkeit gegen geltendes Recht (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BlnDSG). Zum anderen hat die Polizei eine genauere Überprüfung verhindert und durch die Verweigerung der Herausgabe von Informationen gegen ihre Rechtspflichten verstoßen (§§ 13 Abs. 4 Nr. 2, 54 BlnDSG).

In der Polizeilichen Kriminalstatistik Berlin 2017 fand sich der Hinweis, dass die Tatverdächtigen für die Begehung von Trickdiebstahl in Wohnungen überwiegend Angehörige der Volksgruppe der Sinti und Roma seien. Die Erfassung von Daten zu ethnischer Zugehörigkeit basieren auf rassistischen und antiziganistischen Vorurteilen und tragen so zur Kriminalisierung einer Minderheit bei. Eine Erfassung der Volkszugehörigkeit von Tatverdächtigen einer ganzen Deliktsgruppe ist unstreitig rechtswidrig. Nach unserer Beschwerde und öffentlichem Druck hatte Innensenator Geisel den Hinweis im Januar 2020 entfernen lassen.

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Klare Rechtslage – unklare Datenerhebung

Die statistische Erfassung von ethnischen Minderheiten ist grundrechtlich, aber auch datenschutzrechtlich rechtswidrig. Das ergibt sich bereits aus den Vorgaben des Landesdatenschutzgesetzes, welches damit das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes umsetzt. Außerdem hat sich die Bundesrepublik dazu auch völkerrechtlich verpflichtet. So hat Deutschland nicht nur die Anti-Rassismus-Konvention der UN, sondern auch das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates ratifiziert. 

Überprüfung durch die Berliner Landesdatenschutzbeauftragte

Dennoch enthielt die Kriminalstatistik 2017 konkrete Aussagen über die ethnische Herkunft von Tatverdächtigen. Auf eine auf Hinweis der GFF gestellte parlamentarische Anfrage des FDP-Abgeordnete Bernd Schlömer bestreitet die Senatsverwaltung für Sport und Inneres jedoch, diese Daten zu erheben. Dies steht im Widerspruch zu den pauschalen Angaben zur Volkszugehörigkeit in der Polizeilichen Kriminalstatistik. Die GFF hatte daher bei der Berliner Landedatenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk ein Beschwerdeverfahren lanciert, um überprüfen zu lassen, ob die Datenverarbeitung der Polizei rechtskonform ist.

Fraglich ist auch, mit welcher Methode die Polizei die Volkszugehörigkeit von Tatverdächtigen feststellt. Da die Volkszugehörigkeit einer Person nicht im Pass vermerkt ist, kann sie nur durch die Person selbst bestimmt werden. In einem Antwortschreiben an den Zentralrat vom Januar 2019 erläuterte der Berliner Innensenator Andreas Geisel, die Angaben der Kriminalstatistik beruhten auf den „fachlich fundierten Einschätzungen“ der zuständigen Beamt*innen. Dies legt nahe, dass die erfassten Daten das Ergebnis rassistischer Zuschreibungen sind.

Sondererfassung in der Kriminalstatistik verstärkt antiziganistische Vorurteile

Besondere „Zigeuner“- und „Landfahrer“-Datenbanken sind seit dem späten 19. Jahrhundert und noch bis in die 1980er-Jahre belegt. Bis in das Jahr 1982 erfasste auch die Polizeikriminalstatistik auf Bundesebene Hinweise auf „Landfahrer“, womit Sinti*zze und Roma*nja gemeint waren. Die Sondererfassung in der Kriminalstatistik Berlin basiert auf dem Stereotyp von kriminellen „Zigeunern“ – und verstärkt es weiter. Die Folgen davon sind für viele Menschen sehr real: Menschen, die tatsächlich oder vermeintlich der Volksgruppe der Sinti und Roma angehören, werden massiv diskriminiert. Die statistische Erfassung von Sinti*zze und Roma*nja ist sowohl unter rechtlichen Gesichtspunkten als auch angesichts der deutschen Geschichte endgültig zu beenden.

Hintergrund

  • Pressemitteilung der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 15.01.2020: Innensenator sichert zu, dass nochmals geprüft werde, ob die ethnische Zugehörigkeit von Sinti und Roma polizeilich erfaßt wird
  • Die schriftliche Anfrage des Abgeordneten Bernd Schlömer (FDP) zur Erhebung von Daten zu ethnischer Zugehörigkeit durch Berliner Behörden finden Sie hier.
  • Hier finden Sie die erste Anfrage der Berliner Landesdatenschutzbeauftragten bei der Berliner Polizei sowie die Erwiderung.
  • Aufzeichnung des Vortrags zu Racial Profiling und Polizeidatenbanken über Sinti und Roma von Lea Beckmann und Anja Reuss auf dem 36C3 (28.12.2019)

Presse

  • 18. Januar 2021: Landesdatenschutzbeauftragte beanstandet Rechtsverstöße bei der Berliner Polizei
  • 2. April 2020: Verdacht rassistischer Diskriminierung bei Berliner Polizei – Nach GFF-Beschwerde kündigt Landesdatenschutzbeauftragte Überprüfung von Polizeiakten an
  • 2. Oktober 2019: Verdacht auf Diskriminierung von Sinti und Roma bei der polizeilichen Datenerhebung – GFF lanciert Beschwerdeverfahren bei der Landesdatenschutzbeauftragten

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Filed Under: Fälle

Weitere Regenbogenfamilien klagen auf Gleichberechtigung – GFF unterstützt Spendenaufruf

1. October 2020 by Luisa Podsadny

Tara und Tony E. während Taras Schwangerschaft. Das Baby kam im Februar 2020 zur Welt. Bild: privat
Tara und Tony E. während Taras Schwangerschaft. Das Baby kam im Februar 2020 zur Welt. Bild: privat

Wenn ein Ehepaar ein Kind bekommt, wird der männliche Ehepartner automatisch als „Vater“ in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen – und das zum Beispiel auch, wenn die beiden eine Samenspende in Anspruch genommen haben. Ehepartner*innen, die als Geschlechtseintrag „weiblich“, „divers“ oder eine Leerstelle haben, werden nicht eingetragen. Sie müssen das Kind stattdessen adoptieren – was nicht nur aufwendig und erniedrigend ist, sondern auch viele rechtliche Unsicherheiten für die jungen Familien mit sich bringt. Gegen diese Geschlechtsdiskriminierung klagt die GFF bereits gemeinsam mit zwei Familien (mehr dazu hier).

Nun haben sich unter der Initiative #Nodoption weitere Regenbogenfamilien zusammen gefunden, denen es genauso geht und die diese Ungerechtigkeit nicht weiter akzeptieren wollen. Mit Unterstützung des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD) und der GFF hat All Out dazu nun eine Spendenkampagne gestartet, um diese Familien bei den Kosten für die Gerichtsverfahren zu unterstützen.

Zur Spendenkampagne von All Out – unterstützen Sie #Nodoption!

Filed Under: Aktuell, Elternschaft

Menschenwürdiges Existenzminimum

30. September 2020 by Luisa Podsadny

Notunterkunft für Geflüchtete in Berlin
Tempohome Refugee Camp Berlin Tempelhof von Falco Ermert, lizensiert unter CC BY 2.0

Asylsuchende leben in Deutschland häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen: Sie müssen in Sammelunterkünften in Mehrbettzimmern leben, dürfen nicht arbeiten und erhalten deutlich weniger Sozialleistungen als Hartz-IV-Empfänger*innen. Der Gesetzgeber hat diese Differenz nicht plausibel begründet und verletzt damit die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das menschenwürdige Existenzminimum.

Diese Rechtsverletzung wollen wir vor das Bundesverfassungsgericht bringen – mit der Hilfe von Richter*innen und Anwält*innen, die in ihrer täglichen Arbeit mit den verfassungswidrigen Regelungen konfrontiert sind. Wir haben ein Muster für eine Richtervorlage erstellt, das Richter*innen und Anwält*innen nutzen können, um die verfassungswidrigen Regelsätze im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zügig vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen.  

  • Zum Muster für eine Richtervorlage zur Verfassungswidrigkeit der Grundleistungen im Asylbewerberleistungsgesetz

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Kein gemeinsames Wirtschaften in Sammelunterkünften

Alleinstehende, die in Sammelunterkünften leben, erhalten seit September 2019 den Regelbedarfssatz 2 und damit zehn Prozent weniger Sozialleistungen als andere Leistungsberechtigte. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass von den Bewohner*innen einer Sammelunterkunft erwartet werden könne, dass sie „aus einem Topf“ wirtschaften und damit die gleichen Einspareffekte erzielen wie Eheleute. Die Betroffenen würden „der Sache nach eine Schicksalsgemeinschaft“ bilden. 

Diese gesetzgeberischen Vorstellungen haben mit der Realität in Geflüchtetenunterkünften wenig zu tun. Die Bewohner*innen einer Sammelunterkunft haben sich nicht freiwillig dazu entschieden, mit anderen Personen zusammenzuleben, sondern sind dazu gesetzlich verpflichtet. Die Fluktuation in den Einrichtungen ist riesig, hinzu kommen Sprachbarrieren und unterschiedliche kulturelle und religiöse Hintergründe. Es ist unter diesen Umständen überaus unwahrscheinlich, dass ein für gemeinsames Wirtschaften erforderliches Näheverhältnis entsteht.

Und selbst wenn sie wollten, könnten Bewohner*innen in Sammelunterkünften nicht die gleichen Einspareffekte erzielen wie Eheleute. Das größte Einsparpotenzial liegt in größeren gemeinsamen Anschaffungen wie Inneneinrichtung und Hausrat, die im Regelbedarf für Geflüchtete nicht enthalten sind.

Kein abweichender Bedarf in den ersten 18 Monaten

Die Grundleistungen im Asylbewerberleistungsgesetz sind ohnehin schon deutlich niedriger als die Sozialhilfe bzw. der Hartz-IV-Satz nach Sozialgesetzbuch II und XII. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass Schutzsuchende in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts weniger Geld brauchen. Der Gesetzgeber streicht Schutzsuchenden daher in den ersten 18 Monaten bestimmte Ausgaben, zum Beispiel für Computer, Fernseher, Lernprogramme, Sprachkurse und Hobbykurse. Dies steht nicht nur im Widerspruch zu dem gesellschaftlichen Wunsch einer zügigen Integration von Geflüchteten. Es verletzt auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein einheitliches soziokulturelles Existenzminimum, das neben Nahrung, Kleidung und Unterkunft auch Bildung umfasst – und für alle Menschen gleich ist.

Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums

Das Grundgesetz gewährt allen Menschen das Recht auf ein menschenwürdiges Leben – unabhängig von ihrem Einkommen, ihrer Herkunft und ihrem Aufenthaltsstatus. Aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz, also der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip, hat das Bundesverfassungsgericht 2010 das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abgeleitet.

Die Höhe der Leistungen muss der Gesetzgeber nachvollziehbar und sachlich differenziert begründen. Politisch begründete Leistungskürzungen, beispielsweise um Schutzsuchende abzuschrecken, sind nicht zulässig. Diesen Anforderungen genügen die Leistungen im Asylbewerberleistungsgesetz nicht. Der Gesetzgeber hat nicht nachvollziehbar begründet, warum Asylsuchende in Sammelunterkünften einen niedrigeren Bedarf haben als andere Leistungsempfänger*innen.

Das Instrument der Richtervorlage

Viele Sozialgerichte haben im Eilverfahren bereits Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gekürzten Leistungen in Sammelunterkünften geäußert. Die GFF gibt Sozialrichter*innen und Anwält*innen mit ihrem Muster für eine Richtervorlage nun ausführliche Argumente an die Hand, um die Regelungen im Hauptsacheverfahren zügig dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Das Instrument der Mustervorlage ist bereits in anderem Kontext erprobt. Die Richtervorlage des Sozialgerichts Gotha, die im November 2019 zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Sanktionen führte, beruhte auf einem Muster der Bürgerinitiative Grundeinkommen. Das Bundesverfassungsgericht wies in dieser Entscheidung explizit darauf hin, dass es kein Problem sei, dass sich „das Gericht offensichtlich an einem öffentlich verfügbaren Muster orientierte […], da die Vorlage zeigt, dass sich das Gericht eventuell andernorts formulierte Argumente jedenfalls zu eigen gemacht hat“ (BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16 –, Rn. 112, juris).

Wir danken David Werdermann für die Unterstützung bei der Erstellung unserer Mustervorlage.

Richtervorlage

  • Muster für eine Richtervorlage in zwei Varianten, Hintergrundinformationen und Erkläuterungen

Pressemitteilungen

  • 30. September 2020 – Deutschland verwehrt Asylsuchenden Existenzminimum

Unterstützen Sie unseren Einsatz für die Grundrechte mit Ihrer Spende!

Filed Under: Fälle

Muster für eine Richtervorlage zur Verfassungswidrigkeit der Grundleistungen im Asylbewerberleistungsgesetz

30. September 2020 by Luisa Podsadny

Seit September 2019 erhalten alleinstehende Schutzsuchende, die in Sammelunterkünften untergebracht sind, nur noch die Regelbedarfsstufe 2 (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b, Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b Asylbewerberleistungsgesetz) – 316 Euro monatlich. Zahlreiche Sozialgerichte haben erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung geäußert und im Eilverfahren höhere Leistungen zugesprochen (zur Rechtsprechungsübersicht).

Unser Muster für eine Richtervorlage zur Verfassungswidrigkeit des § 3a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchstabe b, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 Buchstabe b AsylbLG ist eine Anregung an die Sozialgerichte, die Regelung nun zügig im Hauptsacheverfahren dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Auch Anwält*innen sind eingeladen, in ihren Verfahren die Mustervorlage zu nutzen, um eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht anzuregen. Die Karlsruher Richter*innen haben Richtervorlagen, die auf öffentlichen Mustern beruhen, in ihrer Entscheidung zu den Hartz-IV-Sanktionen ausdrücklich akzeptiert.

Wir stellen Sozialrichter*innen und Anwält*innen ein Muster in zwei Varianten sowie umfangreiches Begleitmaterial zur Verfügung:

  • Muster für Richtervorlage Variante 1 (Verfahren, in denen Leistungen entsprechend dem Sozialgesetzbuch XII beantragt werden):
    pdf | doc
  • Muster für Richtervorlage Variante 2 (Verfahren, in denen die Regelbedarfsstufe 1 nach § 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG beantragt wird):
    pdf | doc
  • Zusammenfassung der Mustervorlage Variante 1
  • Zusammenfassung der Mustervorlage Variante 2
  • Merkblatt zu den passenden Fallkonstellationen für die Mustervorlage
  • Historie der Grundleistungen im AsylbLG
  • Literaturübersicht
  • Rechtsprechungsübersicht
  • Tabelle 1 zum fehlenden Spielraum für den internen Ausgleich
  • Tabelle 2 und 3 zum fehlenden Einsparpotenzial

Weitere Erläuterungen zu den Dokumenten finden Sie unten.

Kontaktieren Sie uns – wir unterstützen Sie bei der Vorlage!

Wenn Sie die Vorlage nutzen möchten, kontaktieren Sie bitte unsere Juristin Sarah Lincoln: sarah.lincoln@freiheitsrechte.org, PGP Key ID EEE13AE6. Nur so erfahren wir, ob und in welcher Form unsere Vorlage verwendet wird und können gemeinsam mit Ihnen unsere Kommunikation zu dem Fall abstimmen.  

Wir freuen uns auch über inhaltliches Feedback und Verbesserungsvorschläge. Die Mustervorlage ist ein lebendes Dokument. Zudem bieten wir an, die Vorlage bei Bedarf auf Ihren spezifischen Fall anzupassen.

Die Mustervorlage: Argumentation, Varianten, Fallkonstellationen

Die Mustervorlage begründet ausführlich, dass § 3a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchstabe b, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 Buchstabe b AsylbLG die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums verfehlt. Es gibt die Mustervorlage in zwei Varianten.

Variante 1 betrifft sowohl die Kürzung der Grundleistungen nach dem AsylbLG um bestimmte Ausgabenpositionen im Bereich Bildung, Kultur und Freizeit und als auch die Anwendung der Regelbedarfsstufe 2 (90 % der Regelbedarfsstufe 1) für Alleinstehende, die in einer Sammelunterkunft untergebracht sind. Die Variante 1 kann in Verfahren verwendet werden, in denen Leistungen entsprechend dem Sozialgesetzbuch XII beantragt werden.

Variante 2 beschränkt sich auf die Anwendung der Regelbedarfsstufe 2 für Alleinstehende in Sammelunterkünften und kann in Verfahren verwendet werden, in denen die Regelbedarfsstufe 1 nach § 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG beantragt wird.

Die Mustervorlage erläutert vorweg, warum die Verfassungswidrigkeit der Norm entscheidungserheblich ist und die höheren Leistungen nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung zugesprochen werden können.

Dieser Argumentation liegt in beiden Varianten eine bestimmte Fallkonstellation zugrunde, die wir als optimal für eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht erachten und im Merkblatt zur Richtervorlage ausführlich erläutern. Die Anforderungen, die der Fall erfüllen sollte, sind im Wesentlichen:

  • Der*die alleinstehende oder alleinerziehende Kläger*in muss Geldleistungen nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b, Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b AsylbLG beziehen.
  • Der*die Kläger*in sollte innerhalb der Sammelunterkunft nicht in einer baulich abgeschlossenen, getrennten Wohnung mit eigenem Sanitärbereich und Küche leben.
  • Zudem sollte der streitgegenständliche Bewilligungszeitraum nicht in die Hochphase der aufgrund von Corona verordneten Kontaktbeschränkungen fallen, da dies Raum für verfassungskonforme Auslegungen bietet.

Auch abweichende Sachverhalte können sich für eine Vorlage eignen. Worauf Sie dabei achten müssen und welche Anpassungen jeweils erforderlich sind, ist im Merkblatt zur Richtervorlage ausführlich erläutert. Wir bieten bei Bedarf auch auf individuelle Fallkonstellationen angepasste Textvarianten an.

Damit sich Nutzer*innen der Mustervorlage selbst einen Überblick über Rechtsprechung und Literatur zu dem Thema verschaffen können, haben wir eine Literaturübersicht und eine Rechtsprechungsübersicht erstellt. Beide Dokumente sind work in progress und erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.

Das Bundesverfassungsgericht akzeptiert Richtervorlagen, die auf einem Muster beruhen

Das Instrument der Mustervorlage ist bereits erprobt. Die Richtervorlage des Sozialgerichts Gotha, die im November 2019 zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Sanktionen führte, beruhte auf einer Mustervorlage der Bürgerinitiative Grundeinkommen. Das Bundesverfassungsgericht wies in dieser Entscheidung explizit darauf hin, dass es kein Problem sei, dass sich „das Gericht offensichtlich an einem öffentlich verfügbaren Muster orientierte […], da die Vorlage zeigt, dass sich das Gericht eventuell andernorts formulierte Argumente jedenfalls zu eigen gemacht hat“ (BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16 –, Rn. 112, juris).

Wir danken David Werdermann für die Unterstützung bei der Erstellung der Mustervorlage.

Dokumente

  • Muster für Richtervorlage Variante 1 (Verfahren, in denen Leistungen entsprechend dem Sozialgesetzbuch XII beantragt werden):
    pdf | doc
  • Muster für Richtervorlage Variante 2 (Verfahren, in denen die Regelbedarfsstufe 1 nach § 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG beantragt wird):
    pdf | doc
  • Zusammenfassung der Mustervorlage Variante1
  • Zusammenfassung der Mustervorlage Variante 2
  • Merkblatt zu den passenden Fallkonstellationen für die Mustervorlage
  • Historie der Grundleistungen im AsylbLG
  • Literaturübersicht
  • Rechtsprechungsübersicht
  • Tabelle 1 zum fehlenden Spielraum für den internen Ausgleich
  • Tabelle 2 und 3 zum fehlenden Einsparpotenzial

Weitere Informationen

  • Zum Engagement der GFF für ein menschenwürdiges Existenzminimum
  • Pressemitteilung vom 30.09.2020: Deutschland verwehrt Asylsuchenden Existenzminimum – GFF will Asylbewerberleistungsgesetz vor das Bundesverfassungsgericht bringen

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Filed Under: Uncategorized

Illegaler Export von Überwachungssoftware

4. September 2020 by Luisa Podsadny

GFF und Partner erstatten Anzeige gegen Münchener Firmen wegen illegaler Exporte in die Türkei

Die GFF hat gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen (ROG), dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und netzpolitik.org im Juli 2019 Strafanzeige gegen Geschäftsführer der Unternehmen FinFisher GmbH, FinFisher Labs GmbH und Elaman GmbH erstattet. Es liegen dringende Anhaltspunkte dafür vor, dass das Münchener Firmenkonglomerat die Spionagesoftware FinSpy ohne Genehmigung der Bundesregierung an die türkische Regierung verkauft und so zur Überwachung von Oppositionellen und Journalist*innen in der Türkei beigetragen hat.

Die Staatsanwaltschaft München durchsuchte vom 6. bis 8. Oktober 2020 die Geschäftsräumen der FinFisher GmbH und zwei weiterer Geschäftspartner sowie Privatwohnungen der Geschäftsführer. Insgesamt waren 15 Objekte betroffen. Auch ein Partnerunternehmen in Rumänien wurde durchsucht. Wenn die Staatanwaltschaft Beweise gefunden hat, die einen oder mehrere illegale Exporte von Überwachunsgsoftware wahrscheinlich erscheinen lassen, kann sie Anklage gegen die beteiligten Geschäftsführer und Mitarbeiter*innen erheben.

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FinFisher GmbH, FinFisher Labs GmbH und Elaman GmbH produzieren und vertreiben gemeinsam Überwachungssoftware wie FinSpy. Erst einmal auf den Handys der Zielpersonen installiert, verleiht FinSpy den Überwachungsorganen absolute Kontrolle. Infiltrierte Personen können jederzeit lokalisiert werden, Polizei oder Geheimdienste können Telefongespräche und Chats mitschneiden und alle Handydaten auslesen. Das ist ein massiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Im Sommer 2017 tauchte FinSpy auf einer türkischen Webseite auf, die als Mobilisierungswebseite der türkischen Oppositionsbewegung getarnt war. 

Keine Überwachungssoftware für repressive Regime

2015 wurde europaweit eine Genehmigungspflicht für Exporte von Überwachungssoftware an Länder außerhalb der EU eingeführt. Auf parlamentarische Anfragen hatte die Bundesregierung zuletzt noch am 19. Juni 2019 bestätigt, dass sie seit Einführung der Genehmigungspflicht keine Exportgenehmigung für Intrusionsoftware wie FinSpy erteilt hatte. IT-Analysen zeigen, dass es sich bei den in der Türkei im Sommer 2017 gefundenen Softwaresamples um eine FinSpy-Version handelt, die nach Einführung der Genehmigungspflicht produziert wurde. Dies deutet sehr darauf hin, dass die Unternehmen die Software trotz bestehender Genehmigungspflicht illegal exportiert haben.

In repressiven Regimen kann der Einsatz von Überwachungssoftware dramatische Folgen für die Betroffenen haben. In Ländern wie Syrien und Bahrain drohen den Überwachten nicht selten Haft und Folter. Auch der Export an die türkische Regierung ist angesichts der anhaltenden Repressionen gegen Oppositionelle und Medienschaffende ein Skandal und unterstützt die Menschenrechtsverletzungen der türkischen Regierung. Nach dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli 2016 wurden mehr als 50.000 Menschen verhaftet; mehr als 140.000 Menschen wurden aus ihren Berufen entfernt, mehr als hundert Zeitungen und andere Medienorgane wurden geschlossen. Zurzeit ist die Türkei das Land, in dem gemessen an der Bevölkerungszahl weltweit die meisten Journalist*innen inhaftiert sind.

Softwarehersteller werden nicht zur Rechenschaft gezogen

Die in Europa ansässigen Softwarehersteller weisen oft jede Verantwortung von sich. Dabei wäre der Export der Überwachungssoftware FinSpy an die Türkei rechtswidrig.

Die Ausfuhr der Software fand wahrscheinlich zwischen Oktober 2016 und Juni 2017 statt. Zu diesem Zeitpunkt war die Ausfuhr sowohl nach deutschen und europäischen Vorgaben genehmigungspflichtig, ein ungenehmigter Export ist nach dem Außenwirtschaftsgesetz strafbar.  

Eine effiziente Strafverfolgung dieser illegalen Exporte findet bisher kaum statt. Die Hersteller umgehen die Exportvorgaben durch komplizierte transnationale Firmenstrukturen. Das erschwert eine Strafverfolgung. So konnten FinFisher und Elaman ihre Geschäfte lange Zeit ungestört weiter betreiben. Auf die Strafanzeige der GFF und ihrer Partner hin hat die Staatsanwaltschaft München nun ein Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführer der Unternehmen eingeleitet. 

Datenschutz und Privatsphäre sind Menschenrechte – nicht nur in Deutschland

Die GFF setzt sich in einer Reihe von Fällen für den Datenschutz und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Häufig geht es dabei um Gesetze, die deutschen Behörden ausufernde Überwachungsbefugnisse an die Hand geben, etwa die neuen Polizeigesetze. Doch auch außerhalb Deutschlands dürfen deutsche Unternehmen nicht zu den Handlangern von Regimen werden, die ihre Bevölkerung überwachen. Wo Exporte – von Waffen wie von Überwachungssoftware – vom Empfängerland mit großer Sicherheit zur Verletzung von Menschenrechten genutzt werden, darf der Staat nicht wegschauen.

Hintergrund

  • Finden Sie hier die Strafanzeige sowie den Anhang zur Anzeige gegen die Geschäftsführer der Unternehmen FinFisher GmbH, FinFisher Labs GmbH und Elaman GmbH.
  • Die Anzeige im Volltext auf Netzpolitik.org finden Sie hier.
  • Aufzeichnung des Vortrags von Ulf Buermeyer zur Strafanzeige und neuen Beweisen gegen FinFisher auf dem 36C3 (29.12.2019)

Presse

  • 14.10.2020 – GFF-Strafanzeige trägt Früchte – Durchsuchung bei Münchener Firma FinFisher wegen Exports von Staatstrojanern
  • 05.09.2019 – Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Münchener Firmen wegen illegalen Verkaufs von Überwachungssoftware an die Türkei

Unterstützen Sie unseren Einsatz gegen deutsche Spionagesoftware im Ausland – unterstützen Sie unsere Arbeit mir Ihrer Spende!

Bildquelle: Boskampi auf Pixabay 

Filed Under: Fälle

Gleichberechtigung im Fischertagsverein – ein Präzedenzfall gegen Diskriminierung in Vereinen

31. August 2020 by Luisa Podsadny

Gemeinsam mit einem weiblichen Vereinsmitglied erstritt die GFF am 31. August 2020 ein Präzedenzurteil für mehr Geschlechtergerechtigkeit: Ein Verein mit erheblicher sozialer Machtstellung darf Frauen nicht willkürlich von bestimmten Vereinsaktivitäten ausschließen. Mit diesem Urteil sind wir unserem Ziel ein gutes Stück näher gekommen: Wir wollen das Diskriminierungsverbot auch im Vereinsrecht etablieren. 

Die GFF unterstützte die Klage einer Frau, die am traditionellen Ausfischen des Memminger Stadtbachs teilnehmen will. Die Satzung des Memminger Fischertagsvereins schloss Frauen willkürlich vom jährlichen Forellenfischen aus. Diese Praxis ist rechtswidrig.  Das Urteil des Amtsgerichts Memmingen erging am 31. August und erteilte der Diskriminierung von Frauen durch Vereine eine Absage.

  • Fragen und Antworten zur Gleichberechtigung in Vereinen

Fischertagsverein geht in Berufung – alte Zöpfe sollen verteidigt werden

Das Urteil wurde bisher nicht rechtskräftig, weil der Verein Berufung eingelegt hat.

Viele hatten geglaubt, mit dem Urteil des Amtsgerichts könnte endlich ein Schlussstrich unter diesen Streit gezogen werden und Frauen in anderen Vereinen könnten sich auf diese Gerichtsentscheidung berufen. Sie wurden jetzt eines Besseren belehrt. Mit viel Energie und Geld versucht der männlich dominierte Vereinsvorstand, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Wie lange noch müssen aufwändige juristische Verfahren geführt werden, damit Frauen endlich auch in Vereinen ohne Diskriminierung aktiv sein können?

Jetzt ist Ihre Unterstützung gefragt – gegen Diskriminierung und veraltete Frauenbilder

Ein solches Frauenbild wie im Fischertagsverein Memmingen gibt es auch in zahlreichen anderen Vereinen immer noch. Ob Schützenverein, Gesellschaftsclub, Trommelgruppe, Ruderverein oder Freimaurer- Frauen haben in vielen Vereinen immer noch nicht dieselben Rechte wie Männer.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte engagiert sich dafür, dass endlich die mühsam erkämpften Bestimmungen des Grundgesetzes und des Antidiskriminierungsgesetzes auch bei den Vereinen eingehalten werden müssen und ansonsten Vereinen die Gemeinnützigkeit entzogen wird.

Die Klägerin in Memmingen kämpft nicht nur für ihr unmittelbares Recht, gleichberechtigt am Vereinsleben teilnehmen zu können. Sie will zugleich verhindern, dass Mädchen die traditionelle Frauenrolle weiter vorgelebt wird. Und sie will Frauen auch in anderen Bereichen ermutigen, ihre Rechte wahrzunehmen.

Männer dürfen ausfischen, Frauen und Mädchen gehören zur „Gruppe der Bediensteten“

Der Fischertagsverein Memmingen ist der zentrale örtliche Kulturverein. Hauptzweck des Vereins ist die Gestaltung und Durchführung des jährlichen „Fischertags“, ein Traditionsfest in Memmingen mit ca. 20.000 bis 30.000 Gästen  und Mitwirkenden. Höhepunkt dieses Festes ist das sogenannte Ausfischen des Stadtbachs. Dabei wird derjenige, der die schwerste Forelle aus dem Stadtbach fängt, zum Fischerkönig gekürt. 

Laut der Satzung des Fischertagsvereins dürfen ausschließlich männliche Vereinsmitglieder in die Gruppe der Stadtbachfischer aufgenommen werden. Dies umfasst auch Jungen ab dem 6. Lebensjahr. Die Frauen dürfen als Kübeles-Mädel am Rand stehen und die Fische in Empfang nehmen. Der Memminger Fischertagsverein hat den Antrag der Klägerin auf Teilnahme am Ausfischen unter Berufung auf die angebliche männliche Tradition abgelehnt.

Die Ablehnung ist juristisch nicht haltbar. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 GG und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbieten geschlechtsspezifische Diskriminierungen. Es gibt auch keine sachlichen Gründe dafür, Frauen und Mädchen vom Ausfischen auszuschließen. Diese Auffassung vertrat auch das Amtsgericht Memmingen in seiner Urteilsbegründung.

Tradition ist keine Rechtfertigung für Diskriminierung

Insbesondere das Argument, es handele sich beim Ausfischen um eine männliche Tradition, ist keine Rechtfertigung für einen Ausschluss. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1991 entschieden, dass allein die gelebte Tradition nicht ausreicht, um eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Denn Art. 3 GG soll Gleichberechtigung gerade in Zukunft durchsetzen, statt den Status quo zu erhalten.

Das Diskriminierungsverbot des AGG gilt auch für den Fischertagsverein, da sich dieser den Frauen gegenüber in einer überlegenen Position befindet. Als alleiniger Ausrichter des wichtigsten städtischen Kulturevents nimmt der Verein eine zentrale Rolle im gesellschaftspolitischen Gefüge in Memmingen ein. Frauen und Mädchen bleibt ein bedeutender Teil des sozialen Lebens der Stadt verwehrt, eine alternative Veranstaltung oder einen weiteren Trägerverein gibt es nicht. Aufgrund dieser strukturellen Überlegenheit ist auch der Fischertagsverein an das AGG gebunden. Der Ausschluss von Menschen aufgrund ihres Geschlechts ist demzufolge rechtswidrig und stellt, wie der Bundesfinanzhof in einem Urteil zur Freimaurerloge feststellte, auch die Gemeinnützigkeit des Vereins infrage.

Diskriminierungsverbote im Privatrecht stärken

Die GFF wendet sich mit juristischen Mitteln gegen jede Form von Diskriminierung – durch den Staat, aber auch durch Private. Gerade in Deutschland wird privaten Vereinigungen derzeit weitestgehend freie Hand gelassen, sodass dort Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder anderer personenbezogener Merkmale benachteiligt werden. Doch auch Vereine dürfen nicht ohne sachlichen Grund diskriminieren. Dieser Fall kann dazu beitragen, dieses Rechtsverständnis aufzubrechen und das Diskriminierungsverbot auch im Vereinsrecht zu etablieren.

Hintergrund 

  • Warum Vereine nicht diskriminieren dürfen – Fragen und Antworten zum Fall
  • Klageschrift vom 3. Juni 2019
  • Replik der Klägerin vom 7. Oktober 2019
  • Triplik der Klägerin vom 2. März 2020
  • Quintuplik der Klägerin vom 10. August 2020
  • Urteil des Amtsgerichts Memmingen vom 31. August 2020
  • Das Aktenzeichen des Verfahrens ist 21C952/19.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte setzt sich auch in anderen Fällen gegen Geschlechterdiskriminierung ein und unterstützt zum Beispiel eine Klage einer Reporterin gegen Entgeltdiskriminierung beim ZDF. Hier finden Sie die Fallseite.

Presse

  • 31.08.2020: Amtsgericht Memmingen beendet Diskriminierung von Frauen in Traditionsverein
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Filed Under: Fälle, Gleichberechtigung im Fischertagsverein

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