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Containern ist keine Straftat

Interview mit Caro und Franzi: „Solange Lebensmittel in den Mülltonnen landen, machen wir weiter“

Die Umweltaktivist*innen Caro und Franzi wurden erwischt, als sie weggeworfene Lebensmittel aus dem Müll nahmen. Das wird als „Lebensmittelretten“ oder „Containern“ bezeichnet – und kann in Deutschland als Straftat geahndet werden. Die Student*innen wurden tatsächlich verurteilt. Dagegen legten sie gemeinsam mit der GFF Verfassungsbeschwerde ein. Wir haben mit den beiden darüber gesprochen, was sie erreichen wollen, wie viele Menschen wegen „Mülldiebstahls“ vor Gericht landen und was sie motiviert, den langen Weg durch die Instanzen zu gehen.

Was ist euch durch den Kopf gegangen, als Ihr verurteilt wurdet?

Caro: Zunächst waren wir ganz schön erschöpft von der anstrengenden dreistündigen Verhandlung. Das Urteil hat uns sehr enttäuscht, weil wir uns weiterhin nicht schuldig fühlten. Wem sollten wir einen Schaden zugefügt haben? Dem Supermarkt oder unserer Gesellschaft, in deren Namen wir schuldig gesprochen wurden?

Franzi: Draußen vor dem Gerichtsgebäude in der Kälte warteten Freund*innen und Unterstützer*innen auf uns, die nicht mehr in den Gerichtssaal gepasst haben und mit uns auf einen Freispruch hofften. Leider vergeblich! Ein Freispruch hätte nicht allein unsere persönliche Straffreiheit bedeutet, sondern auch ein Zeichen gegen die Kriminalisierung vieler containernder Menschen in Deutschland gesetzt.

Habt ihr Kontakt zu anderen Menschen, die wegen „Mülldiebstahls“ verurteilt wurden?

Caro: Wir stehen mit verschiedenen Personen in Kontakt. Zum einen konnte uns Christian Walter aus dem Unterstützungsbündnis von zwei Aachener Angeklagten sehr weiterhelfen. Das Aachener Gerichtsverfahren wurde 2015 nach mehrmaligem Verschieben eingestellt. Im März 2019 wurden zwei Brüder vor dem Amtsgericht Hannover freigesprochen.

Werden in letzter Zeit eher mehr oder weniger Leute angeklagt, weil sie Essen aus dem Müll genommen haben?

Caro: Alleine in den letzten Wochen haben uns vier neue Fälle erreicht, die sich derzeit noch im Ermittlungsverfahren befinden. Containern wird also auch weiterhin strafrechtlich verfolgt.

Franzi: Die Fälle in Deutschland häufen sich, werden aber oft vor der Verhandlung eingestellt.

Was erhofft ihr euch von der Verfassungsbeschwerde?

Caro: Natürlich wünschen wir uns ein Urteil in unserem Sinne. Denn ein Freispruch in unserem Fall wäre ein klares Zeichen gegen die Lebensmittelverschwendung und für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Aber auch die Diskussion auf dem Weg dorthin ist enorm wichtig, weil sie dazu beitragen kann, dass das Bewusstsein in der Bevölkerung für dieses Thema wächst. Genauso wie wir empfinden viele Menschen, dass unser Umgang mit Lebensmitteln noch nicht ausdiskutiert ist.

Was wollt ihr auf politischer Ebene erreichen?

Caro: Unsere wichtigsten Forderungen, die auch in unserer Petition stehen, sind, Supermärkte gesetzlich zu verpflichten, noch genießbare Lebensmittel an gemeinnützige Strukturen weiterzugeben, sowie das Containern zu entkriminalisieren. Bisherige Schritte auf diesem Weg auf Ebene des Bundesrates, der Justizministerkonferenz und der Bundesregierung waren leider nicht erfolgreich.

Franzi: Die breite öffentliche Debatte, die mit immer mehr Nachdruck geführt wird, ist aber ein gutes Zeichen.

In welche Richtung sollte sich diese Debatte entwickeln?

Franzi: Um Lebensmittelverschwendung zu beseitigen, müssen die großen Zusammenhänge aufgezeigt werden und auf sehr vielen Ebenen Maßnahmen getroffen werden. Dazu zählen eine nachhaltigere Wirtschafts- und Anbauweise in der Landwirtschaft und eine Alternative zum heutigen Mindesthaltbarkeit. Auch in der Bildung muss mehr Wert auf einen nachhaltigen und bewussten Umgang mit Lebensmitteln gelegt werden. Wir können alle unseren Teil dazu beitragen – denn nur gemeinsam können wir neue Wege gehen.

Franzi und Caro: “Solange Lebensmittel in den Mülltonnen landen, machen wir weiter”
Franzi und Caro: “Solange Lebensmittel in den Mülltonnen landen, machen wir weiter”

Wer oder was motiviert euch, weiterzukämpfen?

Franzi: Wir sind sehr berührt von dem Rückhalt aus so vielen unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten. Ein Interview mit Grundschüler*innen für ihre Schülerzeitung, die Unterstützung durch FridaysForFuture, unser Freundes- und Unterstützer*innenkreis, der eine Soliparty zur Finanzierung unserer Kosten organisiert hat, Einladungen von Politiker*innen und ein Brief zweier Rentnerinnen, die auf einem Weihnachtsmarkt selbstgemachte Marmeladen verkauften, um auf unseren Fall aufmerksam zu machen, sind nur ein paar Beispiele dafür.

Caro: Besonders spannend ist es für uns, Teil eines gesellschaftlichen und politischen Prozesses zu sein. Wir sehen, dass sich bereits einiges bewegt. Das Thema Lebensmittelverschwendung ist uns mittlerweile sehr ans Herz gewachsen. Solange weiterhin Lebensmittel in rauen Mengen in den Mülltonnen landen und damit unsere Zukunft auf diesem Planeten gefährdet ist, gibt es für uns nur eine Option: uns weiterhin einzusetzen.

Containern ist keine Straftat

CONTAINERN IST KEINE STRAFTAT

Das Retten von Lebensmitteln aus Müllcontainern ist keine Straftat. Wir begleiten die Verfassungsbeschwerde zweier Studentinnen, die wegen Diebstahls verurteilt wurden.

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