Pressemitteilung: GFF erhebt Normenkontrollantrag gegen Ausschluss von Ausländern aus dem Integrationsbeirat des Landkreises Leipzig
Geänderte Beiratsordnung verlangt gesichertes Aufenthaltsrecht / Begründung dafür fehlt
Berlin, 23 Oktober 2019 – Nach einem ablehnenden Beschluss des sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) im Eilverfahren unterstützt die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) nun das Hauptsacheverfahren der Normenkontrollklage zweier Ausländer, die aufgrund einer Rechtsänderung nicht mehr für den Integrationsbeirat des Landkreises Leipzig kandidieren dürfen. „Die Begründung des OVG im Eilverfahren war sachlich nicht nachvollziehbar“, sagt Nora Markard, Mitglied des Vorstands der GFF. „Das Gericht hat einen offensichtlichen Verstoß gegen den Gleichheitssatz ignoriert, diese Entscheidung hätte so nie ergehen dürfen. Es ist deshalb keine Frage, dass wir im Hauptverfahren weiterkämpfen.“ Mit der Normenkontrolle wird nun die Gültigkeit der Änderung der Integrationsbeiratsordnung des Landkreises Leipzig (IBO) überprüft.
Bisher sollten dem Integrationsbeirat u.a. „zwei im Landkreis lebende Personen mit Migrationshintergrund“ angehören. Auf dieser Grundlage waren die beiden Antragsteller des Eilverfahrens zweieinhalb Jahre lang Mitglieder des Beirats. Der eine von ihnen lebt seit 25 Jahren in Deutschland, der andere seit 7 Jahren. Sie engagieren sich verschiedentlich ehrenamtlich und arbeiten bzw. studieren. Im Herbst 2018 hatte der Kreistag die IBO so geändert, dass nunmehr „drei Einwohner/innen … mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit oder gesichertem Aufenthaltsrecht“ dem Beirat angehören sollen. Die beiden Beiratsmitglieder verloren daraufhin ihre Plätze, da ihre Aufenthaltsgestattung bzw. Duldung ihnen kein gesichertes Aufenthaltsrecht vermitteln. In der Hauptsache klagen gegen die IBO-Änderung nun zwei weitere ausgeschlossene Kandidaten für den Integrationsbeirat, Muhammad S. und Adil K., die beide ebenfalls seit vielen Jahren als Geduldete im Landkreis Leipzig leben.
Die Verschärfung der Anforderungen in der IBO verstößt gegen den Gleichheitssatz nach Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz und Artikel 18 Absatz 1 der Sächsischen Verfassung. „Die Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises dürfen nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden“, erläutert Markard. Für die Unterscheidung nach dem Aufenthaltsstatus bzw. der Staatsangehörigkeit hat der Landkreis Leipzig aber auch vor dem OVG Leipzig keine Begründung geliefert.
Das OVG berief sich in seiner Eilentscheidung darauf, dass der Integrationsbeirat nach Paragraf 1 IBO die Integration der im Landkreis lebenden Personen mit Migrationshintergrund aktiv fördern soll. Offen bleibt, warum dieses Ziel durch Menschen mit gesichertem Aufenthaltsstatus besser zu erfüllen ist als durch Menschen ohne einen solchen Status. GFF-Vorstandsmitglied Markard verweist darauf, dass das neue Kriterium auch keine Garantie für die Präsenz im gesamten Mandatszeitraum sei: „Die Kläger zeigen beispielhaft, dass Menschen mit prekärem Aufenthaltsrecht oft lange Jahre am selben Ort leben. Umgekehrt ist ein gesichertes Aufenthaltsrecht kein Garant dafür, dass eine Person mit Migrationshintergrund auch länger im Landkreis bleiben wird, statt etwa umzuziehen.“
Im Landkreis Leipzig werden nun nicht nur die Perspektiven von ausländischen Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus fehlen. Es steht sogar die weitere Arbeit des Beirats in Frage: Schon bisher konnten die von der IBO vorgesehenen Stellvertreterposten nicht besetzt werden, weil sich keine weiteren geeigneten Personen fanden. Bewerbungen für die anstehende Neubesetzung sind nicht eingegangen.
Die beiden Kläger werden u.a. vom Bornaer Flüchtlingshilfeverein Bon Courage e.V. unterstützt. „Die Änderung der Ordnung lässt nur mutmaßen, dass Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus unabhängig von ihrer persönlichen Eignung von politischer und gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen und zu Menschen zweiter Klasse degradiert werden sollen“, sagt Frau Münch von Bon Courage. Das Gerichtsverfahren führt der Leipziger Rechtsanwalt Dr. Simon Schuster.
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Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. koordiniert und finanziert Gerichtsverfahren, um Grund- und Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen zu verteidigen. Die GFF setzt sich mit ihren ersten Verfahren beispielsweise für die informationelle Selbstbestimmung, die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit ein. Zudem streitet sie für die Freiheit von Diskriminierung. Sie bringt dafür geeignete Kläger und Klägerinnen mit exzellenten Juristen und Juristinnen zusammen, um gemeinsam gerichtlich gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Zu den aktuellen Projekten zählen Klagen gegen die Massenüberwachung von Flugpassagieren und Verfassungsbeschwerden gegen den massenhaften Einsatz von Staatstrojanern, zuletzt im neuen Polizeigesetz in Baden-Württemberg, aber auch die Klage einer Journalistin gegen Entgeltdiskriminierung. Zur Finanzierung ihres Einsatzes für die Grundrechte ruft die GFF zu Spenden auf: freiheitsrechte.org/spenden.
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