GFF erhebt Verfassungsbeschwerde gegen Zensus-Testlauf
GFF erhebt Verfassungsbeschwerde gegen überflüssige und gefährliche Übermittlung von Meldedaten für Zensus-Testlauf
Berlin, 12. August 2019 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die massenweise Übermittlung von Meldedaten im Rahmen eines Testlaufs für den Zensus 2021 eingelegt, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Test im Februar auf einen der GFF hin nicht gestoppt hatte. „Im Eilverfahren hat das Gericht nur die Folgen einer positiven gegen die Folgen einer negativen Entscheidung abgewogen“, sagt Ulf Buermeyer, Vorsitzender der GFF. „Wir sind davon überzeugt, dass es nun im Hauptsacheverfahren die Zusammenführung für einen bloßen Test von über 82 Millionen Meldedatensätze an einer Stelle für verfassungswidrig erklären wird. Der Staat darf den Datenschutz nicht der Bequemlichkeit opfern.“
Die GFF hat die Verfassungsbeschwerde ebenso wie bereits den Eilantrag in Kooperation mit den Aktivist*innen vom Arbeitskreis Zensus eingereicht. Hierfür ruft sie die Öffentlichkeit wiederum zu Spenden auf, um ihren Einsatz für den Datenschutz finanzieren zu können.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht keine einstweilige Anordnung erließ, werden zwar die Meldedaten bereits im Rahmen des Testlaufs verarbeitet. Aber das Ringen um die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ist noch nicht vorüber. „Die Daten sollen bis zu zwei Jahre zentral gespeichert bleiben“, erklärt Buermeyer. „Im Erfolgsfall können wir das völlig überflüssige Risiko zumindest reduzieren, dass sich Dritte die echten Daten von über 82 Millionen Menschen beschaffen, jedenfalls aber für die Zukunft vergleichbare Testläufe verhindern.“ Über die Verwendung der Daten zu Testzwecken und über den Zensus selbst hat das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden.
Die Verfassungsbeschwerde hat der Berliner Rechtsanwalt Benjamin Derin formuliert, der auch bereits den Eilantrag eingereicht hatte. Neben dem GFF-Generalsekretär Malte Spitz sind unter den Beschwerdeführern auch Mitglieder des Arbeitskreises Zensus.
Hintergrund
Zehn Jahre nach der letzten Volkszählung ist für das Jahr 2021 wieder ein Zensus geplant. Der Bundestag hat das dafür erlassene „Zensusvorbereitungsgesetz 2021“ im Dezember 2018 äußerst kurzfristig um einen sogenannten „Testlauf“ erweitert und der Zivilgesellschaft so kaum Zeit zur Reaktion gelassen. Der neue Paragraf 9a ZensVorbG 2021 sieht vor, dass die Meldeämter in den Bundesländern dem Statistischen Bundesamt ab dem 13. Januar 2019 binnen vier Wochen zu allen in Deutschland gemeldeten Personen Datensätze mit jeweils 46 persönlichen Angaben (Name, Religionszugehörigkeit, Familienstand usw.) zur Verfügung stellen. Dadurch werden erstmals derart umfangreiche Datensätze von bis zu 82 Millionen Bürgern an einer zentralen Stelle zusammengeführt – ein attraktives Ziel für Angriffe und kriminelle Hacker und ein massiver Verstoß gegen datenschutzrechtliche Grundsätze. Dies gilt umso mehr, als nach der GFF vorliegenden Informationen diese Daten offenbar nicht beim Statistischen Bundesamt selbst vorgehalten werden, sondern bei einem kommerziell tätigen Dritten, dessen Zuverlässigkeit kaum abzuschätzen ist.
Weil der Testlauf so kurz bevorstand war ein Eilantrag dagegen erforderlich. In seiner Entscheidung darüber erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde gegen das Zensusvorbereitungsgesetz weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet wäre, und lässt sehr deutlich Zweifel an der Erforderlichkeit des Testlaufs erkennen. Das Gericht kommt schließlich allein wegen einer Folgenabwägung dazu, den Testlauf nicht abzubrechen, sondern über die Zulässigkeit erst später zu entscheiden.
„Wenn die Bundesregierung Gesetze wie das zum hoch umstrittenen Zensus so kurzfristig ändern lässt, ist es für die Zivilgesellschaft sehr schwierig, noch zu reagieren“, sagt Buermeyer. „Wir arbeiten aber daran, die Zahl unserer Fördermitglieder soweit zu erhöhen, dass wir beim nächsten Mal keine Zeit durch ein Crowdfunding verlieren, sondern noch mehr Energie in die Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts stecken können.“
Mit dem Testlauf wollen die Behörden die Übermittlungswege und die Qualität der Daten überprüfen sowie die Programme für die Durchführung des Zensus 2021 testen und weiterentwickeln. „Es ist aber nicht akzeptabel, dafür reale Daten zu verwenden, wenn doch die IT-Branche für Tests längst standardmäßig fiktive Daten verwendet“, sagt GFF-Generalsekretär Malte Spitz. „Wenn die Behörden den Versand eines großen Datenvolumens testen wollen, sollen sie einen fiktiven, wenigstens aber einen anonymisierten Datensatz schaffen. Zum Test der Qualität der Daten genügt eine Stichprobe, die Gesamtdatei mit 82 Millionen Bürgerinnen und Bürgern ist nicht nötig.“ Die GFF kritisiert auch, dass die zu übermittelnden Datensätze sensible Informationen wie die Religionszugehörigkeit enthalten.
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