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Art. 2

POLIZEIGESETZ NRW: VERFASSUNGSWIDRIGES DATA MINING STOPPEN

Das Polizeigesetz NRW ermöglicht das automatisierte Erstellen umfassender Persönlichkeitsprofile zur Kriminalitätsbekämpfung. Wir erheben Verfassungsbeschwerde.

Das Polizeigesetz NRW ermöglicht es der Polizei, zur Verhinderung von Straftaten eine Vielzahl von Daten aus unterschiedlichsten Quellen automatisiert zu analysieren. Mittels der Big-Data Software Gotham von der Firma Palantir werden umfangreiche und detaillierte Persönlichkeitsprofile von Bürger*innen erstellt – auch von Menschen, die noch nie polizeilich erfasst wurden. Dieses sogenannte „Data Mining“ erfolgt unter zu geringen Voraussetzungen und ohne Benachrichtigung der Betroffenen. Dagegen erhebt die GFF Verfassungsbeschwerde. Ziel ist die Klarstellung durch das Bundesverfassungsgericht, dass automatisierte Datenanalysen – wenn überhaupt – nur unter strengen Voraussetzungen, für klar definierte und gewichtige Zwecke und mit angemessenen Verfahrenssicherungen eingesetzt werden dürfen.

Charlotte Baldauf

Verfahrenskoordinatorin

Automatisierte Datenanalysen durch die Polizei sind ein grundrechtliches Schwarzes Loch: Es bleibt unklar, welche Daten die Palantir-Software zu Persönlichkeitsprofilen zusammenführt und auswertet – das verletzt das Grundrecht über die eigenen Daten zu bestimmen."

„Data Mining“ bezeichnet die automatisierte Analyse zahlreicher und großer Datenbestände durch spezielle Software. Die Polizei kann dabei auf Knopfdruck eine Vielzahl von Informationen von öffentlichen und privaten Stellen und aus allgemein zugänglichen Quellen über beliebige Personen einsehen und auswerten. Dies können beispielsweise Daten von Gesundheits- und Sozialämtern, Melderegistern, KfZ-Registern, Banken, Telekommunikationsdienstleistern und auch aus Sozialen Medien sein. Damit sollen neue Ermittlungsansätze generiert und zukünftige Straftaten verhindert werden. Die Polizei in NRW nutzt dafür die Big-Data Software Gotham der umstrittenen US-Firma Palantir.

DER NÄCHSTE SCHRITT ZUM GLÄSERNEN MENSCHEN

Das legitime Ziel der Gefahrenabwehr rechtfertigt keine unverhältnismäßigen Eingriffe in die Grundrechte der Bürger*innen. Das Auswerten von enormen Mengen höchst sensibler Daten und das Erstellen detaillierter Persönlichkeitsprofile ist ein schwerwiegender Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Jede*r kann betroffen sein – auch Personen, die selbst keinen Anlass zur Überwachung gegeben haben und noch nie polizeilich erfasst wurden. Bereits 2020 hat das Bundesverfassungsgericht deshalb festgestellt, dass Sicherheitsbehörden keine umfassenden Persönlichkeitsprofile erstellen dürfen. Die entsprechende Regelung im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz ist damit klar verfassungswidrig.

DISKRIMINIERUNG UND STIGMATISIERUNG DURCH „PREDICTIVE POLICING“

Ein gravierendes Problem des Data Mining besteht zudem darin, dass von etwaigen Vorurteilen geprägte Daten ungeprüft in die Analyse einfließen. So werden beispielsweise von Rassismus betroffene Menschen oder politische Aktivist*innen ohnehin überdurchschnittlich oft zum Ziel polizeilicher Maßnahmen. Werden die dabei erfassten Daten automatisiert ausgewertet, steigt das Risiko, auch in Zukunft disproportional von Kontrollen und Folgeermittlungen betroffen zu sein. So entsteht eine sich selbst verstärkende Dynamik der Diskriminierung und Stigmatisierung. Dem sogenannten „Predictive Policing“ – der Vorhersage künftiger Straftaten mittels Technologie – müssen deshalb grundrechtliche Grenzen gesetzt werden.

UNZUREICHENDE VORAUSSETZUNGEN UND VERFAHRENSSICHERUNGEN

Als schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte ist Data Mining nur unter strengen Voraussetzungen und für gewichtige Zwecke wie zum Beispiel zur Bekämpfung schwerster Kriminalität zulässig. Der Gesetzgeber in NRW hat aber zu niedrige Eingriffsschwellen vorgesehen. Die Datenanalysen dürfen etwa auch zur Bekämpfung von Vergehen wie Beamtenbestechung eingesetzt werden. Auch die Verfahrenssicherungen sind unzureichend: Da die Analsyse im Geheimen stattfindet und Betroffene auch nachträglich nicht darüber informiert werden, ist es für sie faktisch unmöglich, rechtlich gegen den Eingriff in ihre Grundrechte vorzugehen. Betroffene müssen zumindest Kenntnis von der Datenanalyse erhalten, damit ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz gewahrt wird.

BUNDESWEIT GEGEN UNVERHÄLTNISMÄßIGE VERSCHÄRFUNG DER POLIZEIGESETZE

Mit der Verfassungsbeschwerde will die GFF höchstgerichtlich feststellen lassen, dass die Durchleuchtung der Bürger*innen in NRW verfassungswidrig ist. Die Beschwerdeführer*innen setzen sich unter anderem für Klimaschutz ein und befürchten, durch die Teilnahme an Protestaktionen ins Visier der nordrhein-westfälischen Polizei zu geraten.

Die GFF stellt sich seit Langem gegen die Verschärfungen der Polizeigesetze in fast allen Bundesländern. Besonders im Kontext automatisierter Datenanalysen werden auf Landesebene immer wieder Gesetze verabschiedet, die gegen die Grundrechte verstoßen. In Hessen werden mit der Big-Data-Analysesoftware Hessendata personenbezogene Daten zentral und automatisiert ausgewertet. Auch in Hamburg erstellt die Polizei mittels Algorithmen umfangreiche Persönlichkeitsprofile. Die GFF hat gegen die entsprechenden Landesgesetze Verfassungsbeschwerden eingereicht.

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