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Gutachten: Kooperationen zwischen Hochschulen und Industrie gefährden Wissenschafts- und Informationsfreiheit

Berlin, 14. März 2019 – Die Kooperationsvereinbarungen der Universität Mainz mit der Boehringer Ingelheim Stiftung haben das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verletzt. Die Hochschule hätte sich nicht auf die Kooperationsvereinbarungen aus den Jahren 2009 bis 2012 einlassen dürfen. Vereinbarungen im untersuchten Fall sowie in vergleichbaren Fällen unterliegen der Informationsfreiheit.

Zu diesem Ergebnis kommt das Gutachten „Universitäre Industriekooperation, Informationszugang und Freiheit der Wissenschaft“, das Prof. Dr. Klaus F. Gärditz, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, im Auftrag der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) erstellt hat.

„Immer häufiger zeigt sich, dass Industriekooperationen das ‚Gütesiegel‘ einer freien Wissenschaft gefährden und die im Grundgesetz verankerte, unabhängige, nicht interessengeleitete und verlässliche Forschung und Lehre unterlaufen“, sagt Professor Gärditz. „Wenn dem privaten Kooperationspartner realer Einfluss auf wissenschaftliche Tätigkeiten an einer universitären Forschungseinrichtung eingeräumt wird, verletzt diese Vereinbarung das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit.“

Das ist bereits dann der Fall, wenn eine konkrete Gefährdung besteht, dass der Kooperationspartner seinen vertraglichen Einfluss zur Steuerung der Wissenschaft nutzen könnte. Beispielsweise greifen Einflussrechte privater Geldgeber in die Beschäftigungsbedingungen des wissenschaftlichen Personals, auf die Finanzsteuerung oder auf wissenschaftliche Veröffentlichungen durch Zustimmungsvorbehalte in die Wissenschaftsfreiheit ein.

Die Boehringer Ingelheim Stiftung fördert an der Universität Mainz das Institut für Molekulare Biologie gGmbH (IMB). Dort wird Grundlagenforschung u.a. in den Bereichen der Entwicklungsbiologie und DNA-Reparatur betrieben.

Zwar wurde die Förderung des IMB durch die Stiftung abstrakt über den gesamten Förderzeitraum sowie die einzelnen Förderjahre vertraglich festgelegt (10 Millionen Euro p. a. über zehn Jahre). Gleichzeitig wurden aber die konkreten Einzelheiten, die dann unmittelbar die Forschungsprojekte betreffen, der Finanz- und Wirtschaftsplanung überlassen. Das verschaffte der Stiftung erheblichen Einfluss auf die konkrete Forschungstätigkeit des IMB, denn der Wirtschaftsplan des Instituts musste der Stiftung zur Zustimmung vorgelegt werden. Die Stiftung hatte auch einen unbotmäßigen Einfluss auf die Beschäftigungsbedingungen.

Darin sieht Professor Gärditz auch eine deutliche Verletzung der Pflichten der Universität Mainz gegenüber den Beschäftigten. „Eine staatliche Hochschule darf keine Strukturen fördern, unter denen interessengeleiteten Dritten die Macht eingeräumt wird, Berufungspolitik, Forschungsschwerpunkte oder Publikationspraktiken zu kontrollieren. Unverzichtbare Mindestanforderungen an eine Wissenschaft, die auf Erkenntnis von Wahrheit gerichtet ist, dürfen nicht zugunsten wirtschaftlicher Interessen preisgegeben werden“, erklärt er.

Die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG enthält nicht nur ein individuelles Abwehrrecht, sondern zugleich eine positive Schutzverantwortung staatlicher Hochschulen dafür, dass in der Hochschule freie Wissenschaft möglich ist und ungefährdet nach ihren „Eigengesetzlichkeiten“ betrieben werden kann. Die Forschung ist gegen eine Vereinnahmung durch Drittinteressen zu schützen, die Neutralität, Distanz und Fachlichkeit der Forschung beeinträchtigen kann.

Darüber hinaus sehen Professor Gärditz und die Gesellschaft für Freiheitsrechte im vorliegenden Fall eine Verletzung des Informationsfreiheitsrechts durch die Universität Mainz, die sich geweigert hatte, die Kooperationsvereinbarungen mit der Boehringer Ingelheim Stiftung offenzulegen.

„Sowohl die Öffentlichkeit als auch Journalistinnen und Journalisten sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ein Recht darauf, Einzelheiten von Kooperationsvereinbarungen zu erfahren, um eine Nachprüfung zu erleichtern und mögliche Interessenkonflikte transparent zu machen“, sagt Malte Spitz, Generalsekretär der Gesellschaft für Freiheitsrechte.

Die formalen Rahmenbedingungen von Forschungskooperationen genießen laut Einschätzung von Professor Gärditz grundsätzlich keinen Geheimnisschutz. Private Kooperationspartner lassen sich auf die Verpflichtungen ein, denen eine staatliche Hochschule unterliegt, und müssen daher die notwendige Transparenz akzeptieren. Hinter diesem Transparenzgebot treten etwaige unternehmerische Interessen an einer Geheimhaltung der Vereinbarungen in der Regel zurück.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte wird daher in Zukunft gezielt rechtliche Auseinandersetzungen um die Veröffentlichung entsprechender Kooperationsverträge unterstützen und vorantreiben.

Die Erstellung des Gutachtens wurde durch die MONNETA gGmbH finanziell unterstützt.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen unter presse@freiheitsrechte.org oder telefonisch unter +49 30 549 08 10 55 zur Verfügung.

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Wie eng dürfen Hochschulen mit der Industrie kooperieren, ohne die Wissenschaftsfreiheit zu gefährden? Unser Gutachten untersucht dies anhand einer Fallstudie.

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