Accountsperren als Hebel gegen Hass im Netz – Gesellschaft für Freiheitsrechte stellt Eckpunkte für Digitales Gewaltschutzgesetz vor
Berlin, 13. Dezember 2022 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat heute Eckpunkte für ein Digitales Gewaltschutzgesetz vorgestellt. Darin fordert sie die Möglichkeit gerichtlicher Accountsperren, um endlich ein effektives Mittel gegen Hass im Netz zu schaffen. Die GFF will damit einen Impuls dafür setzen, dass die Ampel-Koalition gegen Hass im Netz aktiv wird, wie sie es im Koalitionsvertrag angekündigt hat. Während die existierenden Werkzeuge wie Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und strafrechtliche Verfolgung keinen wirksamen Schutz vor digitaler Gewalt bieten, bedrohen Hass und Hetze mehr denn je die Diskussion im Internet. Weil die Zeit für effektiven Gewaltschutz drängt, arbeitet die Gesellschaft für Freiheitsrechte im Rahmen der Marie-Munk-Initiative an einem Gesetzentwurf mit konkreten Schutzmechanismen.
„Wir dürfen dem Hass auf Twitter, Facebook und Co und nicht das Feld überlassen“, fordert Ulf Buermeyer, Vorsitzender der GFF. „Die bisherigen Instrumente können die betroffenen Menschen nicht schützen – daher muss die Politik nun endlich liefern! Eine Rechtsgrundlage für gerichtliche Accountsperren ist längst überfällig. Accountsperren sind wirksam, denn sie setzen keine Klarnamen voraus, erfordern keine unnötigen Überwachungsmaßnahmen, sind rechtsstaatlich sauber und sind zügig umsetzbar.“
Zwar verpflichtet das 2017 eingeführte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) Plattformbetreiber theoretisch dazu, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen. In der Realität bleiben Beschwerden bei Plattformen aber fast immer folgenlos. Im Rahmen des laufenden Verfahrens des Baden-Württembergischen Antisemitismus-Beauftragten Blume gegen Twitter vor dem Landgericht Frankfurt wurde bekannt, dass die Bundesregierung bestimmte Pflichten des NetzDG gegenüber Twitter gar nicht durchsetzt. Auch die Strafverfolgung ist kein wirksames Mittel, um akute Bedrohungen oder Beleidigungen schnell abzustellen. Die Identität der Beschuldigten ist im Internet meist nicht aufzudecken, die Verfahren dauern Jahre.
„Wir müssen endlich die Betroffenen in den Mittelpunkt stellen und empowern: Daher müssen zum einen Beratungsangebote ausgebaut werden. Außerdem sollen auch Beratungsorganisationen Gewaltschutzanträge vor Gericht stellen können“, sagt Sina Laubenstein, Koordinatorin der Marie-Munk-Initiative bei der GFF. „Bislang sind Betroffene oft zum Warten verdammt: auf das schleppende Strafverfahren, auf eine Reaktion von Twitter & Co. Accountsperren können das Blatt wenden: Betroffene können sie aber auch selbst bei Gericht beantragen.“
Ein aktuelles von der GFF in Auftrag gegebenes europarechtliches Gutachten von Prof. Dr. Marc Cole bestätigt, dass eine nationale Regelung zu gerichtlich angeordneten Accountsperren auch mit dem DSA der EU zu vereinbaren ist.
Generalklauseln mit Regelbeispielen sollen Accountsperren, aber auch ein Vorgehen gegen ganz unterschiedliche Ausprägungen digitaler Gewalt ermöglichen. Die GFF erwartet, dass das Bundesjustizministerium zeitnah das im Koalitionsvertrag angekündigte Digitale Gewaltschutzgesetz vorlegt und den Vorschlag von gerichtlichen Accountsperren aufgreift.
Zu weiteren Informationen & den Eckpunkten für ein Digitales Gewaltschutzgesetz:
https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/marie-munk-initiative
Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Dr. Maria Scharlau, Tel. 01579/2493108