Erfolg für Meinungsfreiheit: Entzug des Lehrauftrags von Bahar Alsan durch Polizeihochschule war vorschnell und rechtswidrig
Berlin/ Gelsenkirchen, 5. September 2023 – Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat heute dem Eilantrag von Bahar Aslan gegen den Widerruf ihres Lehrauftrags durch die Polizeihochschule NRW stattgegeben. Den Antrag hatte Aslan mit ihrem Anwalt Patrick Heinemann und der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) eingereicht. Das Gericht stützt seine Entscheidung vor allem darauf, dass die Hochschule keine Gesamtabwägung vorgenommen und Faktoren wie positive Rückmeldungen zu ihrer Lehrtätigkeit völlig außer Acht gelassen hatte. Der Entzug des Lehrauftrags war damit rechtswidrig.
„Die Entscheidung ist ein gutes Signal für die Meinungsfreiheit und für den Schutz von Hinweisgebenden: Die Hochschule ist dem verbreiteten vorschnellen Reflex gefolgt, die Überbringer schlechter Nachrichten zu strafen und hat jetzt die Quittung: Das war rechtswidrig“, kommentiert Laura Kuttler, Juristin und Projektkoordinatorin der
Aslan unterrichtet seit Januar 2022 das Fach „Interkulturelle Kompetenz“ an der Hochschule. Die Hochschule hatte Aslan im Mai 2023 einen Lehrauftrag für das kommende Wintersemester erteilt. Nachdem Aslan Ende Mai auf Twitter ihre Sorge über rechte und rassistische Kräfte bei der Polizei geäußert hatte, widerrief die Hochschule den Lehrauftrag. Wie das Gericht jetzt feststellte, hätte sich die Hochschule dabei viel umfassender mit allen Aspekten rund um ihre fachliche Eignung als Lehrkraft auseinandersetzen müssen. Insbesondere hätte die Hochschule ihre bisherige Lehrtätigkeit berücksichtigen müssen, die von den Studierenden der Polizeihochschule durchgehend positiv bewertet worden waren.
„Bahar Aslans Rauswurf aus der Polizeihochschule verstößt gegen Grundrechte. Land und Hochschule haben auf den kritischen Tweet überreagiert und wichtige Aspekte wie die nachweislich hervorragenden Leistungen von Bahar Aslan als Lehrbeauftragte völlig unter den Tisch fallen lassen“, kommentiert Anwalt Patrick Heinemann.
Die Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus. Durch das erfolgreiche Eilverfahren kann Bahar Aslan jedoch erstmal weiter unterrichten. „Die Entscheidung zeigt, dass der Rechtsstaat funktioniert. Es war rechtswidrig, mich als Lehrbeauftragte wegen einer kritischen Äußerung zu Rechtsextremismus in der Polizei abzusetzen. Jetzt muss die inhaltliche Debatte dort weitergehen, wo sie hingehört: In den Hochschulen, in der Gesellschaft“ fordert Bahar Aslan.
In den letzten Jahren häuften sich Meldungen über rechtsextreme Chats und rassistische Vorfälle innerhalb von Sicherheitsbehörden. Wenn Polizist*innen diese Vorfälle meldeten, kam es immer wieder zu Sanktionen gegenüber den Hinweisgeber*innen, während die Vorfälle selbst nicht aufgearbeitet wurden. Um Hinweisgeber*innen in der Polizei besser zu schützen, hat die GFF im Juli das Projekt „Mach Meldung!“ gestartet. Das Projekt will potenziellen Whistleblower*innen über Meldewege an die Hand geben sowie die Problemlage durch Studien besser untersuchen. Die GFF dadurch – wie auch mit dem Verfahren von Bahar Aslan – dazu beitragen, dass Missstände in den Sicherheitsbehörden aufgearbeitet werden. Das setzt voraus, dass Probleme benannt werden können und Menschen dafür nicht sanktioniert werden.
Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/bahar_aslan
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