GFF erhebt Verfassungsbeschwerde gegen Big Brother-Methoden im Polizeigesetz von NRW: Der Einsatz von Big Data braucht strenge Voraussetzungen
Berlin/Karlsruhe, 6. Oktober 2022 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) erhebt heute vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen eine Regelung des Polizeigesetzes NRW, die automatisierte Auswertungen zahlreicher und großer Datenbestände erlaubt. Grundlage für dieses sogenannte „Data Mining“, das Straftaten verhindern soll, ist die Big-Data Software Gotham der umstrittenen Firma Palantir. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber erlaubt diesen schwerwiegenden Grundrechtseingriff zu weitreichend und bei unzureichenden Verfahrenssicherungen. Die GFF zielt mit der Verfassungsbeschwerde auf eine Klarstellung durch das Bundesverfassungsgericht ab: Data Mining ist unter diesen Voraussetzungen verfassungswidrig.
„Automatisierte Datenanalysen durch die Polizei sind ein grundrechtliches Schwarzes Loch: Es bleibt unklar, welche Daten die Palantir-Software zu Persönlichkeitsprofilen zusammenführt und auswertet – das verletzt das Grundrecht über die eigenen Daten zu bestimmen“ sagt Charlotte Baldauf, Juristin und zuständige Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. „Menschen können willkürlich ins Visier der Polizei geraten – häufig trifft es diskriminierte Gruppen. Weil sie von der Datenauswertung nichts erfahren, können sie sich nicht mal zur Wehr setzen.“
„Data Mining“ bedeutet, dass die Polizei auf Knopfdruck Informationen aus verschiedensten Quellen über beliebige Personen einsehen und zusammenziehen kann. Neben polizeilichen Datenbanken darf die Polizei auch Meldedaten, KfZ-Registerdaten, Daten von Gesundheits- und Sozialämtern, Banken und sogar aus sozialen Netzwerken analysieren. Die Datenanalyse kann daher jeden treffen, auch Personen, die noch nie polizeilich erfasst wurden. Eine solche Zusammenschau verschiedener persönlicher Daten stellt einen schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Das Bundesverfassungsgericht hat explizit verboten, umfassende Persönlichkeitsprofile von Bürger*innen zu erstellen. Die GFF will erreichen, dass automatisierte Datenanalysen – wenn überhaupt – nur unter strengen Voraussetzungen eingesetzt werden dürfen.
Die Datenanalysen sind auch ein Baustein von „Predictive Policing“, der Vorhersage künftiger Straftaten mittels Technologie. Diese Methode wird in den USA und Großbritannien eingesetzt und steht immer wieder für die damit verbundene rassistische Wirkung in der Kritik. Die Programme werden mit bestehenden Datensätzen gefüttert und setzen damit etwaige Fehler und Verzerrungen aus der vergangenen Polizeipraxis fort. Wenn etwa Daten aus einer jahrelangen diskriminierenden Kontrollpraxis der Polizei (Racial Profiling) eingespeist werden, ist auch die hieraus abgeleitete Zukunfts-Prognose verzerrt und diskriminierend.
Auch Hessen und Hamburg verabschiedeten in den letzten Jahren Rechtsgrundlagen für automatisierte Datenanalysen bei der Polizei– Verfassungsbeschwerden der GFF dagegen sind noch anhängig. Die Beschwerdeführer*innen, mit denen die GFF die heutige Verfassungsbeschwerde erhebt, setzen sich unter anderem für mehr Klimaschutz ein. Sie befürchten, dass sie wegen der Teilnahme an Protestaktionen ins Visier der nordrhein-westfälischen Polizei geraten, die immer wieder durch ihren Hardliner-Kurs gegenüber Klimaaktivist*innen auffällt.
Weitere Informationen finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/stop-data-mining
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