Gericht ignoriert Pressefreiheit: GFF und RSF gehen gegen Abhören des Pressetelefons der Letzten Generation in die nächste Instanz
Berlin, 28.11.2023 - Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) legt heute gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen (RSF) und zwei Journalisten Beschwerde beim Landgericht München gegen Beschlüsse des Amtsgerichts München ein. Ziel ist, die Pressefreiheit zu verteidigen. Im Juli hatten GFF und RSF einen Antrag gegen Abhörmaßnahmen der Generalstaatsanwaltschaft München gegen das Pressetelefon der Letzten Generation gestellt. Das Amtsgericht erkannte diese Maßnahme jetzt als rechtmäßig an. Der Eingriff in die Pressefreiheit sei ausreichend begründet gewesen. Die GFF und ROG sehen in den Beschlüssen einen klaren Verstoß gegen die Pressefreiheit, da das Gericht das Grundrecht in der ursprünglichen Anordnung der Überwachung noch nicht einmal erwähnt hat.
„Das Amtsgericht München verkennt die fundamentale Bedeutung der Pressefreiheit. Die ursprünglichen Abhör-Beschlüsse hätten die Grundrechte der Journalist*innen ausdrücklich berücksichtigen müssen – doch dazu findet sich kein einziges Wort“, kritisiert Benjamin Lück, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.
Im Rahmen ihrer Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ hatte die Generalstaatsanwaltschaft das Pressetelefon der Letzten Generation über Monate hinweg heimlich überwacht. Ermittler*innen hörten dabei vertrauliche Gespräche zwischen Journalist*innen und Pressesprecher*innen ab. Betroffen von dieser Telekommunikationsüberwachung waren unter anderem die Journalisten Jörg Poppendieck (rbb) und Jan Heidtmann (SZ). „Mittlerweile habe ich mir den Mitschnitt eines meiner Recherchetelefonate mit einem Vertreter der ‘Letzten Generation’ anhören können. Ich war geschockt, weil ich das nicht für möglich gehalten hatte. Es ist so offensichtlich, dass die Generalstaatsanwaltschaft und das Amtsgericht die Pressefreiheit schlicht ignoriert haben“, sagte Jörg Poppendieck, Journalist und Antragssteller der heute eingelegten Beschwerde.
Das Abhören des Pressetelefons der Letzten Generation ist aus Sicht der GFF unverhältnismäßig: Der gegen die Mitglieder der Letzten Generation erhobene Tatvorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ist juristisch umstritten, die einzelnen dahinterstehenden Tatvorwürfe sind zu gering. Gleichzeitig ist der Eingriff in die Pressefreiheit gravierend, journalistisches Arbeiten braucht vertrauliche Kommunikation. Das hat das Gericht nicht ausreichend berücksichtigt.
„Dass der zur Überprüfung aufgeforderte Richter es nach wie vor für rechtmäßig hält, in seiner Überwachungsanordnung keine Grundrechte abgewogen zu haben, stellt rechtsstaatliche Grundsätze über den Einzelfall hinaus in Frage“, sagt Verteidigerin Nicola Bier.
Das Verfahren von RSF und der GFF zielt darauf ab, die grundrechtlichen Grenzen für das heimliche Abhören solcher Anschlüsse gerichtlich klären zu lassen, von dem zwangsläufig vorrangig eine Vielzahl von Journalist*innen betroffen ist, und Rechtssicherheit für sie zu schaffen.
Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/abhoermassnahme
Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Dr. Maria Scharlau, presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55 – 01579/2493108
Für Interviewanfragen steht auch Nicola Bier bereit, Rechtsanwältin und Referentin Recht bei RSF:
Nicola Bier, Nicola.Bier@reporter-ohne-grenzen.de
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