Pressemitteilung: Verfassungsbeschwerde von GFF & Amnesty gegen das Artikel-10-Gesetz
Klage gegen strategische Telefonüberwachung: Verfassungsbeschwerde von GFF und Amnesty International gegen Artikel-10-Gesetz
Berlin, 15.11.2016. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Amnesty International rufen gegen die Ermächtigung der Nachrichtendienste zur sogenannten strategischen Telekommunikationsüberwachung das Bundesverfassungsgericht an. Die Verfassungsbeschwerde gegen das Artikel-10-Gesetz wurde am Freitag vom Prozessbevollmächtigten Prof. Dr. Matthias Bäcker, Professor für Informationsrecht an der Johannes Gutenberg Universität Mainz, eingereicht. Die GFF hat das Verfahren initiiert und gemeinsam mit Amnesty International vorbereitet. Die Menschenrechtsorganisation sowie eine Gruppe ihrer Mitglieder und Mitarbeiter treten auch selbst als Klägerinnen und Kläger in Karlsruhe auf.
Inhaltlich geht es in der Verfassungsbeschwerde um die im Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz oder G 10) niedergelegten Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND), unter bestimmten Bedingungen internationale Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Als international gelten dabei Telefonate oder Internet-Verbindungen, die nach Deutschland oder aus Deutschland heraus oder die im Ausland von mindestens einem deutschen Staatsangehörigen geführt werden. Anders als rein inländische Überwachungsmaßnahmen nach der Strafprozessordnung oder den Polizeigesetzen der Länder braucht der BND für eine strategische Telefonüberwachung keinen konkreten Verdacht, sie erfolgt mittels bestimmter Suchbegriffe lediglich aufgrund einer kaum konturierten allgemeinen Bedrohungslage. Das G 10 gibt damit die Möglichkeit, eine Vielzahl von Telekommunikationsverbindungen anlasslos zu scannen und zu speichern.
Kritisiert werden in der Verfassungsbeschwerde auch die zahlreichen Ausnahmen von der Pflicht, die betroffenen Personen nachträglich zu unterrichten. Denn so ist die Transparenz strategischer Überwachungsmaßnahmen nicht hinreichend sichergestellt. Außerdem widerspricht es dem grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der Privatsphäre, dass der BND die erlangten Daten in weitem Umfang an andere Behörden im In- und Ausland weitergeben kann.
„Das Gesetz erlaubt zu viel und sieht dabei zu wenig Kontrolle vor. Damit wird auf gleich zwei Ebenen in die Grundrechte der Bürger eingegriffen“, erläutert Dr. Ulf Buermeyer, Vorsitzender der GFF die Zielrichtung der Klage. „Gerade bei so sensiblen Bereichen wie dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses hat der Verfassungsgeber aus gutem Grund strenge Grenzen gesetzt, die hier eindeutig verletzt werden.“
Für die GFF ist die Verfassungsbeschwerde gegen das G 10 die erste von ihr initiierte so genannte strategische Klage. Die GFF wird künftig meist in Kooperation mit anderen Organisationen gerichtliche Grundsatzentscheidungen erstreiten, die letztendlich den Gesetzgeber zu grundrechtskonformer Gesetzgebung bringen sollen. Vorbild dafür sind amerikanische Menschenrechtsorganisationen wie die American Civil Liberties Union (ACLU) und die Electronic Frontier Foundation (EFF), die seit Jahrzehnten für die Durchsetzung von Freiheitsrechten kämpfen.
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