GFF-Strafanzeige trägt Früchte – Durchsuchung bei Münchener Firma FinFisher wegen Exports von Staatstrojanern
München, 14. Oktober 2020 – Die Staatsanwaltschaft München I hat die Geschäftsräume des Münchener Unternehmens FinFisher GmbH sowie Privatwohnungen der Geschäftsführer durchsucht. Auslöser war eine Strafanzeige der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) und weiterer Organisationen wegen des Verdachts des illegalen Exports von Überwachungssoftware – sogenannten „Staatstrojanern“ – in die Türkei. „Die Durchsuchungen sind ein wichtiges Signal. Dem illegalen Export von Spionagesoftware muss dringend ein Riegel vorgeschoben werden. Deutsche Unternehmen dürfen sich nicht zu Handlangern repressiver Regime machen“, sagt Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF.
Die FinFisher GmbH und ihre Partnerfirmen produzieren und vertreiben weltweit den Staatstrojaner FinSpy. FinSpy verleiht den Nutzer*innen, in der Regel Polizei und Geheimdienste, absolute Kontrolle über Handys und Computer. Die Opfer werden dadurch zu gläsernen Menschen: Sie können jederzeit lokalisiert, ihre Telefongespräche und Chats mitgeschnitten und alle Handydaten ausgelesen werden. Das ist nicht nur ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, sondern kann insbesondere in Ländern mit repressiven Regimen dramatische Folgen haben – für Journalist*innen, Aktivist*innen und Oppositionelle.
Der Export solcher Überwachungssoftware in Länder außerhalb der EU ist seit 2015 europaweit genehmigungspflichtig, Verstöße gegen die Exportbestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes sind strafbar. Nach eigener Auskunft hat die Bundesregierung seit 2015 keine Exportgenehmigungen für Überwachungssoftware erteilt. Dennoch ist der FinSpy-Trojaner weltweit im Einsatz: Aktuelle Versionen der Software tauchten im Sommer 2017 auf einer türkischen Webseite auf, mit der augenscheinlich die türkische Oppositionsbewegung ausgespäht werden sollte. Im September 2019 entdeckte Amnesty International die Überwachungssoftware auch in Ägypten. Da die Bundesregierung keine Exportgenehmigungen erteilt haben will, drängt sich der Verdacht des illegalen Exports auf.
„Seit Jahren entziehen sich FinFisher und andere europäische Produzenten ihrer Verantwortung, indem sie sich hinter komplizierten transnationalen Firmenstrukturen verstecken“, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer bei Reporter Ohne Grenzen und Mit-Initiator der Strafanzeige. „Eine Verurteilung der Geschäftsführer in München wäre ein längst überfälliges Signal an die gesamte Branche, dass sie die europäischen Exportvorgaben nicht länger ignorieren kann.”
Die Durchsuchungen fanden vom 6. Oktober bis in die Abendstunden des 8. Oktober 2020 in den Geschäftsräumen der FinFisher GmbH und zwei weiterer Geschäftspartner statt, insgesamt waren 15 Objekte betroffen. Auch ein Partnerunternehmen in Rumänien ist durchsucht worden. Wenn die Staatanwaltschaft dort Beweismittel gefunden hat, die einen oder mehrere illegale Exporte von Überwachungssoftware wahrscheinlich erscheinen lassen, kann sie Anklage gegen die beteiligten Geschäftsführer und Mitarbeiter*innen erheben.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. hatte im Juli 2019 gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen (ROG), dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Netzpolitik.org Strafanzeige gegen die Geschäftsführer des Münchener Firmenkonglomerats gestellt.
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