GFF geht gegen Videoüberwachung im Klostergarten Passau in Berufung
München, 13. Oktober 2019 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) geht gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg zur Videoüberwachung im Passauer Klostergarten in Berufung. „Die anlasslose Videoüberwachung aller Parkbesucher*innen durch die Stadt ist grundrechtswidrig“, sagt Lea Beckmann, zuständige GFF-Juristin. „Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung leider wesentliche Rechtsfragen, die mit einer solchen Überwachung zusammenhängen, verkannt. Daher muss nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entscheiden.“
Die GFF klagt gemeinsam mit dem Passauer Josef Ilsanker gegen die Videoüberwachung des zentral gelegenen Klostergartens. Dort werden seit Dezember 2018 alle Passant*innen anlasslos von zehn Kameras überwacht. Die Überwachung beeinträchtigt den gesellschaftlichen Austausch im öffentlichen Raum und verletzt das EU-Datenschutzgrundrecht sowie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 8 EU-Grundrechte-Charta, Artikel 1 Abs. 1 i.V.m. Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz). „Der Klostergarten ist eigentlich ein beliebter Stadtpark. Aber durch die ganzen Kameras fühlen wir uns unwohl und meiden den Platz inzwischen“, sagen Constantin Breß und Till Casimir, zwei Passauer Jurastudenten, auf deren Initiative die GFF-Klage zurück geht.
Das Verwaltungsgericht Regensburg wies die Klage der GFF in erster Instanz mit Bescheid vom 6. August 2020 als unzulässig und unbegründet ab (Az. RN 9 K 19.1061). Nach Auffassung des Gerichts ist die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auf die Videoüberwachung im Passauer Klostergarten anwendbar. Zugleich hielt es die bisher anerkannte Klagemöglichkeit gegen Grundrechtsverletzungen im Anwendungsbereich der DSGVO für nunmehr ausgeschlossen – und die Klage deshalb für unzulässig. Bürger*innen sollen sich nur noch mittels der in der DSGVO vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen Datenverarbeitungen wehren können, die sie betreffen.
„Das Verwaltungsgericht verkehrt den Zweck der Datenschutzgrundverordnung in ihr Gegenteil“, sagt Lea Beckmann. „Die Verordnung sollte den Rechtsschutz der Bürger*innen in Europa im Bereich des Datenschutzes verbessern. Das Verwaltungsgericht nimmt die DSGVO nun zum Anlass, um die Klagemöglichkeiten erheblich zu verkürzen. Das widerspricht der verfassungs- und europarechtlichen Rechtschutzgarantie. Wir sind überzeugt, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das korrigieren wird.“
Der Verwaltungsgerichtshof wird dann auch über die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung entscheiden. Die Stadt Passau begründet die Videoüberwachung des Klostergartens mit angeblichem Drogenhandel, Ruhestörungen und Schmierereien. Straftaten, wie etwa Beleidigungen oder Sachbeschädigungen, hatte die Polizei jedoch nur vereinzelt erfasst. Die Zahlen waren zuletzt rückläufig. Zudem ist die Polizei für die Gefahrenabwehr zuständig, nicht die Stadt. Und für eine polizeiliche Videoüberwachung bestehen hohe grundrechtliche Anforderungen: Sie ist nur ausnahmsweise erlaubt, etwa an Kriminalitätsschwerpunkten. Weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, beruft sich die Stadt Passau auf eine Rechtsgrundlage im Bayerischen Datenschutzrecht – und fühlt sich an die strengeren Vorgaben nicht gebunden. „Der eigentliche Skandal ist, dass die Stadt versucht, durch einen rechtlichen Trick den Grundrechtsschutz zu umgehen“, sagt Beckmann. „Das wollen wir stoppen und dagegen kämpfen wir jetzt vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.“
GFF-Kooperationsanwalt Dr. Simon Assion von der Kanzlei BIRD & BIRD vertritt den Kläger Josef Ilsanker vor Gericht.
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