Von GFF unterstützter Friedensaktivist freigesprochen – LG München erkennt Recht auf Whistleblowing an
Berlin, 16. Januar 2019 – Mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) wurde der Friedensaktivist Hermann Theisen am Mittwoch vom Landgericht München I freigesprochen. Theisen hatte vor dem Betriebsgelände des Waffenherstellers Krauss-Maffei Wegmann Flugblätter verteilt, in denen er die Beschäftigten dazu aufrief, rechtswidrige Waffenexporte ihres Arbeitgebers öffentlich zu machen. Dafür hatte ihn das Amtsgericht München zu Unrecht zu einer Geldstrafe wegen öffentlicher Aufforderung zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verurteilt. „Dieses Urteil war aus vielen Gründen falsch, vor allem aber, weil im öffentlichen Interesse liegende Hinweise auf illegale Geschäftspraktiken nicht strafbar sind“, sagt das GFF-Vorstandsmitglied Boris Burghardt. „Es stärkt Whistleblower in allen Bereichen, dass das Landgericht München das nun ebenso sieht.“ Auch die Staatsanwaltschaft hatte einen Freispruch beantragt, nachdem sie zunächst das Berufungsverfahren angestrengt hatte.
Hermann Theisen verteilt regelmäßig Flugblätter, in denen er die Praktiken insbesondere von Waffenherstellern anprangert. In den Flugblättern beruft er sich auf Medienberichte, wonach die genannten Unternehmen gegen Exportvorschriften verstoßen haben könnten. Er ruft die Mitarbeiter*innen dazu auf, die Öffentlichkeit über illegales Verhalten zu informieren. Nach dem Urteil des Amtsgerichts München wegen der Flugblattaktion vor Krauss-Maffei Wegmann verurteilte ihn auch das Amtsgericht Celle am 20. November 2018 wegen einer ähnlichen Aktion vor dem Firmengelände des Waffenherstellers Rheinmetall. Am 13. Dezember 2018 folgte das Amtsgericht Cloppenburg mit einer Verurteilung, die sich auf Flugblätter zu den Praktiken der Firma VET Pharma Friesoythe bezog. Medien hatten berichtet, dass das Unternehmen Stoffe zur Herstellung von Giftcocktails zur Vollstreckung von Todesurteilen in die USA geliefert haben könnte, die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt. Auch gegen die Urteile der Amtsgerichte in Celle und Cloppenburg hat Theisen Berufung eingelegt.
Die GFF unterstützt Hermann Theisen, der von Rechtsanwalt Martin Heiming verteidigt wird, in allen drei Strafverfahren. Die Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte sind der Meinung, Theisen fordere mit seinen Flugblättern öffentlich zu einer Straftat auf. Sie berufen sich auf § 17 Abs. 1 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG), wonach sich eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person strafbar macht, wenn sie ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt. „Herrn Theisen ging es um Mitarbeiter*innen, die ihrem Gewissen folgen und deshalb über illegale Geschäftspraktiken ihrer Arbeitgeber informieren, nicht um solche, die dies vor allem gegen Geld tun oder um ihrer Firma zu schaden“, erläutert GFF-Vorstand Burghardt. „Das Landgericht München hat nun ausdrücklich anerkannt, dass Whistleblowing im Dienste der Allgemeinheit den Straftatbestand des Verrats von Geschäftsgeheimnissen nicht erfüllt.“ Begründet hat das Landgericht sein Urteil auch mit einer neuen EU-Richtlinie, wonach Hinweise im öffentlichen Interesse zu illegalen Geschäftspraktiken gerechtfertigt und auch deshalb nicht strafbar sind. „Darauf konnte sich Herr Theisen berufen, obwohl der deutsche Gesetzgeber mit der Umsetzung dieser Richtlinie im Verzug ist“, ergänzt Burghardt. Dies sah nunmehr auch die Staatsanwaltschaft so und beantragte ebenfalls, Theisen freizusprechen.
Hermann Theisen freut sich vor allem darüber, seine Meinung straffrei äußern zu können. „Ich möchte auf mögliche illegale Exporte der Firmen aufmerksam machen und an das Gewissen ihrer Beschäftigten appellieren, sich konstruktiv einzumischen“, sagt er. „Es ist gut, vom Landgericht München bestätigt zu erhalten, dass ich das darf.“
Zur Finanzierung ihres Einsatzes für die Grundrechte ruft die GFF zu Spenden auf: https://freiheitsrechte.org/solidaritaet-mit-hermann-theisen/
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. koordiniert und finanziert gerichtliche Verfahren, um die Grund- und Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen zu verteidigen. Die GFF setzt sich mit ihren ersten Verfahren beispielsweise für die informationelle Selbstbestimmung, die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit ein. Zudem streitet sie für die Freiheit von Diskriminierung. Sie bringt dafür geeignete Kläger und Klägerinnen mit exzellenten Juristen und Juristinnen zusammen, um gemeinsam gerichtlich gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Zu den aktuellen Projekten zählen Verfassungsbeschwerden gegen den massenhaften Einsatz von Staatstrojanern und das Bayerische Polizeiaufgabengesetz.
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