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FAQ zum Projekt „Mach Meldung! Starke Stimmen für die Polizei“

Was ist das Ziel des Projekts?

Das Projekt zielt darauf ab, dass Whistleblower*innen in der Polizei, die auf Rechtsverstöße und Fehlverhalten in ihren Behörden hinweisen, in Zukunft besser geschützt werden. Das dient nicht nur dem Schutz dieser couragierten Menschen, sondern stärkt auch den Rechtsstaat und die Demokratie.
Als Gesellschaft sind wir auf den Mut von Whistleblower*innen angewiesen, damit Straftaten und schwerwiegendes Fehlverhalten aufgedeckt, Risiken zeitnah erkannt und Gefahren abgewendet werden. Hinweisgebende tragen aktiv zum Schutz vor Extremismus, Sexismus, Rassismus, Machtmissbrauch und anderen Missständen bei.
Gerade innerhalb der Verwaltung stellen deshalb Hinweise auf rechts- und verfassungswidriges Verhalten einen wichtigen Beitrag für die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie dar.
Unser Projekt will Polizeibehörden dabei unterstützen, Polizist*innen über Ihre Rechte und Pflichten bei der Hinweisgabe aufzuklären. Es soll Institutionen dabei helfen, die notwendigen Schutzmechanismen für Hinweisgeber*innen in der Polizei zu verankern.
Das im April 2023 gestartete Projekt „Mach Meldung!“ richtet sich speziell an Polizist*innen und befasst sich mit deren Schutz und Rechten bei Hinweisgaben. Das Projekt läuft zunächst bis zum 31. März 2025.

Wer ist Whistleblower*in, wer ist Hinweisgeber*in? Gibt es einen Unterschied?

Whistleblower*innen sind Menschen, die auf Rechtsverstöße oder Missstände aufmerksam machen, indem sie darüber ihre Vorgesetzten, externe Stellen oder auf sonstige Weise darüber informieren, z.B. über das Internet oder die Medien. Der Begriff „Whistleblower*in“ ist im allgemeinen Sprachgebrauch sehr weit und nicht auf bestimmte Kontexte eingegrenzt. Öffentlich bekannte Whistleblower*innen sind z.B. Edward Snowden, der 2013 weltweite Überwachungsmaßnahmen US-amerikanischer Geheimdienste öffentlich machte. Chelsea Manning kopierte 2010 tausende Inhalte zu den US-amerikanischen Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan und stellte sie Wikileaks zur Verfügung. Die Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch meldete die mangelhafte Versorgung der Menschen in den Heimen ihres Arbeitgebers zuerst intern, dann machte sie die Zustände durch Überlastungs- und Strafanzeige öffentlich.
Das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) spricht dagegen von „Hinweisgebenden Personen“: Gemeint sind Menschen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangen und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Hinweisgebende Person ist also, wer bei der Arbeit von Verstößen erfährt, die in den Bereich des HinSchG fallen und diese entweder dem*der Arbeitgeber*in meldet oder sich damit an eine externe Meldestelle wendet.
Der Begriff Whistleblower*in geht somit über den Begriff des Hinweisgebers im Sinne des HinSchG hinaus. Da der Fokus des Projekts auf der Umsetzung des HinSchG in den Polizeibehörden liegt, benutzen wir im Folgenden primär den Begriff Hinweisgeber*innen.

Warum setzt sich die GFF gerade für Hinweisgeber*innen bei der Polizei ein? Was macht das Thema aktuell relevant?

Whistleblowing bei der Polizei kommt eine besondere Bedeutung zu: Zum einen hat die Polizei weitgehende Eingriffsbefugnisse. Sie kann freiheitsbeschränkende Maßnahmen durchführen, Personen und Wohnungen durchsuchen und unmittelbaren Zwang anwenden. Diese Maßnahmen greifen direkt in Grund- und Menschenrechte der betroffenen Bürger*innen ein. Ein Missbrauch dieser Befugnisse muss Konsequenzen haben, sonst kann kein Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Institution Polizei entstehen und Bestand haben.
Gleichzeitig fehlt es an ausreichenden Strukturen, die das Handeln der Polizei unabhängig und effektiv kontrollieren und strukturelle Missstände aufdecken könnten. Hinzu kommen hierarchische Organisationsstrukturen, die zur Bildung einer geschlossenen Polizeigemeinschaft führen.
Viele Faktoren zusammen erzeugen eine besondere Kultur in der Polizei, die von starkem Zusammenhalt und Loyalität geprägt ist: So ist die Zusammenarbeit unter Kolleg*innen sehr eng, gerade auch durch gemeinsame Einsätze in Ausnahme- und Gefahrsituationen. Auch die lange Aus- und Fortbildung mit gemeinsamer Unterbringung tragen zu einem starken Gruppengefühl bei, das auch von Vorgesetzten gestärkt und eingefordert wird. Dies führt dazu, dass gerade im Bereich der eigenen Einsatz- oder Dienstgruppe Beamt*innen davor zurückschrecken, Verstöße durch Kolleg*innen zu melden. Die Identifikation der Beamt*innen mit ihrer Tätigkeit in ihrem gesamten Berufsleben und darüber hinaus, sowie geringe Möglichkeiten zur beruflichen Umorientierung schaffen weitere Hürden.
Ebenso häufen sich in den letzten Jahren Berichte über rassistische und rechtsextreme Tendenzen in der Polizei im gesamten Bundesgebiet, sei es durch rassistische und antisemitische Inhalte in Chatgruppen oder durch das Bekanntwerden rechtsradikaler Netzwerke wie „Hannibal“ und „Nordkreuz“ mit Mitgliedern aus der Polizei. Viele dieser Vorfälle gelangten nur durch Zufall oder durch couragierte Stimmen aus der Polizei an die Öffentlichkeit.
Zusätzliche Relevanz erhält das Thema durch das am 2. Juli 2023 in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), dass die 2019 beschlossene Whistleblower-Richtlinie der Europäischen Union umsetzt. Das HinSchG muss jetzt in die Realität deutscher Behörden und Unternehmen überführt werden – dazu will das Projekt in Bezug auf die Polizei einen Beitrag leisten (hierzu sogleich).

Wie sind Hinweisgeber*innen im Polizeidienst aktuell in Deutschland geschützt?

Der rechtliche Schutz für Hinweisgeber*innen war in Deutschland bislang unzureichend, eine gesetzliche Regulierung fehlte. Im Mai 2023 verabschiedete der Bundestag nach langen Verzögerungen das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Das Gesetz setzt die EU-Whistleblowing-Richtlinie um und sieht konkrete und umfassende Regelungen zu Verfahren und Schutz bei Hinweisgabe vor. Nach dem HinSchG müssen Unternehmen und Behörden, daher auch die Polizei, interne (also bei der konkreten Behörde) und externe Meldestellen (staatliche Stellen außerhalb des*der konkreten Beschäftigungsgeber*in) für Verstöße einrichten. Für eine Meldung nach den gesetzlichen Vorgaben können Beschäftigungsgeber*innen die Hinweisgeber*innen nicht verantwortlich machen. Auch dürfen Hinweisgeber*innen keine Repressalien (wie z.B. Entlassung, schlechte Beurteilung, Anfeindungen, Benachteiligungen) erfahren, weil sie Verstöße gemeldet haben. Sollte es nach Hinweisgabe trotzdem zu Repressalien kommen, gilt nach dem Gesetz eine sog. Beweislastumkehr – es wird also vermutet, dass Beschäftigungsgeber*innen den Hinweisgeber*innen die Nachteile gerade wegen des Hinweises zufügen. Für solche rechtwidrigen Repressalien sieht das Gesetz außerdem Schadensersatzansprüche vor.
Der Schutz für hinweisgebende Personen gilt auch für meldende Polizist*innen.

Wie kann das Projekt zur Verbesserung des Schutzes von Hinweisgeber*innen in der Polizei beitragen?

Das Projekt soll die Umsetzung und Anwendung des gerade neu verabschiedeten HinSchG in Polizeibehörden begleiten. Wir werden außerdem auf die Beseitigung von Regelungslücken und auf nötige Anpassungen des Gesetzes hinwirken. Durch eine Kombination von Informationsarbeit und Unterstützung für Polizist*innen, empirischen Studien sowie Advocacy- und Policy-Arbeit wollen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für Whistleblower*innen in Sicherheitsbehörden klären und stärken. Der Fokus liegt dabei auf dem Schutz von Hinweisgeber*innen in der Polizei.

Wie verbessert das Projekt die Informationslage für Polizist*innen?

Wir richten ein Online-Informationsportal für Polizist*innen ein, auf dem sich Polizist*innen über Meldewege und -verfahren informieren können und Antworten auf Fragen rund um das Thema „Whistleblowing“ bekommen. Gleichzeitig wird „Mach Meldung!" zu diesem Thema Schulungen und Fortbildungen für Polizist*innen sowohl in der Ausbildung als auch im aktiven Polizeidienst anbieten. Wir werben für Whistleblowing als Beitrag zu einer rechtsstaatlichen Polizei. Dafür bieten wir Informationen zur neuen Rechtslage sowie zu konkreten Meldewegen bei internen und externen Meldestellen an.
In geeigneten Fällen unterstützen wir Polizist*innen bei Fragen zur Hinweisgabe. Ebenso bieten wir Polizeistellen, -verbänden und -schulen Unterstützung bei der Einrichtung von internen Meldestellen an.
Auch für die allgemeine Öffentlichkeit und für die juristische Fachöffentlichkeit wird das Projekt Informationen zum HinSchG im Allgemeinen und speziell hinsichtlich der Polizei erarbeiten. Bei Interesse an den Schulungs- oder Informationsangeboten melden Sie sich bitte unter machmeldung at freiheitsrechte .org.

Wie gewinnt das Projekt neue Erkenntnisse zum Thema „Whistleblowing bei der Polizei“?

„Mach Meldung!“ wird umfassende Studien zu Whistleblowing in der Polizei in Auftrag geben. Diese bestehen zum einen aus quantitativen Befragungen von Polizist*innen zur Praxis des Whistleblowings und den Auswirkungen der neuen Rechtslage, dem Umgang mit Meldungen und der Motivationslage für Whistleblowing. Zum anderen werden durch eine externe wissenschaftliche Einrichtung ausführliche Interviews mit Polizeibeamt*innen zum Thema erstellt, geführt und ausgewertet.
Über Interesse an unserer empirischen Arbeit, insbesondere an einer Teilnahme als Interviewpartner*in, freuen wir uns! Hier besteht eine Kontaktmöglichkeit über
machmeldung at freiheitsrechte .org.

Inwiefern muss die Rechtslage für Hinweisgeber*innen noch verbessert werden? Wie wird sich das Projekt hierfür einsetzen?

Das Hinweisgeberschutzgesetz ist ein wichtiger Schritt für den Schutz und die Förderung von Hinweisgabe. Es unterstreicht die Bedeutung von Whistleblowing und begründet erstmalig einen umfassenden Schutzrahmen für Hinweisgeber*innen.

Trotzdem besteht an einigen Stellen noch Verbesserungsbedarf:

  • Ausweitung des Schutzbereichs

Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist zu eng: Insbesondere für Verschlusssachen und Diskriminierungssachverhalte bietet der gesetzliche Rahmen kaum Schutz. So hätte der wohl bekannteste Whistleblower Edward Snowden für seine Meldung über rechtswidrige Massen-Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA nicht vom Schutz des HinSchG profitiert: Informationen von Geheimdiensten sind vom Anwendungsbereich des Gesetzes pauschal ausgeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen sind Vorgänge, die von der Behörde als Verschlusssachen oberhalb der geringsten Stufe („Nur für den Dienstgebrauch“) eingestuft wurden. Allein durch eine höhere Einstufung können Behörden also Inhalte dem Anwendungsbereich des HinSchG entziehen. Keinen gesetzlichen Schutz genießen zudem Meldungen über diskriminierendes Verhalten und z.B. Machtmissbrauch, wenn es sich nicht um strafbares Verhalten handelt. Diese Schutzlücke können auch Institutionen wie z.B. Gleichstellungsbeauftragte nicht ausgleichen.

  • Erfassung von anonymen Meldungen

Interne und externe Meldestellen müssen verpflichtet werden, anonyme Meldungen entgegenzunehmen und diese zu bearbeiten. Die aktuelle Regelung, wonach Meldestellen solche Meldungen nur berücksichtigen „sollen“ und ihre Meldekanäle nicht verpflichtend für anonyme Meldungen öffnen müssen, schützt die Hinweisgeber*innen nicht ausreichend. Die Pflicht zur Offenlegung der eigenen Identität stellt ein bedeutsames Hemmnis für mögliche Hinweisgeber*innen dar, insbesondere in kleineren Diensteinheiten oder geschlossenen Organisationen wie der Polizei. Viele Menschen entscheiden sich gegen eine Meldung, weil sie befürchten, dass die Meldung öffentlich bekannt wird und dass sie dafür sanktioniert werden.

  • Schadensersatz auch für immaterielle Schäden

Auch eine Regelung zu Entschädigungen für immaterielle Schäden muss in das HinSchG aufgenommen werden. Gerade psychische Beeinträchtigungen, z.B. durch Mobbing, können sehr gravierend sein und erfordern einen finanziellen Ausgleich. Nur so kann das vorgegebene Ziel der Whistleblower-Richtlinie umgesetzt werden, eine „vollständige Wiedergutmachung des erlittenen Schadens“ zu erreichen.

  • Erhöhung der Bußgelder

Weiterhin wurde im Gesetzgebungsverfahren das Höchstmaß der Bußgelder, die Beschäftigungsgeber*innen bei Verstößen gegen das HinSchG zahlen müssen, von 100.000€ auf 50.000€ herabgesetzt. Wünschenswert wäre hier eine Orientierung der Bußgeldhöhe am Jahresumsatz oder -gewinn des Unternehmens, um eine gerechte Bemessung der Bußgelder für alle Unternehmen sicherzustellen. Die aktuelle Regelung bedeutet gerade für Großkonzerne mit Potential für erhebliche systematische Rechtsbrüche keine ausreichend abschreckende Sanktion. Rechtswidrige Nachteile für Hinweisgeber*innen oder die Missachtung des Gesetzes durch interne Meldestellen können sich so gerade für wirtschaftlich starke Unternehmen „rechnen“.

Um diese Schutzlücken zu schließen, treten wir an Entscheidungsträger*innen heran und informieren diese über die Erkenntnisse unserer Arbeit zur Hinweisgabe im Allgemeinen und bei der Polizei im Speziellen.
Außerdem beobachten und begleiten wir die Einrichtung von Meldestellen in den Polizeibehörden des Bundes und der Länder, um so auf potentielle Umsetzungslücken aufmerksam machen zu können. Für einen wirksamen und effektiven Hinweisgeberschutz müssen Meldungen auch zu wirksamen Folgen und Veränderungen führen. Rechtsverstöße gerade von Beamt*innen und Angestellten im öffentlichen Dienst dürfen nicht folgenlos bleiben und müssen zu unmittelbaren Konsequenzen führen. Wir werden daher im Rahmen unserer Arbeit auch beobachten, ob und wie Meldestellen ihren Aufgaben nachkommen und ob sie hierzu mit ausreichenden Kompetenzen ausgestattet sind.

Wohin können sich Polizist*innen bei Fragen zur Hinweisgabe wenden? Stellt das Projekt „Mach Meldung!“ Ansprechpersonen bereit?

Polizist*innen können sich bei allen Fragen zum Thema Hinweisgabe unter der E-Mail-Adresse machmeldung at freiheitsrechte .org an das Projekt „Mach Meldung!“ wenden. Unter dieser E-Mail-Adresse erreichen Polizist*innen Ansprechpersonen mit mehrjähriger Polizeierfahrung.
Wir bieten Unterstützung bei allen Fragen rund um dem Hinweisgeberschutz, insbesondere zu den neuen Regelungen des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG). Gleichzeitig sind wir interessiert an Erfahrungen von Polizist*innen, die selbst Meldungen gemacht oder eine Meldung erwogen haben. Auch hierfür freuen wir uns über eine Kontaktaufnahme unter machmeldung at freiheitsrechte .org.
Auch Polizeistellen und Gewerkschaften können sich für Fragen zur Umsetzung des HinSchG oder für Anfragen zu Schulungs- und Ausbildungszwecken an folgende E-Mail-Adresse wenden: machmeldung at freiheitsrechte .org

Bitte achten Sie darauf, dass mit uns geteilte Informationen für Sie als Beamt*in einen Verstoß gegen Ihre Amtsverschwiegenheit darstellen können. Dies könnte für Sie disziplinarrechtliche sowie auch strafrechtliche Folgen haben!
Wenn Sie Fragen haben oder uns Vorgänge schildern möchten, achten Sie deshalb darauf, Ihre Angaben so abstrakt wie möglich und anonym zu halten. Wir behandeln Ihre Anfrage streng vertraulich. Eine verschlüsselte Kommunikation per E-Mail ist möglich.

Wo gibt es weitere Informationen?

Auf der noch kommenden Webseite des Projekts „Mach Meldung!“ finden Sie weitere Informationen zum Hinweisgeberschutz. Dort und auf der aktuellen Webseite der GFF zum Projekt finden Sie u.a. einen Überblick über das neue Hinweisgeberschutzgesetz, eine Checkliste zur Hinweisgabe für Polizist*innen sowie eine Handreichung für Polizeibehörden, -verbände und Polizeigewerkschaften zu den notwendigen Umsetzungsmaßnahmen für die Regelungen des HinSchG.
Informationen zum Gesetzgebungsprozess des Hinweisgeberschutzgesetzes finden Sie hier.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. hat gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen eine Whistleblowing-Policy als Selbstverpflichtung für zivilgesellschaftliche Organisationen erarbeitet. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

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