GFF und Bund der Antifaschist*innen klagen gegen Ausreiseverbot für Aktivisten – Hinderung an Protestteilnahme im Ausland verletzt die Versammlungsfreiheit
Berlin, 05. Juli 2023 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) erhebt heute gemeinsam mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Klage am Verwaltungsgericht Berlin gegen das Ausreiseverbot für einen Aktivisten. Das Verbot sollte den Kläger Florian Gutsche, Vorsitzender der VVN-BdA, an der Teilnahme an einem antifaschistischen Protest in Bulgarien hindern. Damit griff die Bundespolizei auf der Grundlage einer Vorschrift im Passgesetz vorgeblich zum Schutz des „Ansehens der Bundesrepublik Deutschland“ massiv in die Versammlungsfreiheit des Klägers ein. Mit der Klage wollen die GFF und die VVN-BdA gerichtlich feststellen lassen, dass das Ausreiseverbot rechtswidrig war und dass die Regelung aus dem Passgesetz für diese weitreichende Einschränkung zu unbestimmt ist.
Im Februar dieses Jahres machte sich der Bundesvorsitzende der VVN-BdA Florian Gutsche auf den Weg nach Sofia, um an den Protesten gegen den faschistischen „Lukov-Marsch“ teilzunehmen. Am Berliner Flughafen wurde er von der Bundespolizei mit einem dreitägigen Ausreiseverbot daran gehindert. Als Begründung führte die Bundespolizei an, es könne „nicht ausgeschlossen werden“, dass sich der Kläger an gewalttätigen Ausschreitungen am Rande des Protests beteilige. Die bloße Teilnahme an der Veranstaltung könne das „Ansehen der Bundesrepublik“ schädigen.
„Die Versammlungsfreiheit ist ein für die Demokratie elementares Grundrecht und schützt auch die Teilnahme an Protesten im Ausland. Teilnahmeverbote sind nur im Ausnahmefall zulässig und können nicht auf einen Gummiparagrafen aus dem Passgesetz gestützt werden“, betont GFF-Jurist und Verfahrenskoordinator David Werdermann.
Die GFF möchte gerichtlich feststellen lassen, dass die Teilnahme an einer Versammlung im Ausland nicht auf der Grundlage einer vagen Gefährdungsvermutung für ein völlig unbestimmtes Rechtsgut untersagt werden kann. Wann eine Gefahr für das „Ansehen der Bundesrepublik“ vorliegt, ist völlig unklar. Für die Verhinderung einer Versammlungsteilnahme sind nach Auffassung der GFF konkrete Anhaltspunkte nötig, dass die Person im Ausland schwere Straftaten begehen wird.
„Wie ich in das Visier der Bundespolizei geraten bin, weiß ich nicht. Warum ausgerechnet meine Teilnahme am antifaschistischen Protest dem Ansehen Deutschlands schaden sollte, ist mir schleierhaft. Was für mich bleibt, ist dass ich nicht in europäischer Solidarität gegen Neonazis demonstrieren konnte“, kritisiert Kläger Florian Gutsche, der von Rechtsanwältin Dr. Anna Luczak vertreten wird.
Alle Menschen in Europa müssen an transnationalen Protesten teilnehmen dürfen. Die Möglichkeit Ausreiseverbote zu verhängen, darf nicht dazu missbraucht werden, die Versammlungsfreiheit auszuhöhlen. Eine Klärung der grundrechtlichen Anforderungen an Ausreiseverbote zur Hinderung an Protesten ist überfällig. Die Klage steht in einer Linie mit anderen Verfahren der GFF zum Schutz der Versammlungsfreiheit: Die GFF will der Tendenz in Rechtsprechung und Gesetzgebung entgegenwirken, dass Proteste als Gefahr verstanden werden, die es abzuwehren gilt.
Weitere Informationen zum Fall Ausreiseverbot für Aktivisten:
https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/ausreiseverbot
Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
Tel. 030/549 08 10 55
presse@freiheitsrechte.org
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten
Tel. 030/55579083-4/ 0178 2785958
presse@vvn-bda.de