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Demokratie und Grundrechte
Art. 8

Ausreiseverbot für linken Aktivisten rechtswidrig

Wir gehen gemeinsam mit einem Aktivisten gegen das haltlose Ausreiseverbot vor Gericht. Der linke Aktivist wollte am antifaschistischen Protest gegen einen rechtsextremen Aufmarsch in Bulgarien teilnehmen. Die Ausreise wurde ihm zum Schutz des „Ansehens der Bundesrepublik Deutschland“ auf der Grundlage des Passgesetzes durch die Bundespolizei untersagt. Das ist ein massiver Eingriff in die Versammlungsfreiheit.

Gemeinsam mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) haben wir im Juli 2023 Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben. Mit der Klage wollen wir gerichtlich feststellen lassen, dass das Ausreiseverbot gegen den Aktivisten rechtswidrig war und dass die Regelung aus dem Passgesetz für diese weitreichende Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu unbestimmt ist.
David Werdermann

David Werdermann

Jurist und Verfahrenskoordinator

Die Bundespolizei höhlt die Versammlungsfreiheit und die europäische Freizügigkeit aus, wenn sie Ausreiseverbote auf vage Verdachtsmomente stützt oder mit einer Gefahr für das ‚Ansehen der Bundesrepublik‘ begründet.

Im Februar 2023 wollte Kläger und Bundesvorsitzende der VVN-BdA Florian Gutsche nach Sofia reisen, um am Protest gegen den alljährlichen faschistischen „Lukov-Marsch“ teilzunehmen. Am Berliner Flughafen verhinderte das die Bundespolizei mit einem dreitägigen Ausreiseverbot. Zur Begründung wurde angeführt, dass eine Beteiligung des Klägers an gewalttätigen Ausschreitungen am Rande des Protestes nicht „ausgeschlossen werden“ könne. Allerdings lagen keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefahr vor.

Die Versammlungsfreiheit ist ein für die Demokratie elementares Grundrecht und schützt auch die Teilnahme an Protesten im Ausland. Alle Menschen in Europa müssen an transnationalen Protesten teilnehmen dürfen. Eine Klärung der grundrechtlichen Anforderungen an Ausreiseverbote zur Hinderung an Protesten ist überfällig.

Das Elfes-Erbe in der heutigen Zeit

Ende der 1950er Jahre sprach das Bundesverfassungsgericht das sogenannte Elfes-Urteil. Das Urteil gilt als Grundsatzentscheidung zur allgemeinen Handlungsfreiheit, die – so das Gericht – auch die Ausreise aus dem Bundesgebiet schütze. Die Regelung im Passgesetz wurde als verfassungskonform erachtet und auch die Anwendung auf den konkreten Fall von Politiker Wilhelm Elfes wurde nicht beanstandet. Damit bestätigte das Gericht die Passversagung aus dem Grund, dass Elfes die „Belange der Bundesrepublik“ gefährde.

Die politischen Hintergründe dafür, dass die Behörde die Verlängerung seines Reisepasses auf der Grundlage des Passgesetzes untersagte, sind entscheidend. Im Spiegel der heutigen Zeit kann die Entscheidung nicht mehr haltbar sein. Wilhelm Elfes, ein Politiker mit pazifistischen Vorstellungen, wollte an einem internationalen (kommunistisch geprägten) Friedens-Kongress teilnehmen. Schon zuvor war Elfes durch seine kritische Meinung zur Politik der Bundesregierung aufgefallen, insbesondere zur Wehrpolitik und zur Frage der Wiedervereinigung. Seine pazifistischen Aktivitäten widersprachen der deutschen Innen- und Außenpolitik entlang der Linie eines klaren Freund-Feind-Denkens zur Zeit des Kalten Krieges.

Aus heutiger Sicht ist klar, dass das Elfes-Erbe nicht vollständig in die Gegenwart reichen kann. Das Grundgesetz garantiert freie Entfaltung der Persönlichkeit, freie Meinungsäußerung, freie Bewegung – und auch freie Versammlung. Diese Freiheitsrechte stehen den Menschen in Europa zu und müssen vor jedem Eingriff einbezogen werden. Unbestimmte Formulierungen wie „sonstige erhebliche Belange“ können nicht weitreichende Einschränkungen in die Grundrechte ermöglichen. Das „Ansehen der Bundesrepublik“ ist nicht gefährdet, wenn der Staat nichts anderes tut, als die Ausreisefreiheit der Bürger*innen zu achten.

Ausreiseverbote nur im Ausnahmefall

Die Teilnahme an Protesten im Ausland darf nur im Ausnahmefall durch ein Ausreiseverbot verhindert werden. Erforderlich sind konkrete Anhaltspunkte für schwere Straftaten, die die ausreisende Person im Ausland begehen wird.

Die aktuellen politischen Tendenzen weisen nunmehr in eine andere Richtung. Ein Entschließungsantrag im Innenausschuss des Deutschen Bundestags zielt darauf ab, Ausreiseverbote auszuweiten. Damit soll die Teilnahme an „extremistischen“ Veranstaltungen insgesamt verhindert werden. Mehr dazu in unserer Stellungnahme, die wir im Juli 2023 veröffentlicht haben.

Auch der Entwurf des Innenministeriums für ein neues Bundespolizeigesetz enthält problematische Verschärfungen: Ausreiseverbote sollen mit Meldeauflagen, Fahndungsausschreibungen und Gewahrsamnahmen durchgesetzt werden können.

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