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Bundesverfassungsgericht: Containern ist Diebstahl

Containern bleibt nach heute veröffentlichtem Beschluss des BVerfG strafbar. Nun muss die Politik gegen Lebensmittelverschwendung aktiv werden.

Berlin/Karlsruhe, 18. August 2020 - Nach von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) eingereichter Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden: Es bleibt strafbar, genießbare Lebensmittel aus dem Müllcontainer eines Supermarkts zu entnehmen. „Die Entscheidung zeigt, dass die Politik endlich tätig werden muss. Es widerspricht dem erklärten Ziel der Bundesregierung, Lebensmittelverschwendung zu stoppen, dass Menschen bestraft werden, die genießbare Nahrung vor der Entsorgung bewahren“, sagt Boris Burghardt, Vorstandsmitglied der GFF. Dass die Bundesregierung der Lebensmittelverschwendung gesetzlich Einhalt gebieten und damit Containern überflüssig machen kann, betont auch das Gericht mehrfach in seiner Entscheidung.

Die GFF hat im November 2019 eine Verfassungsbeschwerde gegen die strafrechtliche Verurteilung von zwei Studentinnen eingereicht. Die beiden Frauen, Caro und Franzi, standen wegen Diebstahls vor Gericht, weil sie Lebensmittel aus dem Müllcontainer eines Supermarktes entnommen hatten. Sie mussten jeweils acht Sozialstunden ableisten und erhielten eine Geldstrafe von 225 Euro auf Bewährung. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Urteil heute bestätigt. „Wir sind vom Ausgang des Verfahrens enttäuscht, aber wir werden uns weiter gegen Lebensmittelverschwendung engagieren“, sagen Caro und Franzi. „Wenn wir die Lebensmittel nicht aus der Tonne retten dürfen, muss es die Politik machen.“

Mit der Verfassungsbeschwerde wollte die GFF eine verfassungskonforme Auslegung des Diebstahlparagraphen erreichen: Containern sollte keine Straftat sein. Denn das Strafrecht dient der Ahndung von sozialschädlichem Verhalten, das klar strafwürdig ist. „Die Verwertung genießbarer Lebensmittel ist angesichts der Ressourcenknappheit gesellschaftlich wünschenswert“, so Burghardt. „Wir sind weiterhin der Überzeugung, dass entsorgte Lebensmittel keinen strafrechtlichen Schutz verdienen.“

Das Bundesverfassungsgericht sieht hingegen keine Grundrechtsverletzung in der Verurteilung der Student*innen. Es sei ausreichend, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte Verfahren wegen Geringfügigkeit einstellen oder sich wie im Fall von Caro und Franzi auf eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beschränken können. Die GFF hält diese verfahrensrechtlichen Auswege für ungenügend, weil sie nichts an der Bewertung des Containerns als strafbarer Diebstahl ändern. Auch eine Verwarnung ist ein staatlicher Schuldspruch, der im Bundeszentralregister steht und stigmatisierend wirkt – damit greift er in Grundrechte der Studentinnen ein.

In vielen Bundesländern wird Containern nicht strafrechtlich verfolgt. Hamburgs Justizsenator zum Beispiel empfiehlt der Staatsanwaltschaft, Containerfälle einzustellen. In anderen Bundesländern hängt die strafrechtliche Ahndung stark vom Einzelfall ab. Es macht beispielsweise einen Unterschied, ob der Container verschlossen auf dem Gelände des Supermarkts steht oder unverschlossen an der Straße.

In Deutschland werden jährlich ca. 18 Millionen Tonnen Lebensmittel vergeudet. Die Bundesregierung will die Vernichtung genießbarer Lebensmittel beenden. Bislang gibt es dazu jedoch noch keine klaren Vorgaben – anders als in anderen Ländern. In Frankreich sind Supermärkte seit 2016 verpflichtet, unverkaufte Lebensmittel an örtliche Tafeln oder andere gemeinnützige Organisationen zu spenden, bei Zuwiderhandlungen drohen Geldstrafen.

Die Verfahrenskoordinatorin der GFF, Sarah Lincoln, sowie die Klägerinnen Caro und Franzi stehen für Gespräche zur Verfügung.

Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie hier.

Für Rückfragen wenden Sie sich an:

Sarah Lincoln, ,
Tel. 0176/488 784 11

Daniela Turß, ,
Tel. 030/549 08 10 55 oder 0175/610 2896

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