Schutz schwerkranker Menschen vor Abschiebung gewährleisten
Mit unseren Musterschriftsätzen unterstützen wir Anwält*innen dabei, die überhöhten gesetzlichen Anforderungen an den Nachweis eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen.
Wie bei allen staatlichen Handlungen müssen Behörden auch im Falle einer Abschiebung die Grund- und Menschenrechte wahren. Die Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit verbieten es, Personen zwangsweise außer Landes zu bringen, wenn sich dadurch ihr Gesundheitszustand wesentlich verschlechtern würde oder gar ihr Leben gefährdet ist.
Die Realität sieht jedoch anders aus: In den letzten Jahren hat die Bundesregierung die Beweisanforderungen zum Nachweis einer Erkrankung derart verschärft, dass es insbesondere für psychisch Kranke kaum noch möglich ist, ein krankheitsbezogenes Abschiebungshindernis nachzuweisen.
Die überhöhten Anforderungen zum Nachweis eines Abschiebungshindernis‘ sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Wenn eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben besteht, bei psychisch Erkrankten beispielsweise bei einer akuten Suizidgefahr, dürfen keine überspannten Anforderungen an die Nachweispflicht gestellt werden. Behörden und Gerichte verletzen ihre Sachaufklärungspflicht, wenn sie konkreten Anhaltspunkten für eine schwerwiegende Erkrankung nicht nachgehen.
Diese Rechtsverletzung wollen die GFF, PRO ASYL und die bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) mit strategischen Fällen vor das Bundesverfassungsgericht bringen. Dafür stellen wir Anwält*innen bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein umfassendes Unterstützungspaket zur Verfügung – mit Musterschriftsätzen, Leitfaden und einem finanziellen Zuschuss.
Zu den Musterschriftsätzen und Erläuterungen
Anforderungen für Geflüchtete regelmäßig nicht erfüllbar
§ 60a Abs. 2c Aufenthaltsgesetz sieht vor, dass Betroffene zum Nachweis eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernis unverzüglich eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung vorlegen müssen. Gerade in Fällen psychisch erkrankter Geflüchteter scheitert dieser Nachweis jedoch oftmals an zahlreichen praktischen Hürden. Und das bei einer Personengruppe, die aufgrund von traumatisierenden Ereignissen wie Krieg und Verfolgung überproportional häufig von psychischen Erkrankungen betroffen ist.
Wenn sich Betroffene in therapeutischer Behandlung befinden, dann meist nicht in psychiatrischer, sondern psychotherapeutischer Behandlung. Diese wird häufig über die psychosozialen Zentren für Geflüchtete organisiert und finanziert. Psychotherapeutische Bescheinigungen werden vom BAMF und den Gerichten häufig nicht anerkannt, obwohl Psychotherapeut*innen ebenso wie Psychiater*innen über die erforderliche Sachkunde verfügen, um eine psychische Erkrankung und deren Auswirkungen schlüssig zu diagnostizieren. Immer wieder werden deshalb psychisch schwerkranke Menschen abgeschoben, obwohl ihnen die behandelnden Therapeut*innen eine Suizidgefahr oder eine drohende Retraumatisierung mit ernstzunehmenden gesundheitlichen Folgen bescheinigen. Es ist für Geflüchtete nahezu unmöglich, eine psychiatrische Bescheinigung zu bekommen, schon gar nicht innerhalb der kurzen Fristen des Asylverfahrens. In vielen Regionen ist die Versorgung mit Psychiater*innen schlecht. Ob die Behandlungskosten vom Sozialamt übernommen werden, ist in vielen Bundesländern unsicher. Gleiches gilt für die Dolmetscherkosten. Die ärztliche Bescheinigung, die mehrere Hundert Euro kostet, müssen die Betroffenen selbst zahlen. Dabei haben Asylsuchende nach dem Asylbewerberleistungsgesetz monatlich nur etwa 330 Euro zur Verfügung.
Verfassungsrechtlicher Untersuchungsgrundsatz
Die überhöhten Anforderungen zum Nachweis eines Abschiebungshindernis‘ sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Behörden und Gerichte müssen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine schwerwiegende Erkrankung nachgehen. Gerade im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, bei einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben, kommt dieser Sachaufklärungspflicht verfassungsrechtliches Gewicht zu. Es dürfen deshalb keine überspannten Anforderungen an die Betroffenen gestellt werden. Mitwirkungspflichten dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie für die Betroffenen faktisch kaum zu erfüllen sind. Legt der Asylsuchende eine aussagekräftige psychotherapeutische Bescheinigung vor, ist es die Pflicht des Gerichts, diesen Anhaltspunkten für eine Gesundheitsgefährdung weiter nachzugehen und, falls erforderlich, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.
Mit geeigneten Fällen zum Bundesverfassungsgericht
Gemeinsam mit PRO ASYL und der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) wollen wir die überhöhten Nachweispflichten in § 60a Abs. 2c Aufenthaltsgesetz dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Wir werden geeignete Fälle bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren inhaltlich und finanziell unterstützen. Dafür stellen wir nicht nur rechtliche Argumente in Musterschriftsätzen zur Verfügung, wir bieten auch eine umfassende Anleitung samt Musterschreiben, um im konkreten Fall die praktische Unmöglichkeit der gesetzlichen Nachweispflichten zu veranschaulichen.