FAQ zur Bezahlkarte
1. Was ist eine Bezahlkarte?
Eine Bezahlkarte ist eine spezielle bargeldlose Zahlungskarte. Behörden haben seit 16. Mai 2024 die Möglichkeit Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) über eine Bezahlkarte auszugeben – das findet nach und nach in einigen Bundesländern statt. Sie ist kein Kontoersatz und auch keine normale EC-Karte oder Kreditkarte, sondern eine guthabenbasierte Debitkarte. Wer die Bezahlkarte erhält, bekommt kein Bankkonto dazu. Die Bezahlkarte bietet nur die Möglichkeit, monatlich einen geringen festen Betrag abzuheben und in bestimmten Geschäften vor Ort zu bezahlen.
Wie genau die Bezahlkarte funktioniert, schreibt das AsylbLG nicht vor. Die Bundesländer gestalten die Bezahlkarten – zum Teil sehr unterschiedlich – aus. Aktuell läuft ein europaweites Ausschreibungsverfahren mit dem Ziel einer einheitlichen Bezahlkarte. Die Bezahlkarte ist an ihrem Layout zu erkennen; in Bayern steht z.B. „Bezahlkarte“ darauf.
2. Wer bekommt die Bezahlkarte?
Das AsylbLG macht grundsätzlich die Ausgabe einer Bezahlkarte an Personen möglich, die einen Asylantrag gestellt haben oder über einen bestimmten in § 1 Absatz 1 AsylbLG genannten Aufenthaltstitel verfügen. Diese Personen sind teils erst kurz in Deutschland, andere teils viele Jahre. Die Bezahlkarte können auch Personen bekommen, die ein Bankkonto haben. An Menschen, die in Erstaufnahmeeinrichtungen, in Folgeunterkünften oder auch privat angemieteten Wohnräumen leben, kann die Bezahlkarte ausgegeben werden.
Das Gesetz sieht vor, dass jede erwachsene Person eine eigene Bezahlkarte erhält (§ 3 Abs. 5 Satz 2 AsylbLG). In der Praxis ist das nicht immer so: In Sachsen hat eine neunköpfige Familie eine Karte für alle Sozialleistungen bekommen. Die GFF unterstützt diese Familie im Eilverfahren von dem Sozialgericht Chemnitz. Kinder erhalten keine eigene Bezahlkarte. Ihre Sozialleistungen werden in der Regel auf die Bezahlkarte eines Erziehungsberechtigten gebucht.
Die Ausgabe einer Bezahlkarte wird von den Behörden zurzeit sehr unterschiedlich gehandhabt: In Hamburg etwa erhalten nur Personen eine Bezahlkarte, die nach einem gestellten Asylantrag in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen – in etwa also für die Dauer von einem Jahr. Anders ist es in Mittelsachsen: Dort erhalten auch Personen, die schon seit vielen Jahren in Deutschland leben, hier mitunter schon berufstätig waren und in Mietwohnungen wohnen, eine Bezahlkarte.
3. Wozu dient die Bezahlkarte?
Der Bundesgesetzgeber begründet die Einführung der Bezahlkarte damit, die Verwaltung zu entlasten (BT-Drs. 20/11006, S. 101). Länder und Kommunen können entscheiden, ob sie bestimmte Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in bar auszahlen oder die Leistungen – vermeintlich verwaltungsärmer – auf eine Bezahlkarte buchen. Eine rechtmäßig ausgestaltete Bezahlkarte führt jedoch nicht zu einer Verwaltungserleichterung (siehe 9.).
Ein positiver Effekt der Bezahlkarte ist ein leichterer Zugang zu Sozialleistungen sowie der Fortschritt in der Verwaltungsdigitalisierung. Beide Ziele können jedoch auch mit einer Bezahlkarte ohne restriktive Beschränkungen erreicht werden.
Zwar nicht Teil der Gesetzesbegründung, aber der politischen Debatte um die Bezahlkarte, ist das Ziel Menschen vor einer Einwanderung nach Deutschland abzuschrecken oder sie zu einer freiwilligen Ausreise zu bewegen. Diese migrationspolitischen Ziele können mit der Bezahlkarte jedoch nachweislich nicht erreicht werden (s. Einschätzung Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag). Auch Auslandsüberweisungen sollen mit der Bezahlkarte unterbunden werden. Schutzsuchende erhalten einen sehr geringen Geldbetrag, der unter dem Bürgergeld liegt. Sie müssen von diesem Geld ihre Existenz sichern. Mit diesem Geld andere zu unterstützen, ist kaum möglich. Belege, dass Schutzsuchende von dem geringen Geldbetrag sogenannte „Heimatüberweisungen“ machen, gibt es nicht. Unbenommen der Zielsetzung muss jedes behördliche Handeln das Existenzminimum der Antragssteller*innen sicherstellen.
4. Wie sieht der Alltag mit Bezahlkarte aus?
Die meisten Bundesländer führen Bezahlkarten mit restriktiven Beschränkungen ein. Mit diesen Bezahlkarten kann oft nur in großen Geschäften eingekauft werden, die eine Zahlung mit einer Debitkarte des jeweiligen Anbieters akzeptieren. Von der Bezahlkarte können Erwachsene Bargeld in Höhe von maximal 50 Euro monatlich abheben. Für Kinder und Jugendliche können je nach Bundesland nur 10, 25 oder ebenfalls 50 Euro abgehoben werden. Bargeldabhebungen oder Zahlungen an der Supermarktkasse können Gebühren verursachen. Weil die Bezahlkarte nicht in allen Läden akzeptiert wird und Überweisungen gar nicht oder nur mit behördlicher Genehmigung möglich sind, wird kostengünstiges Einkaufen deutlich erschwert oder sogar komplett ausgeschlossen.
- Einkauf vor Ort
Je nach Bundesland akzeptieren Geschäfte und Dienstleister*innen wie Friseur*innen oder Handwerker*innen die Bezahlkarte, sofern der jeweilige Kartentyp (meistens Visa- oder Master-Debitkarte) ausgelesen werden kann. Gerade bei den Debitkarten meldet der Bundesverband der Verbraucherzentralen Akzeptanzprobleme. Kleinere Geschäfte, Lebensmittelläden oder Imbisse lehnen die Karte wiederum oft ab, da ihnen Gebühren entstehen. Auf Floh- oder Wochenmärkten ist die Bezahlkarte ebenfalls nicht nutzbar. Familien, denen nur wenig Geld zur Verfügung steht, können daher etwa einen Schulrucksack oder Kinderschuhe nicht gebraucht kaufen, obwohl sie hierauf zwingend angewiesen sind.
- Digitale Zahlungen und Verträge
Überweisungen, Onlineeinkäufe, Lastschriftverfahren und digitale Zahlungsmöglichkeiten wie PayPal oder Apple Pay sind mit der Bezahlkarte nicht möglich. Einige Bundesländer erlauben Ausnahmen, bei denen Überweisungen einzeln beantragt oder bestimmte Überweisungsempfänger*innen (auf einer sogenannten „white list“) dafür freigeschaltet werden können. Diese Ausnahmen werden verschieden restriktiv in den Bundesländern sowie je nach Kommune und Gemeinde umgesetzt. In einer Gemeinde in Sachsen werden z.B. nur für Nahverkehrs- und Mobilfunkverträge Überweisungen gestattet. In Hamburg sind Überweisungen derzeit – außer an Schulen – überhaupt nicht vorgesehen. Die Folge des Verbots ist, dass ein kostengünstiger Einkauf im Internet deutlich erschwert oder je nach Bundesland gar nicht möglich ist, sodass etwa ein neues Handyladekabel oder auch die Kleidung für die ganze Familie im meist teureren Einzelhandel eingekauft werden muss.
Mietkosten überweist die Behörde in der Regel direkt an die Vermietung. Bei der Abrechnung von Nebenkosten treten bereits die ersten Probleme auf. Das zeigt eindrücklich der Fall eines von der GFF unterstützten Antragsstellers. Der Mann lebt bereits seit sieben Jahren in Deutschland. Seit drei Jahren hat er eine eigene Wohnung. Mit der Bezahlkarte kann er keine Überweisungen machen, um den Strom zu zahlen. Die Behörde ist weder bereit die Überweisungen für seine Bezahlkarte freizuschalten noch möchte sie das Geld direkt an den Stromanbieter zahlen. Dass der Strom abgeschaltet wird, ist damit nur eine Frage der Zeit. Die GFF unterstützt den Mann im Eilverfahren vor dem Sozialgericht Chemnitz.
Anmeldungen in Sportvereinen oder der Abschluss eines Telefon- und Internetvertrag sind meist nicht möglich, da dafür Überweisungen erforderlich sind. Auch Anwaltskosten (etwa für asyl- und aufenthaltsrechtliche Verfahren) können nicht mit der Bezahlkarte beglichen werden, da Kanzleien selten über entsprechende Kartenlesegeräte verfügen.
- Weitere ungedeckte Kosten
Zuzahlungen zu ärztlichen Behandlungen, etwa für den Ultraschall in der Schwangerschaft oder die kieferorthopädische Behandlung, können mit der Bezahlkarte in der Regel ebenfalls nicht bezahlt werden. Auch eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher zu bezahlen, etwa während einer medizinischen Behandlung, ist mit der Bezahlkarte nicht möglich.
Eltern können mit der Bezahlkarte außerdem nicht für bar zu bezahlende Schulausflüge- oder Projekte aufkommen. Teilweise sehen die Bundesländer dafür vor, dass auf Antrag die Kosten für eine Klassenfahrt oder ein Schulprojekt direkt an die Lehrer*innen überwiesen werden können. In einem von der GFF unterstützen Verfahren werden die praktischen Probleme offensichtlich. Während zum Elternabend das Geld für ein Schulprojekt mitgebracht werden sollte, konnte die betroffene Familie dem nicht nachkommen. Auch können die Eltern ihre Kinder nicht im Sportverein anmelden, weil dafür eine Überweisung nötig ist. Das macht eine Teilhabe der Kinder unmöglich und führt zur Benachteiligung. Selbst der Besuch im Freibad an warmen Sommertagen ist für die Jugendlichen aus der Familie nur möglich, wenn die Eltern mitkommen – denn die Familie besitzt nur eine Bezahlkarte.
5. Warum ist die Bezahlkarte grundrechtlich problematisch?
Zum einen hat die Einführung der Bezahlkarte in vielerlei Hinsicht den Charakter einer Schikanemaßnahme, die für die Verwaltung wenige Vorteile bringt und das Leben für geflüchtete Menschen deutlich erschwert. Sie diskriminiert Geflüchtete. Vor allem aber führt die Bezahlkarte mit ihren Beschränkungen (siehe 4.) dazu, dass das Existenzminimum unterschritten wird, das für ein menschenwürdiges Leben notwendig ist. Die Sozialleistungen für Asylsuchende und Geduldete liegen ohnehin unterhalb des Bürgergelds – in Deutschland das ermittelte Mindestmaß. Mit der Bezahlkarte können tägliche Bedarfe, die zum Existenzminimum gehören, nicht mehr oder nur zu erhöhten Preisen gedeckt werden.
Erforderlich zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist eine erheblich größere Dispositionsfreiheit über die Sozialleistung, als dies die derzeitigen Bezahlkarten zulassen. Der Geldbetrag, den Schutzsuchende nach dem AsylbLG erhalten, orientiert sich an der amtlichen Einkommens- und Verbraucherstichprobe. Die Stichprobe erhebt unter anderem, wofür Menschen mit niedrigem Einkommen in Deutschland ihr Geld ausgeben. Diese Menschen kaufen in der Regel günstig gebrauchte Waren beispielsweise auf Flohmärkten und online ein. Weil die Bezahlkarte diese Möglichkeiten zum Sparen nimmt, können die Leistungsempfänger*innen mit der Karte notwendige Bedarfe nicht decken.
Die Bezahlkarte führt außerdem zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung. Eine Ungleichbehandlung besteht zwischen Bezahlkartenempfänger*innen einerseits und Empfänger*innen von Bürgergeld und Sozialhilfe, die Sozialleistungen auf ihr reguläres Konto überwiesen bekommen, andererseits. Bezahlkartenempfänger*innen und Sozialhilfe-, bzw. Bürgergeldempfänger*innen unterscheidet allein der Aufenthaltsstatus, nicht ihre Aufenthaltsdauer in Deutschland: Auch Bezahlkartenempfänger*innen halten sich oft schon seit mehreren Jahren in Deutschland auf.
Da die Bezahlkarte zu einer Stigmatisierung führen kann – etwa für Kinder, die nicht an Schulveranstaltungen teilnehmen können – sind die Anforderungen für eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung hoch. Strenge Anforderungen ergeben sich auch daraus, dass eine Ungleichbehandlung aufgrund der Heimat einer Person grundsätzlich verboten ist (Art. 3 Abs. 3 GG). Der Gesetzgeber rechtfertigt die Bezahlkarte bisher ausschließlich mit einer Arbeitserleichterung für die Verwaltung. Das ist ein sinnvolles und legitimes Ziel. De facto verfehlt eine Bezahlkarte mit restriktiven Beschränkungen jedoch diese Zielsetzung und führt vielmehr zu einem erheblichen Mehraufwand für die Verwaltung (siehe 9.). Die bisher ausgestaltete Bezahlkarte verletzt damit das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG). Für die Ungleichbehandlung gibt es keine nachvollziehbaren Gründe.
6. Warum klagt die GFF gegen die Bezahlkarte?
Die GFF klagt gegen die restriktiv ausgestalteten Bezahlkarten. Dazu gehören rechtswidrige pauschale Bargeldbeschränkungen und Überweisungsverbote. Die Bezahlkarte in ihrer restriktiven Form verletzt den grundrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Dieser Anspruch ergibt sich aus der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG für alle Menschen in Deutschland unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Aufenthaltsstatus. Die Bezahlkarte hat auch eine diskriminierende Wirkung und verletzt das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Derzeit geben an vielen Orten in Deutschland Behörden Bezahlkarten mit restriktiven Beschränkungen aus; diese teils grundrechtswidrige Praxis machen wir in gezielt ausgesuchten Verfahren geltend. Die Behörden führen bei der Einführung keine Anhörung der Betroffenen durch, um so die individuellen Bedürfnisse sowie die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die Behörde setzt – meist auf Anweisung der Bundesländer – pauschale Bargeldbeschränkungen fest und verhindert, dass erforderliche Überweisungen getätigt werden können. In gezielt ausgesuchten Verfahren unterstützt die GFF Schutzsuchende, damit die grundrechtsverletzenden Bezahlkartenregelungen keine Schule machen.
7. Gibt es Alternativen zur Bezahlkarte?
Ja, es gibt Alternativen. Keine Behörde muss eine Bezahlkarte ausgeben. Vielmehr liegt es im Ermessen der jeweiligen Behörde, ob sie die gesetzlichen Leistungen in Form der Bezahlkarte erbringt. Allerdings muss bei der Auswahl das menschenwürdige Existenzminimum stets gewahrt sein. Sozialleistungen können bar ausgezahlt oder von der Behörde an die Leistungsempfänger*in überwiesen werden. In Deutschland hat jeder Mensch ein Recht auf Eröffnung eines Basiskontos.
Seit dem Jahr 2016 haben alle Menschen in Deutschland – einschließlich Asylsuchender – nach § 31 des Zahlungskontengesetz (ZKG) einen Rechtsanspruch auf ein sogenanntes „Jedermann-Konto“ oder Basiskonto. Das Basiskonto ist ein Konto mit grundlegenden Funktionen, um am Zahlungsverkehr teilzunehmen. Alle Banken müssen dieses Konto anbieten. Deutschland hat mit der Einführung des Rechtsanspruchs die einschlägige EU-Richtlinie umgesetzt.
Eine Hürde ist jedoch, dass die Preise vom deutschen Gesetzgeber nur äußerst vage geregelt wurden. Während das Basiskonto in Frankreich kostenlos ist und in Österreich maximal 80 Euro im Jahr kostet, kosten Basiskonten bei deutschen Banken teilweise über 300 Euro jährlich. Das ist für Asylsuchende aber auch für Menschen, die Bürgergeld beziehen, zu viel. Gerade für sie ist das Basiskonto aber gedacht. Hier könnte der Gesetzgeber nachbessern und die Bepreisung so regeln, dass tatsächlich alle Menschen Zugang zum Basiskonto erhalten.
Außerdem ist es möglich, Bezahlkarten ohne Bargeldbeschränkung und mit Überweisungsoption auszugeben. So können Behörden eine Verwaltungserleichterung erreichen ohne schutzsuchende Menschen in ihren Grundrechten zu verletzen.
8. Spart der Staat Geld durch die Bezahlkarte?
Genaue Zahlen zu den staatlichen Kosten für die Einführung der Bezahlkarte sind bisher nicht bekannt. Jedenfalls schließt der Staat mit privaten Anbieter*innen von Bezahlkarten Verträge ab, die Mehrarbeit und Mehrkosten verursachen. Für Berlin werden die Kosten der Bezahlkarte auf etwa 5 bis 6 Millionen Euro geschätzt wie unter anderem der Tagesspiegel berichtet, während die Ausgaben der Sozialleistungen derzeit etwa 366.000 Euro betragen. Auch entstehen pro ausgegebener Karte Kosten, die nicht von den Bezahlkartenempfänger*innen bezahlt werden müssen.
Migrationssteuernde Effekte, die zu einem Rückgang der Anträge auf Asylbewerberleistungen führen könnten, sind nach aktueller Studienlage (Dokumentation des Wissenschaftlichen Dienstes, WD 1 – 3000 – 027/20) von der Bezahlkarte eher nicht zu erwarten. So zeigen etwa die Zahlen aus Hamburg („Lagebild Flüchtlinge“ der Stabstelle Flüchtlinge und übergreifende Aufgaben Hamburg), dass es selbst durch die Einführung einer sehr restriktiven Bezahlkarte im Februar 2024 bislang keinen Rückgang von Schutzsuchenden in der Hansestadt gab. Die erhoffte Ersparnis durch die angestrebten Verwaltungserleichterungen ist dauerhaft nicht realistisch, denn eine Bezahlkarte mit restriktiven Beschränkungen führt stattdessen zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand (siehe 9.).
9. Führt die Bezahlkarte zu einer Verwaltungserleichterung?
Die bisherigen Bezahlkarten führen statt zur Erleichterung vielmehr zu einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Regelmäßig müssen technische Fehler bei der Kartenverwendung behoben werden. Die Beschränkungen auf geringe monatliche Bargeldbeträge und Überweisungen sind eine Herausforderung. Anders als bei der Auszahlung eines pauschalierten Geldbetrages muss bei der Bezahlkarte bei jeder Person oder Familie genau geprüft werden, ob sie ihren Bedarf mit der Karte am jeweiligen Wohnort decken kann. Hierbei sind mögliche Kostensteigerungen durch die Behörde zu beachten – zum Beispiel, wenn Medikamente durch das Überweisungsverbot in der Apotheke statt im Internet eingekauft werden. Je nach Einzelfall können Überweisungen, erhöhte Bargeldabhebungen sowie der überregionale Einsatz der Bezahlkarte notwendig sein und brauchen eine behördliche Genehmigung.
Benötigt etwa ein sechsjähriges Kind – wie in einem Verfahren der GFF – 35 Euro in bar für eine Schulveranstaltung, muss die Behörde dies zeitnah ermöglichen. Gerade Personen, die schon lange in Deutschland leben, benötigen zahlreiche Überweisungen: So müssen etwa die Miete, der Internetvertrag, die Stromrechnung, die Hausratversicherung sowie der Sportverein durch Überweisung gezahlt werden. Außerdem muss jeder kostengünstige Onlineeinkauf, etwa von Schulsachen für die Kinder, bewilligt werden. All das führt zu einer kleinteiligen behördlichen Prüfung, um entweder Überweisungen freizugeben oder selbst das die zum Teil monatlich anfallenden Beträge zu überweisen.
Zudem sieht das Gesetz nur für bestimmte Grundleistungen die Bezahlkarte vor. Sonstige Leistungen, die etwa die Gesundheitsvorsorge oder besondere Bedürfnisse von Kindern betreffen, sind extra zu berücksichtigen. Das heißt für die Behörde, dass die Bargeldbeschränkung auf die Karte angepasst oder zusätzlich Geld ausgezahlt werden muss (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG). Dass dies zu einem erheblichen Mehraufwand führt, bestätigte etwa das Amt für Migration in einem Verfahren der GFF vor dem Sozialgericht Hamburg (Aktenzeichen S 7 AY 410/24 ER). Die Behörde erklärte darin, es würde einen enormen Verwaltungsaufwand bedeuten, wenn in jedem Einzelfall der Barbetrag aufgrund der Ausgabe von sonstigen Leistungen neu berechnet werden müsste. Gleiches gilt übrigens, wenn es zu Nachzahlungen kommt, etwa wenn erstmals Leistungen nach mehreren Wochen Bearbeitungszeit ausgezahlt werden: Hier muss die Behörde den Bargeldbetrag für jeden Einzelfall individuell anpassen.
Teilweise ist der Einsatz der Bezahlkarte – so in Sachsen – geografisch beschränkt. Müssen Personen das Gebiet verlassen, sind die Anliegen im Einzelfall zu prüfen und die Beschränkungen für einen bestimmten Zeitraum aufzuheben. Ein GFF-Verfahren mit einer in Chemnitz lebenden Familie macht deutlich, was für ein behördlicher Aufwand damit einhergeht: Ein Elternteil muss zur ärztlichen Behandlung seines elfjährigen Kindes immer wieder mit diesem nach Berlin in eine Klinik reisen. Für jeden Kliniktermin muss die regionale Beschränkung durch die Behörde einzeln und zeitnah aufgehoben werden.
10. Welche Daten dürfen Behörden durch die Bezahlkarte nutzen?
Die Leistungsbehörde darf nur solche Daten verarbeiten, die für die Erbringung der Leistung dringend erforderlich sind. Weitere Datenverarbeitungen erfordern spezifische gesetzliche Grundlagen, die aktuell nicht existieren.
Hier ein Überblick, welche Daten nicht durch die Behörde verarbeitet werden dürfen:
- Die Behörden dürfen keinen Einblick in den Guthabenstand haben.
- Eine pauschale Beschränkung auf Postleitzahlen-Gebiete zur Durchsetzung von Aufenthaltsbeschränkungen ist nicht möglich.
- Die Nummer des Ausländerzentralregisters darf nicht an die Institutionen herausgegeben werden, die die Bezahlkarten herausgeben.
- Auch Sicherheitsbehörden dürfen nicht ohne weiteres auf die Daten zugreifen. Vielmehr müssen für einen Zugriff die Voraussetzungen vorliegen, die auch sonst bei Bankaktivitäten gefordert werden.
Weitere Informationen liefert das Positionspapier des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit sowie ein Beschluss der Datenschutzkonferenz.