Verdacht rassistischer Diskriminierung bei Berliner Polizei
Nach GFF-Beschwerde kündigt Landesdatenschutzbeauftragte Überprüfung von Polizeiakten an
Berlin, 2. April 2020 – Auf eine Beschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) wird die Landesdatenschutzbeauftragte Akten der Berliner Polizei einsehen, um zu überprüfen, ob diese rechtswidrig Daten zur ethnischen Herkunft von Tatverdächtigen erhebt. Die Beschwerde der GFF vom Juni 2019 richtet sich dagegen, dass es in der Berliner Kriminalstatistik 2017 hieß, Trickdiebstähle in Wohnungen würden überwiegend von Sinti*zze und Rom*nja verübt.
„Natürlich können körperliche Merkmale und Kleidung einer zur Fahndung ausgeschriebenen Person beschrieben werden. Die Beschreibung als ‚Roma‘, ‚Jude‘ oder ‚Araber‘ macht eine Person aber nicht individuell identifizierbar und hat in Polizeidatenbanken deshalb nichts verloren“, sagt Lea Beckmann, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. „Wenn die Polizei die ethnische Zugehörigkeit von Verdächtigen erfasst, dann verstärkt das rassistische Ressentiments. Und es erhöht die Gefahr, dass die Polizei Folgemaßnahmen gegen Personen und Personenkreise ergreift, die vermeintlich die gleiche ethnische Zugehörigkeit haben, statt sich an einer individuellen Personenbeschreibung zu orientieren.“
Nachdem die Polizei zum Sachverhalt schriftlich Stellung genommen hat, bestätigte die Landesdatenschutzbeauftragte nun gegenüber der GFF, dass sie bei der Polizei vor Ort Akten einsehen wird. Von diesem Recht macht die Datenschutzbeauftragte nur in seltenen Fällen Gebrauch. „Wir begrüßen es, dass die Datenschutzbeauftragte nun gründlich prüft, ob die Berliner Polizei rechtliche Standards einhält“, sagt Beckmann. „Die Polizei zeigt bislang keinerlei Rechtsverständnis, auch der Innensenator reagiert nur auf politischen Druck.“
Innensenator Andreas Geisel ließ den Hinweis auf Sinti*zze und Rom*nja in der Kriminalstatistik 2017 im Januar 2020 löschen, nachdem er durch das von der GFF lancierte Prüfverfahren der Datenschutzbeauftragten, öffentliche Kritik vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und diverse Anfragen im Abgeordnetenhaus erheblich unter Druck geraten war. Zudem sicherte er dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zu, die Datenerhebung der Polizei intern zu überprüfen.
Die Berliner Polizeipräsidentin hatte in ihrer Antwort an die Datenschutzbeauftragte erläutert, dass die Polizei sich über viele Jahre polizeiliches Fachwissen zu Sinti*zze und Rom*nja angeeignet habe. „Die Antwort zeigt, dass die Polizei das Problem noch nicht verstanden hat. Ethnische Zugehörigkeit darf kein Ansatz polizeilicher Arbeit sein. Diese Praktiken müssen sofort und öffentlich nachvollziehbar eingestellt werden. Gleichzeitig begrüßen wir die Untersuchung der Datenschutzbeauftragten sehr und drängen darauf, dass dabei neben Akten aus 2017 auch andere Jahrgänge mit einbezogen werden“, sagt Anja Reuss, politische Referentin vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma.
Die Erfassung ethnischer Zugehörigkeit unterliegt strengen verfassungs- und datenschutzrechtlichen Vorgaben. Eine strukturierte, auswertbare Erfassung ist verboten; auch die bloße Nennung in einzelnen Akten ist in aller Regel rechtswidrig. Allenfalls in Ausnahmefällen könnten Informationen über die ethnische Herkunft gespeichert werden, wenn sie konkret ermittlungsrelevant sind. Aber auch dann, so nun die Datenschutzbeauftragte, sollen die Informationen anhand verbindlicher Kriterien erfasst und das Personal zuvor geschult werden, um zu verhindern, dass rassistische Vorannahmen verstärkt und ermittlungsleitend werden („Racial Profiling“).
Die GFF setzt sich gegen rassistische Diskriminierung und Racial Profiling ein und unterstützt den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma dabei, mit rechtlichen Mitteln gegen Antiziganismus in der Polizeiarbeit vorzugehen.
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