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GFF bringt BKA-Gesetz erneut vor Bundesverfassungsgericht

Staatstrojaner, IT-Sicherheit und uferlose Polizei-Datenbanken stehen im Zentrum der Verfassungsbeschwerde – GFF sieht weiteren Schritt zur anlasslosen Erfassung der Bevölkerung

Berlin, 4. September 2019 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz über das Bundeskriminalamt (BKA-Gesetz) erhoben (Aktenzeichen 1 BvR 1160/19). Angegriffen werden verdeckte Überwachungsmaßnahmen wie der Einsatz von Trojanern zur Ausspähung von Computern und Mobiltelefonen sowie die nahezu grenzenlosen Möglichkeiten für die Verarbeitung persönlicher Daten der Bevölkerung durch das BKA.

„Nach der Neuregelung kann das BKA aus zu geringem Anlass zu viele Daten zu vieler Menschen zu lange speichern und verarbeiten“, sagt Ulf Buermeyer, Vorsitzender der GFF. „Den Betroffenen drohen polizeiliche Befragungen, Reiseverbote und Stigmatisierung in einem Umfang, der außer Verhältnis zu den erhofften Vorteilen für die Sicherheit steht.“ Die Verfassungsbeschwerde stößt in eine bislang vom Bundesverfassungsgericht noch nicht ausgeleuchtete Lücke im Verfassungsrecht und ist deshalb wegweisend für den künftigen Umgang von Sicherheitsbehörden mit massenhaft erhobenen personenbezogenen Daten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2016 wesentliche Teile des damaligen BKA-Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Die nunmehr erhobene Verfassungsbeschwerde richtet sich zunächst gegen einzelne misslungene Versuche des Gesetzgebers, dieses Urteil umzusetzen. Insbesondere können Kontaktpersonen von Verdächtigen zu leicht selbst Opfer von heimlichen Überwachungsmaßnahmen werden. Auch dass das BKA für solche Überwachungsmaßnahmen Spähsoftware (Trojaner) einsetzen darf, die den Herstellern noch nicht bekannte Sicherheitslücken ausnutzen, ist verfassungswidrig. „Der Staat muss Sicherheitslücken den Herstellern melden, statt sie geheim zu halten“, so Buermeyer. „Sicherheitslücken kann nicht nur der Staat ausnutzen – vor allem sind sie Einfallstore für Hacker. Wenn der Staat Sicherheitslücken geheim hält, setzt er daher alle User von IT-Geräten weltweit dem Risiko aus, gehackt zu werden. Wenn das zum Beispiel Krankenhäuser betrifft, wird es schnell lebensgefährlich.“

In ihrem zweiten Teil richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die neuen Regeln für polizeiliche Datenbanken, die das BKA-Gesetz vorsieht. Dadurch werden bestehende Datenbanken zusammengeführt, außerdem können darin weit mehr personenbezogene Daten gespeichert werden als zuvor. Die maßgeblichen Vorschriften sind jedoch in sich teils inkonsistent, in hohem Maße unbestimmt und viel zu undifferenziert. „Das BKA kann nun bereits auf Grund vager Anhaltspunkte in weitem Umfang persönliche Daten speichern und ohne weitere Voraussetzungen nutzen“, erklärt Buermeyer. „Der zentrale datenschutzrechtliche Grundsatz der Zweckbindung von Daten wird aufgegeben.“ Nach diesem Grundsatz dürfen personenbezogene Daten eigentlich nur zu dem Zweck genutzt werden, für den sie erlangt wurden. Für das BKA soll das nun nicht mehr gelten. „Damit sind Tür und Tor geöffnet für eine Datenbank, die Daten über die meisten Menschen in Deutschland enthält – zeitlich unbefristet, nach unklaren Regeln und zu unklaren Zwecken. Ein solches Big-Brother-Gesetz kann das Bundesverfassungsgericht nicht billigen“, so Buermeyer.

Das Gesetz hat gravierende Folgen für die Betroffenen. „Mich belastet schon jetzt der Eintrag in eine Polizeidatenbank, der nicht auf Strafurteilen fußt, sondern auf einem vagen Gefühl von Unliebsamkeit“, sagt der Kommunikationswissenschaftler und Aktivist Kerem Schamberger, einer der Beschwerdeführer. „Ich will nicht, dass künftig noch mehr unschuldige Menschen ohne Anlass von der Polizei festgehalten, befragt, an der Ausreise gehindert oder gar inhaftiert werden.“

Neben Schamberger sind unter den Beschwerdeführer*innen zwei Rechtsanwältinnen, die u.a. Terrorverdächtige vertreten und befürchten, Betroffene heimlicher Überwachung zu werden, sowie zwei Fußballfans, die – ohne sich in relevanter Weise strafbar gemacht zu haben – in Polizeidatenbanken gelandet sind. Verfasst hat die Verfassungsbeschwerde Prof. Dr. Matthias Bäcker von der Universität Mainz.

Die Verfassungsbeschwerde findet sich hier.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. koordiniert und finanziert Gerichtsverfahren, um Grund- und Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen zu verteidigen. Die GFF setzt sich mit ihren Verfahren beispielsweise für die informationelle Selbstbestimmung, die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit ein. Zudem streitet sie für die Freiheit von Diskriminierung. Sie bringt dafür geeignete Kläger und Klägerinnen mit exzellenten Juristen und Juristinnen zusammen, um gemeinsam gerichtlich gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Zu den aktuellen Projekten zählen Klagen gegen die Massenüberwachung von Flugpassagieren und Verfassungsbeschwerden gegen den massenhaften Einsatz von Staatstrojanern, zuletzt im neuen Polizeigesetz in Hessen, aber auch die Klage einer Journalistin gegen Entgeltdiskriminierung.
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