GFF reicht Stellungnahme zum Berliner Mietendeckel beim Bundesverfassungsgericht ein
Berlin, 30. Juli 2020 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) schaltet sich mit einer heute eingereichten Stellungnahme in die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum Berliner Mietendeckel ein. „Wohnen ist ein Menschenrecht. Der Gesetzgeber muss eingreifen, wenn sich breite Bevölkerungsschichten ihre Wohnung nicht mehr leisten können“, sagt Sarah Lincoln, Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Ko-Autorin der Stellungnahme.
Die juristische Prüfung der GFF beantwortet die zwei zentralen verfassungsrechtlichen Fragen zum Mietendeckel, denen sich voraussichtlich in diesem Jahr auch das Bundesverfassungsgericht widmen wird. Erstens ist das Land Berlin befugt, Mietpreisvorgaben zu machen. Zweitens greifen die gesetzlichen Mietpreisvorgaben nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte der Vermieter*innen ein.
Es dient dem Gemeinwohl, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu verhindern, dass einkommensschwache Mieter*innen aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Die Gemeinwohlbindung des Eigentums ist im Grundgesetz festgeschrieben. Deutschland ist auch aufgrund verbindlicher internationaler Menschenrechtsstandards verpflichtet, angemessenen Wohnraum zu gewährleisten. Der Gesetzgeber kann das Interesse der Vermieter*innen an hohen Mieten dem Gemeinwohl unterordnen. „Das Recht auf Eigentum garantiert nicht die größtmögliche Rendite“, sagt Lincoln. „Gerade im sozialpolitisch umstrittenen Mietrecht müssen Vermieter*innen mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen.“
Die GFF bejaht in ihrer Stellungnahme zudem eine Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin für das öffentlich-rechtliche Mietpreisrecht. Bis in die 1970er Jahre war es weit verbreitet, dass der Gesetzgeber öffentlich-rechtliche Mietpreisvorgaben machte, um sozialen Notlagen auf dem Wohnungsmarkt zu begegnen. Dafür konnte sich der Gesetzgeber auf den Kompetenztitel Wohnungswesen stützen, für den seit der Föderalismusreform die Länder zuständig sind. Das Land Berlin kann das Instrument öffentlich-rechtlicher Mietpreisgrenzen mit dem Mietendeckel wiederbeleben.
„Die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bieten die Chance, höchstrichterlich zu bestätigen, dass die Länder der Wohnungskrise mit Mietpreisvorgaben begegnen können“, sagt Lincoln. „Die Entscheidung wird wegweisend für die weitere Entwicklung des Mietpreisrechts sein.“
Hintergrund
Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG) trat am 23. Februar 2020 in Kraft. Seitdem sind zahlreiche Klagen dagegen beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Dem 1. Senat liegen zwei Verfassungsbeschwerden von verschiedenen Vermieter*innen vor. Darüber hinaus haben auch Bundestagsabgeordnete von CDU und FDP sowie mehrere Berliner Gerichte das Bundesverfassungsgericht angerufen. Diese Verfahren liegen beim 2. Senat.
Für ihre Stellungnahme hat die GFF die Form des „Amicus Curiae Brief“ gewählt. Der Amicus Curiae, also der Freund des Gerichts, erlangt zwar keine eigenständigen Verfahrensrechte, wirft aber durch eine externe Stellungnahme neue Perspektiven auf den Rechtsstreit auf. Der Amicus Curiae Brief ist in Deutschland noch nicht verbreitet, während er in den USA seit langem zu einer grund- und menschenrechtsfreundlicheren Rechtsprechung beiträgt. Die GFF hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Mittel der Verfahrensbeteiligung im Interesse der Grund- und Menschenrechte auch hier zu etablieren.
Die vollständige Stellungnahme finden Sie hier.
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