Die GFF unterstützt ein sozio-kulturelles Zentrum in Ludwigsburg, dem der Entzug der Gemeinnützigkeit droht. Der lokal verankerte Verein „DemoZ“ bietet ein umfassendes Kultur- und Bildungsprogramm an und schafft Raum für politische Diskussionen. Dabei positioniert er sich gegen Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit, Homophobie und andere Formen der Menschenfeindlichkeit. Das Finanzamt Ludwigsburg zweifelt nun an der „geistigen Offenheit“ des Vereins.
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Politische Bildung nicht ohne politische Grundsätze
Im Demokratischen Zentrum (DemoZ) in Ludwigsburg finden sich interessierte Menschen zu vielfältigen Anlässen und Angeboten zusammen. Zum Kunst- und Kulturprogramm gehören Konzerte, Kabarettabende, Ausstellungen und Lesungen sowie regelmäßige Angebote wie das offene Aktzeichnen, die Tanz- und Theatergruppe oder Trommelworkshops. Zudem finden politische Informationsveranstaltungen und Workshops zu verschiedensten Themen statt, vom nachhaltigen Umgang mit Ressourcen bis hin zum Verhalten auf Demos.
Das Zentrum schließt Personen von seinen Aktivitäten aus, die „rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen“ aufgefallen sind. Eine entsprechende Klausel findet sich auf der Website des DemoZ. Dort stellt es auch klar: „Wir sind parteienunabhängig und positionieren uns trotzdem, oder gerade deshalb, politisch.“
Wie weit muss „geistige Offenheit“ gehen?
Das DemoZ wurde in der Vergangenheit vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt und konnte als steuerbefreite Organisation absetzungsfähige Spenden einwerben und staatliche Zuschüsse erhalten. Als eingetragener Verein setzt es sich laut Satzung für die „Demokratisierung der Gesellschaft und die Gleichberechtigung aller Menschen“ ein und fördert dazu die „Volksbildung“ und das kulturelle Leben in Ludwigsburg. Der Satzungszweck fällt unter die in § 52 der Abgabenordnung anerkannten gemeinnützigen Zwecke „Volksbildung“ und „Kultur“.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2019 hat das Finanzamt Ludwigsburg dem DemoZ nun die Gemeinnützigkeit entzogen. Es spricht dem DemoZ die „geistige Offenheit“ in der Bildungsarbeit ab, die sich dem Finanzamt zufolge in der politischen Positionierung des Zentrums ausdrückt. Die Ausschlussklausel des DemoZ zeige außerdem, dass der Verein nicht, wie in der Abgabenordnung gefordert, der Allgemeinheit diene.
„Politische Bildung“ durch Attac-Urteil entpolitisiert
Das Finanzamt Ludwigsburg stützt seine Einschätzung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Januar 2019. Darin vertritt der BFH mit Bezug auf die globalisierungskritische Organisation Attac die Ansicht, dass diese mit ihrer Tätigkeit politische Zwecke verfolge und daher nicht gemeinnützig sei. Bei der Grenzziehung zwischen gemeinnützigen Vereinen und politischen Parteien schießt der Bundesfinanzhof dabei weit übers Ziel hinaus: Er spricht politischem Engagement in Form von politischer Einflussnahme den Bildungscharakter ab. Politische Bildung sei nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung gezielt zu beeinflussen.
In Ludwigsburg hat das Finanzamt diese restriktive BFH-Rechtsprechung einseitig zulasten des DemoZ interpretiert. Dabei übersieht es, dass das DemoZ keinen Einfluss auf das konkrete politische Geschehen nimmt. Lobbyarbeit gehört nicht zum Tätigkeitsfeld. Vielmehr stößt sich das Finanzamt an der politischen Haltung des DemoZ. Doch eine gänzlich haltungsfreie Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen ist kaum möglich. Zu einem offenen demokratischen Diskurs gehört auch, dass sich Akteure der Zivilgesellschaft mit bestehenden Verhältnissen kritisch auseinandersetzen und politische Positionen entwickeln.
Gemeinnützigkeit – mehr als Spendenbescheinigungen
Kleine, lokal tätige Initiativen leisten einen unverzichtbaren Beitrag in einer lebendigen Demokratie. Die offizielle Anerkennung als „gemeinnützig“ ist für solche Organisationen von essentieller Bedeutung – sowohl für ihre Finanzierung über Spenden, Projektförderungen und staatliche Zuschüsse als auch für ihre öffentliche Wahrnehmung.
Das ohnehin problematische Urteil des BFH darf nicht in eine Praxis der Finanzämter münden, in der Überparteilichkeit generell mit Wertneutralität gleichsetzt wird. Die GFF unterstützt das DemoZ, um dieser Entwicklung entgegen zu wirken und Rechtssicherheit für zivilgesellschaftliches politisches Engagement zu schaffen. Das DemoZ hat gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit beim Finanzamt am 25. November 2019 Einspruch eingereicht und diesen am 20. Januar 2020 begründet.
Hintergrundinformationen
- Hier finden Sie ein Hintergrundpapier mit weiteren Informationen zum Fall.
- Das erste Schreiben des Finanzamts vom 11. Juni 2019 an das DemoZ finden Sie hier.
- Hier finden Sie die Stellungnahme des DemoZ an das Finanzamt vom 29. August 2019.
- Hier finden das Schreiben des Finanzamts vom 25. September 2019 zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit des DemoZ.
- Die Einspruchsbegründung vom 20. Januar 2020 finden Sie hier.
- Weitere Informationen über das DemoZ finden Sie online.
- Weitere Informationen zum Attac-Urteil und zur Frage der Gemeinnützigkeit politischer Zivilgesellschaft finden Sie auf der Seite der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung.
Presse
Die aktuelle Pressemitteilung zum Fall finden Sie hier.
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