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GFF-Beschwerde: Gleiche Rechte auch für Eltern mit divers-Eintrag

Frankfurt am Main, 14. April 2021 – Gemeinsam mit dem Ehepaar Tara und Tony E.* und ihrer Rechtsanwältin Friederike Boll hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) heute ihre Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main begründet. Das Amtsgericht hatte den Antrag als unzulässig abgewiesen, Tony E., eine Person mit dem Geschlechtseintrag „divers“, als Elternteil in die Geburtsurkunde der Tochter eintragen zu lassen. „Die Diskriminierung von queeren Familien muss endlich aufhören. Und dabei dürfen Menschen mit divers- und ohne Geschlechtseintrag nicht schon wieder vergessen werden“, sagt Lea Beckmann, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. „Dafür kämpfen wir jetzt zusammen mit Tara und Tony vor dem Oberlandesgericht Frankfurt weiter.“

Zuletzt hat das Oberlandesgericht Celle im GFF-Verfahren des lesbischen Ehepaares Gesa und Verena Akkermann und ihrer Tochter Paula entschieden, dass es die aktuelle Rechtslage für verfassungswidrig erachtet und den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Denn derzeit werden nur Ehemänner automatisch und unabhängig von einer genetischen Verwandtschaft als zweites Elternteil ihres Kindes eingetragen, Menschen anderen Geschlechts jedoch nicht.

Auch Tony E. wurde daher durch das Standesamt verweigert, als Elternteil eingetragen zu werden. Gegen diese Entscheidung wehrte sich die Familie im Februar 2020 mit einem Antrag an das Amtsgericht, das Standesamt anzuweisen, die Eintragung vorzunehmen. Um das Kind möglichst schnell rechtlich abzusichern, begann Tony E. darüber hinaus das Adoptionsverfahren. Nach dessen Erfolg stellte die Familie ihren Antrag um und beantragte die Feststellung, dass die ursprüngliche Weigerung des Standesamtes, Tony E.s Elternschaft einzutragen, rechtswidrig war. Diesen Antrag wies das Amtsgericht Frankfurt am Main als unzulässig zurück.

In seiner Begründung erklärte das Gericht, weil Tony E. nun durch Adoptionsbeschluss in der Geburtsurkunde stehe, sehe es keinen Anlass, darüber zu entscheiden, ob das Standesamt Tony E. schon bei der Geburt als Elternteil hätte anerkennen müssen. „Wir sind fassungslos. Das Gericht hat das Verfahren so lange herausgezögert, bis sogar die Adoption abgeschlossen war. Nun heißt es, wenn wir hätten klären wollen, ob das Standesamt Tony hätte eintragen müssen, dann hätte Tony nicht adoptieren dürfen“, sagt Tara E. „Das ist doch Erpressung, wir wollten schließlich unser Kind absichern. Wir lassen das nicht auf uns sitzen und hoffen, dass nach uns keine Familie in so eine Situation gerät.“

Die Auffassung des Amtsgerichts, durch die Adoption bestünde kein rechtlich schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung mehr, ist nicht haltbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bleibt das Interesse an einer gerichtlichen Klärung bestehen, wenn es um schwere Grundrechtseingriffe geht oder eine Wiederholung vermieden werden muss. Die Ungleichbehandlung von queeren Familien bei der Eltern-Kind-Zuordnung ist eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und nach Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verboten. Auch die Grundrechte der Familie auf besonderen Schutz von Ehe und Familie sowie auf Pflege und Erziehung aus Artikel 6 des Grundgesetzes werden verletzt. Zudem droht eine Wiederholung, sobald das Paar ein weiteres Kind bekommt.

„Das Amtsgericht hat alles getan, um das Grundgesetz nicht aufzuschlagen und eine rechtlich ausgesprochen angreifbare Lösung gewählt“, sagt Rechtsanwältin Friederike Boll, die das Ehepaar vor Gericht vertritt. „Wir sind zuversichtlich, dass das Oberlandesgericht Frankfurt die Entscheidung geraderückt. Die Diskriminierung von Familien, die nicht dem klassischen ‚Vater-Mutter-Kind‘-Bild entsprechen, verstößt gegen die Verfassung.“

Die Rechtsanwältin und GFF-Verfahrenskoordinatorin Lea Beckmann sowie nach Absprache Tara und Tony E. stehen für Gespräche zur Verfügung.

* Um die Familie vor Angriffen zu schützen, verwenden wir Pseudonyme.

Weitere Informationen zum Fall finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/elternschaft

Fragen und Antworten zur rechtlichen Anerkennung der Elternschaft bei queeren Ehepaaren finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/faq-elternschaft

Weitere O-Töne Familie E. zur Geburt ihrer Tochter und den weiteren Schritten finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/interview-familie-e

Bei An- und Rückfragen wenden Sie sich an:
Daniela Turß, presse@freiheitsrechte.org,
Tel. 030/549 08 10 55 oder 0175/610 2896

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