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Gleiche Rechte für alle Familien © Tara und Tony E, privat
gleiche Rechte und soziale Teilhabe
Art. 1, 2, 3, 6

Gleiche Rechte für alle Familien

Queere Ehepaare werden diskriminiert, wenn sie Kinder bekommen. Wir gehen für gleiche Rechte für alle Eltern und Kinder vor Gericht - und das mit ersten Erfolgen.

Die GFF klagt mit den Familien von Dr. Gesa C. Teichert-Akkermann und Verena Akkermann, Tara und Tony E. sowie Cristin G. und Catherine K. gegen die Diskriminierung queerer Familien. Ziel ist es zu erreichen, dass auch Kinder in Regenbogenfamilien bereits zum Zeitpunkt der Geburt ein zweites rechtliches Elternteil haben können. Die GFF arbeitet an diesen Verfahren in einer Allianz mit der Initiative Nodoption, die aus weiteren Familien besteht, die klagen. Im September 2022 hat die GFF gemeinsam mit nodoption und dem Paar Cristin G. und Catherine K. Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Soraia Da Costa Batista

Soraia Da Costa Batista

Juristin und Verfahrenskoordinatorin

„Wenn zwei Menschen sich gemeinsam für eine Schwangerschaft und ein Kind entscheiden, dann sind sie Eltern. Diese Elternschaft muss endlich rechtlich anerkannt und abgesichert werden – damit Kinder mit gleichen Rechten und Sicherheiten ins Leben starten, unabhängig davon, ob ihre Eltern heterosexuell, queer oder lesbisch sind.“

Die Ehepaare haben ein Kind bekommen und streiten vor Gericht dafür, dass nicht nur die leibliche Mutter, sondern auch ihr*e Ehepartner*in als Elternteil des Kindes in die Geburtsurkunde eingetragen wird. Die Standesämter verweigern dies beiden Paaren, weil die gesetzliche Regelung in § 1592 Nr. 1 BGB dem Wortlaut nach nur Ehemännern zugesteht, als “Väter” Elternteil ihres Kindes zu sein.
Die Tochter von Gesa und Verena Akkermann hat aus Sicht der Behörden nur ein Elternteil, weil das Ehepaar aus zwei Frauen besteht. Das Oberlandesgericht Celle hat ihre Klage im März 2021 dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Das Kind von Tara und Tony E. hat ebenfalls nur eine Mutter, weil Tony E. einen “divers”-Geschlechtseintrag hat. Ihr Verfahren ist noch beim Oberlandesgericht Frankfurt anhängig. Beide Familien werden auf Grund des Geschlechts eines*einer Ehepartner*in benachteiligt.

Gesetz benachteiligt nicht-heterosexuelle Eltern

Heterosexuelle Paare können innerhalb und außerhalb einer Ehe und unabhängig davon, ob ihr Kind biologisch von beiden Partner*innen abstammt, als Eltern in die Geburtsurkunde eingetragen werden. Gesetzlich ist die Eltern-Kind-Zuordnung so geregelt, dass ein Mann automatisch „Vater“ eines Kindes wird, wenn er zum Zeitpunkt der Geburt mit der „Mutter“ verheiratet ist (§ 1592 Nr. 1 BGB).

Nach der biologischen Abstammung wird nicht gefragt. Aus gutem Grund, denn Elternschaft kann eben auch die bewusste Entscheidung in einer Partnerschaft sein, das Kind, mit welchem die eine Person schwanger ist, gemeinsam groß zu ziehen – zum Beispiel nach einer Samenspende oder nach einem „Seitensprung“. Dennoch scheitert derzeit die Eintragung des zweiten Elternteils bei vielen Paaren aufgrund des Wortlauts der Regelung in § 1592 Nr. 1 BGB. Davon sind lesbische Paare betroffen, die zusammen Kinder großziehen, aber auch Menschen mit divers- oder ohne Geschlechtseintrag oder trans Männer werden rechtlich nicht immer als Eltern anerkannt.

Dies bedeutet, dass die Ehepartner*innen der Personen, die das gemeinsame Wunschkind zur Welt gebracht haben, es adoptieren müssen – ein unpassendes Verfahren, das sich oft über Jahre hinzieht. Dagegen wenden sich unsere Kläger*innen. Sie möchten erreichen, dass sie unter den gleichen Voraussetzungen wie Männer als Elternteile in das Geburtenregister eingetragen werden.

Adoptionsverfahren bedeuten Unsicherheit für die gesamte Familie

Das Adoptionsverfahren ist für die beiden Familien, die wir unterstützen, völlig unpassend. Hier wollen nicht Partner*innen das Kind einer alleinerziehenden Person als „Stiefkind“ adoptieren, sondern Ehepaare haben gemeinsame Familienplanung betrieben, zusammen eine Schwangerschaft durchgestanden und ein Kind zur Welt gebracht. In einem Adoptionsverfahren überprüfen Gericht und Jugendamt unter anderem die Bindung zum Kind, die Vermögenssituation und den Gesundheitszustand der Ehepartner*in, die das Kind adoptieren möchte. Oft beginnen Jugendämter mit der Überprüfung erst nach einem Jahr, weil sie davon ausgehen, dass erst ab diesem Zeitpunkt überhaupt eine Bindung zum Kind nachweisbar ist.

Für Eltern, die ihr Kind als gemeinsames Wunschkind aufziehen, ist das Adoptionsverfahren eine Zeit des Bangens. Im rechtlichen Sinne hat das Kind nur ein Elternteil – also auch keine Unterhaltsansprüche oder erbrechtlichen Ansprüche gegenüber dem zweiten Elternteil. Das Kind wäre sogar Vollwaise, wenn dem einen Elternteil, das rechtlich bereits anerkannt ist, etwas zustößt. Diese Unsicherheiten wollen die klagenden Familien nicht hinnehmen.

Benachteiligung der von der GFF unterstützten Familien ist verfassungswidrig

Die Benachteiligung der beiden Familien, die wir unterstützen, verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG. Denn Diskriminierung wegen des Geschlechts ist verboten. Die Benachteiligung von Ehepartner*innen, nur weil sie keine Männer sind, ist deshalb unzulässig. Unsere Rechtsordnung erkennt die Ehe für Alle an, und sie erkennt an, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Diese Entscheidungen müssen konsequent durchgesetzt und den betreffenden Familien Schutz und Rechtssicherheit gewährt werden.

Auch das häufig vorgebrachte Argument, dass Kinder in nicht-heterosexuellen Familienkonstellationen nicht von beiden abstammen, rechtfertigt die Benachteiligung nicht. Denn die biologische Abstammung wird bei Männern, die als „Väter“ ihres Kindes eingetragen werden, aus gutem Grund gar nicht überprüft. So kann sich auch ein heterosexuelles Paar z.B. für eine Samenspende entscheiden. Zudem gibt es auch Familien, in denen die Elternschaft eines*einer Partner*in nicht anerkannt wird, obwohl das Kind sehr wohl von beiden Eltern abstammt, zum Beispiel, wenn das zweite Elternteil Samengeber ist, aber entsprechend der Geschlechtsidentität keinen männlichen Personenstand hat.

Daneben verstößt die fehlende Anerkennung der zweiten Elternteile auch gegen die Grundrechte auf besonderen Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG und auf elterliche Pflege und Erziehung nach Art. 6 Abs. 2 GG. Denn den beiden Eltern, aber auch dem Kind werden rechtliche Absicherungen und Schutz vorenthalten, die unsere Rechtsordnung eigentlich für Familien vorsieht.

"Unsere Pläne waren stets von der traurigen und belastenden Tatsache überschattet, dass wir nie dieselben Rechte haben würden, die für andere Ehepaare selbstverständlich sind."
Tony und Tara E.

Gleiche Rechte für alle Eltern gerichtlich durchsetzen

Zurzeit verweigern Standesämter und Gerichte die Eintragung des zweiten Elternteils, wenn es sich nicht um Männer handelt. Reformvorschläge der Grünen und im Bundesjustizministerium sind in der letzten Legislaturperiode gescheitert. Sie hatten sich leider ausschließlich mit der doppelten Mutterschaft befasst – und hätten die Diskriminierung damit nicht für alle betroffenen Personengruppen beendet. Deshalb begleiten wir zwei Familien stellvertretend für all die anderen Familien nun zum Bundesverfassungsgericht.

nodoption Logo


Die GFF arbeitet an dem Verfahren in einer Allianz mit der Initiative Nodoption. Diese begleitet weitere Familien und Fallkonstellationen bei strategischen Klagen vor Gericht. Diese Fälle, die wir und die Initiative begleiten, zeigen auf, wie Familien derzeit bei der Anerkennung der Elternschaft diskriminiert werden. Vielfältige Familienkonstellationen prägen unsere Gesellschaft. Etwa 14.000 Kinder wachsen in Deutschland mit nicht-heterosexuellen Eltern auf. Unsere Verfahren stehen insofern beispielhaft für unzählige benachteiligte Familien. Wir unterstützen die Kläger*innen bei ihrem Kampf gegen diesen Missstand – gemeinsam mit den Rechtsanwältinnen Friederike Boll und Lucy Chebout.

Cristin G. und Catherine K.

Cristin G. und Catherine K. hatten sich für eine private Samenspende entschieden. Im März 2020 brachte Catherine dann das gemeinsame Kind Mischa zur Welt. Bereits im selben Jahr zog das Paar vor Gericht, um ihr Kind rechtlich abzusichern. Denn anders als bei einem heterosexuellen Paar wurde Cristin nicht automatisch als zweites Elternteil in die Geburtsurkunde eingetragen. Der Versuch, ihre Elternschaft gerichtlich feststellen zu lassen, blieb erfolglos. Am 26. Juli 2022 wies das Berliner Kammergericht den Antrag der Familie zurück (Az. 3 UF 30/21). Das Gericht argumentiert, dass die bei „offiziellen“ Samenspenden angewendete Sonderregel (§ 1600d Abs, 4BGB) nicht bei privaten Samenspenden greife, da bei diesen eine Feststellung des Vaters möglich sei. Im September 2022 zog die Familie gemeinsam mit der GFF und der Initiative nodoption vor das Bundesverfassungsgericht. Cristin G., Catherine K. und ihr Kind werden vor Gericht vertreten von Rechtsanwältin Lucy Chebout, Prof. Dr. Anne Sanders und Dr. Dana Valentiner.

Verena Akkermann und Dr. Gesa C. Teichert-Akkermann

Die Berliner Rechtsanwältin Lucy Chebout vertritt Verena Akkermann und Dr. Gesa C. Teichert-Akkermann, nachdem das Paar am 15. Januar 2020 eigenständig vor das Familiengericht in Hildesheim gegangen waren. Ihre Tochter Paula kam am 13. Februar 2020 zur Welt. Sie haben in einem personenstandsrechtlichen Verfahren vor dem Familiengericht in Hannover beantragt, das zuständige Standesamt zu verpflichten, eine richtige Geburtsurkunde mit beiden Elternteilen für Paula auszustellen. Das AG Hannover hat diesen Antrag mit Beschluss vom 22. Juli 2020 abgelehnt (Az. 85 III 21/20). Außerdem haben sie in einem familiengerichtlichen Verfahren die Feststellung beantragt, dass Verena Akkermann rechtlich zweiter Elternteil von Paula ist. Das Amtsgericht Hildesheim hat ihren diesbezüglichen Antrag mit Beschluss vom 3. Juli 2020 ebenfalls abgewiesen (Az: NZS 67 IV 3/20). Beide Verfahren wurden in der zweiten Instanz beim Oberlandesgericht (OLG) Celle zusammengeführt, das am 13. Januar 2021 einen Erörterungstermin durchführte (21 UF 146/20, 21 W 8/20). Am 24. März 2021 schloss sich das Oberlandesgericht Celle unserer Auffassung an: Das derzeitige Abstammungsrecht ist verfassungswidrig. Das Oberlandesgericht setzte deshalb das Verfahren aus und legt den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgericht kann es jedoch noch dauern.

Tara und Tony E.

Tara und Tony E.* werden durch die Rechtsanwältin Friederike Boll von der Frankfurter Kanzlei geRechtsanwältinnen vertreten. Nachdem Tony E. vom zuständigen Standesamt nicht als zweiter Elternteil in die Geburtsurkunde von Tochter B. eingetragen wurde, beantragte die Familie im Februar 2020 beim Amtsgericht Frankfurt am Main, das Standesamt anzuweisen, die Eintragung vorzunehmen. Um das Kind möglichst schnell rechtlich abzusichern, begann Tony E. darüber hinaus das Adoptionsverfahren. Nach dessen Erfolg stellte die Familie ihren Antrag um und beantragte vor dem Amtsgericht die Feststellung, dass die ursprüngliche Weigerung des Standesamtes, Tony E.s Elternschaft einzutragen, rechtswidrig war. Diesen Antrag wies das Amtsgericht Frankfurt am Main im Februar 2021 als unzulässig zurück. Im April 2021 begründete die Familie ihre Beschwerde gegen diese Entscheidung. Die Auffassung des Amtsgerichts, durch die erfolgreiche Adoption bestünde kein rechtlich schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung mehr, ist nicht haltbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bleibt das Interesse an einer gerichtlichen Klärung bestehen, wenn es um schwere Grundrechtseingriffe geht oder eine Wiederholung vermieden werden muss. Nunmehr steht die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aus.

* Um die Familie vor Angriffen zu schützen, verwenden wir Pseudonyme.

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