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Demokratisches Zentrum Ludwigsburg Megaphon von geralt, lizensiert unter Pixabay License
Demokratie und Grundrechte
Art. 5, 20

Demokratisches Zentrum Ludwigsburg

Dem demokratischen Zentrum Ludwigsburg (DemoZ) wurde die Gemeinnützigkeit entzogen. Wir haben gemeinsam Einspruch eingelegt.

Die GFF unterstützt das Demokratische Zentrum Ludwigsburg, dem die Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Der lokal verankerte Verein „DemoZ“ bietet ein umfassendes Kultur- und Bildungsprogramm an und schafft Raum für politische Diskussionen. Dabei positioniert er sich gegen Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit, Homophobie und andere Formen der Menschenfeindlichkeit. Das Finanzamt Ludwigsburg wirft dem Verein mangelnde “geistige Offenheit” vor. Nach dreijährigem Rechtstreit mit dem Finanzamt hat das DemoZ die Gemeinnützigkeit zumindest ab September 2022 zurückerhalten. Die zentrale Frage, inwieweit sich Vereine politisch betätigen dürfen, blieb offen.
Sarah Lincoln, Verfahrenskoordinatorin

Sarah Lincoln

Juristin und Verfahrenskoordinatorin

"Das Finanzamt hat ein viel zu enges Verständnis von politischer Bildung. Politische Bildung muss überparteilich sein, aber nicht wertneutral. Eine lebendige Demokratie braucht diese Räume gesellschaftspolitischer Debatten."
HALTUNG BLEIBT GEMEINNÜTZIG - DEMOZ KLAGT GEGEN FINANZAMT

Politische Bildung nicht ohne politische Grundsätze

Im DemoZ in Ludwigsburg finden sich seit über 40 Jahren interessierte Menschen zu vielfältigen Anlässen und Angeboten zusammen. Zum Kunst- und Kulturprogramm gehören Konzerte, Kabarettabende, Ausstellungen und Lesungen sowie regelmäßige Angebote wie das offene Aktzeichnen, die Tanz- und Theatergruppe oder Trommelworkshops. Zudem finden politische Informationsveranstaltungen und Workshops zu verschiedensten Themen statt, vom nachhaltigen Umgang mit Ressourcen bis hin zum Verhalten auf Demos. “Für das kulturelle Leben in der Stadt ist ein vielfältiges, für alle zugängliches Programm entscheidend. Dazu trägt das DemoZ durch das meist kostenlose Programm bei,“ erklärt Yvonne Kratz, Vorstandsmitglied des DemoZ.

Das Zentrum schließt Personen von seinen Aktivitäten aus, die „rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen“ aufgefallen sind. Eine entsprechende Klausel findet sich auf der Website des DemoZ. Dort stellt es auch klar: „Wir sind parteienunabhängig und positionieren uns trotzdem, oder gerade deshalb, politisch.“

Gemeinnützigkeit des DemoZ drei Jahre entzogen

Im Oktober 2019 entzog das Finanzamt Ludwigsburg dem DemoZ die Gemeinnützigkeit. Es sprach dem DemoZ die „geistige Offenheit“ in der Bildungsarbeit ab, die sich dem Finanzamt zufolge in der politischen Positionierung des Zentrums ausdrückt. Die Ausschlussklausel des DemoZ zeige außerdem, dass der Verein nicht, wie in der Abgabenordnung gefordert, der Allgemeinheit diene. Den Einspruch, den das DemoZ mit Unterstützung der GFF einreichte, ließ das Finanzamt mehr als zwei Jahre unbearbeitet. Erst nach Klageerhebung lenkte das Finanzamt ein und gab dem DemoZ ab September 2022 den Gemeinnützigkeitsstatus zurück. Die zentrale Frage, inwieweit sich das DemoZ gegen Rechts engagieren oder sich kritisch mit den Folgen des Kapitalismus auseinandersetzen darf, blieb in diesem Verfahren ungeklärt. Vielmehr zog sich das Finanzamt auf wenige formale Kritikpunkte zurück. In einer Vereinbarung mit dem Finanzamt hat das DemoZ sich insbesondere verpflichtet, bei Raumüberlassungen an externe Gruppen zusätzlich zur bislang schon erhobenen Raummiete künftig auch für die Werbung im Veranstaltungskalender eine Gebühr zu erheben.

Für die Vergangenheit erhielt das DemoZ die Gemeinnützigkeit nicht zurück. Dadurch hat das DemoZ etwa 12.000 Euro Landesförderung verloren. Der Rechtsstreit mit dem Finanzamt und die jahrelange Rechtsunsicherheit hat die ehrenamtlich Aktiven im DemoZ zudem wahnsinnig viel Zeit und Nerven gekostet.

„Politische Bildung“ durch Attac-Urteil entpolitisiert

Das Finanzamt Ludwigsburg stützte den Entzug der Gemeinnützigkeit auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Januar 2019. Darin vertritt der BFH mit Bezug auf die globalisierungskritische Organisation Attac die Ansicht, dass diese mit ihrer Tätigkeit politische Zwecke verfolge und daher nicht gemeinnützig sei. Bei der Grenzziehung zwischen gemeinnützigen Vereinen und politischen Parteien schießt der Bundesfinanzhof dabei weit übers Ziel hinaus: Er spricht politischem Engagement in Form von politischer Einflussnahme den Bildungscharakter ab. Politische Bildung sei nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung gezielt zu beeinflussen.

In Ludwigsburg hat das Finanzamt diese restriktive BFH-Rechtsprechung einseitig zulasten des DemoZ interpretiert. Dabei übersah es, dass das DemoZ keinen Einfluss auf das konkrete politische Geschehen nimmt. Lobbyarbeit gehört nicht zum Tätigkeitsfeld. Vielmehr störte sich das Finanzamt an der politischen Haltung des DemoZ. Doch eine gänzlich haltungsfreie Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen ist kaum möglich. Zu einem offenen demokratischen Diskurs gehört auch, dass sich Akteur*innen der Zivilgesellschaft mit bestehenden Verhältnissen kritisch auseinandersetzen und politische Positionen entwickeln.

Gesetzliche Klarstellung dringend notwendig

Kleine, lokal tätige Initiativen leisten einen unverzichtbaren Beitrag in einer lebendigen Demokratie. Die offizielle Anerkennung als „gemeinnützig“ ist für solche Organisationen von essentieller Bedeutung – sowohl für ihre Finanzierung über Spenden, Projektförderungen und staatliche Zuschüsse als auch für ihre öffentliche Wahrnehmung.

Das ohnehin problematische Urteil des BFH darf nicht in eine Praxis der Finanzämter münden, in der Überparteilichkeit generell mit Wertneutralität gleichsetzt wird. Der Fall vom DemoZ zeigt, dass eine Reform des Gemeinnützigkeitsrecht dringend notwendig bleibt. Auch die kürzlich erlassenen Änderungen des Anwendungserlasses der Abgabenordnung, auf die sich die Finanzministerien von Bund und Ländern geeinigt hatten, bringen keine Klarheit. Die Verwaltungsvorschrift übernimmt lediglich das von der BFH-Rechtsprechung entwickelte Kriterium der „geistigen Offenheit“ ohne weitere Erläuterung. Der Gesetzgeber sollte daher, wie im Koalitionsvertrag, versprochen, zeitnah tätig werden und ein modernes Verständnis von politischer Bildung im Gesetz verankern. Wir haben in unserem Gesetzentwurf eine Formulierung dazu vorgeschlagen.

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