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Automatisierte Passbildabfrage Biometrie von geralt, lizensiert unter Pixabay Licence
Freiheit im digitalen Zeitalter
Art. 1, 2

Automatisierte Passbildabfrage

Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste dürfen auch ohne konkreten Anlass automatisiert Passbilder abrufen. Wir haben Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht reagierte mit einer Nichtannahmentscheidung.

GFF erhebt Verfassungsbeschwerde gegen automatisierte Abfrage biometrischer Lichtbilder.
Bijan Moini

Bijan Moini

Leiter des Legal Teams und Syndikus

"Biometrische Passbilder sind sehr sensible Daten, die allenfalls zur Verfolgung oder Verhinderung ganz konkreter Straftaten zur Verfügung gestellt werden sollten."

Die GFF hat am 14. Juli 2018 Verfassungsbeschwerde erhoben gegen die Befugnis diverser Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste, auch ohne konkreten Anlass automatisiert biometrische Passbilder abzurufen. Dies verletzt das Grundrecht aller Bürger*innen auf informationelle Selbstbestimmung. Beschwerdeführer*innen sind die Berliner Rechtsanwältin und ehemalige Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, Halina Wawzyniak, die Investigativjournalisten des Blogs netzpolitik.org Markus Beckedahl und Andre Meister, sowie der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam.

Biometrische Lichtbilder enthalten hochsensible Informationen

Die 2017 beschlossenen Änderungen des Personalausweis- und des Passgesetzes vereinfachen den automatisierten Abruf von Passbildern und lassen ihn zudem für eine Reihe bisher nicht beteiligter Behörden zu. Die in biometrischen Lichtbildern enthaltenen Informationen erlauben eine hochakkurate Erkennung und sind daher ähnlich sensibel wie genetische Informationen oder Gesundheitsdaten. Um dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Genüge zu tun, enthält das Personalausweisgesetz daher ein Verbot bundesweiter biometrischer Datenbanken. Passbilder sind ausschließlich in den Datenbanken der Ausweis- und Passbehörden gespeichert. Andere staatliche Stellen erhielten diese Daten ursprünglich nur auf Ersuchen und zu einem konkreten Zweck, etwa der Verfolgung einer Straftat.

Mit der Gesetzesänderung hängt das Verfahren nicht länger von der Prüfung durch die Ausweis- und Passbehörden ab und ist nicht mehr an einen konkreten Zweck gekoppelt, sondern lediglich an die Erfüllung der eigenen Aufgaben der abrufenden Behörde; diese Aufgaben können aber etwa im Falle der Geheimdienste sehr weit reichen. Zudem ist das Verfahren für zuvor nicht beteiligte Behörden geöffnet, darunter die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst. Diese Befugnisse kommen funktional einer bundesweiten Datenbank für biometrische Merkmale gleich.

Dass die Nachrichtendienste und andere Behörden nunmehr ohne konkreten Verdacht Passbilder von jedermann abrufen und verarbeiten dürfen, ist völlig unverhältnismäßig und in dieser Form neu.
Bijan Moini, Leiter des Legal Teams und Syndikus

Dem Staat die rechtlichen Schranken zeigen

Die GFF sieht in diesem Umgang des Staats mit persönlichen Daten einen Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die potentiell massenweise Erhebung, Speicherung und Verwendung der biometrischen Daten von Personen, die dazu keinen Anlass gegeben haben, ist in Verbindung mit den entsprechenden Auswertungstechnologien ein erster Schritt hin zur umfassenden Überwachung der Bürger*innen. Techniken zur automatisieren Gesichtserkennung entwickeln sich rasant und können sowohl Einzelne in Menschenmengen identifizieren, als auch individuelle Eigenschaften wie Alter und Geschlecht aus Bildern ablesen.

Hoch problematisch ist auch die Ermächtigung der Nachrichtendienste, die aufgrund ihrer Aufgaben kaum transparent agieren und mit ausländischen Partnerdiensten zusammenarbeiten. Für die Bürger*innen ist damit nicht mehr nachvollziehbar, wer alles Zugriff auf ihre biometrischen Daten hat. Eine solche Entwicklung hin zum „gläsernen Bürger“ ist mit dem demokratischen Rechtsstaat unvereinbar.

Wir haben deshalb Verfassungsbeschwerde eingereicht, für die wir eine finanzielle Förderung des Digital Freedom Fund erhalten haben. RA Peer Stolle vertritt die Beschwerdeführer*innen vor dem Bundesverfassungsgericht; die GFF wurde in dem Verfahren von RA Benjamin Derin beraten.

Das Bundesverfassungsgericht reagierte jedoch mit einer Nichtannahmentscheidung und forderte die Rechtswegserschöpfung. Aktuell kann das Verfahren wegen des langwierigen Dauer und risikoträchtigen Erfolgschancen nicht fortgesetzt werden.

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