FAQ Automatisierte Passbildabfrage
1. Gegen welches Gesetz richtet sich die Klage?
Gegen die Änderungen des Gesetzes über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis (PAuswG) sowie des Passgesetzes (PassG). Diese ermöglichen es diversen Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten, biometrische Lichtbilder aus den Datenbanken der Personalausweis- und Passbehörden automatisiert abzufragen. Die Änderungen des PAuswG und des PassG wurden am 7.7.2017 beschlossen und traten am 15.7.2017 in Kraft.
2. Wem verleiht das Gesetz neue Befugnisse?
Diversen Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten, darunter die Polizei- und Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst.
3. Welche neuen Befugnisse erhalten die Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste durch das Gesetz?
Die Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste erhalten durch das Gesetz die Möglichkeit, ohne konkreten Anlass automatisiert biometrische Passbilder abzurufen. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die jeweilige Behörde im Rahmen der Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben handelt.
4. Wann handelt eine Behörde im Rahmen der „Erfüllung der eigenen Aufgaben“?
Vor allem im Bereich der Nachrichtendienste ist das Aufgabenspektrum sehr weit gefasst. So heißt es etwa zum BND in § 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG: „Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus.“ Der BND kann also biometrische Lichtbilder massenweise abrufen, wenn er das für „erforderlich“ hält. Ähnlich allgemein formuliert sind die Aufgabenbereiche anderer Geheimdienste.
5. Was sind biometrische Lichtbilder?
Unter Biometrie ist die automatisierte Identifizierung von Personen anhand körperlicher Merkmale zu verstehen. Die hierfür zu erhebenden physiologischen Charakteristika erlauben eine hochakkurate, automatisierte Erkennung und sind aufgrund der vielfältigen in ihnen enthaltenen Informationen als besonders sensibel zu bewerten – vergleichbar mit genetischen Informationen oder Gesundheitsdaten.
6. Wen betrifft das Gesetz?
Grundsätzlich kann von der automatisierten Passbildabfrage jeder betroffen sein. Mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit betroffen sind Personen wie Journalist*innen, Politiker*innen und andere Berufsgeheimnisträger, wenn sie sich aus beruflichen Gründen im Umfeld einer beobachteten Zielperson, Organisation oder Szene bewegen und dadurch selbst für die Sicherheitsbehörden interessant werden.
7. Warum ist das Gesetz problematisch?
Bei biometrischen Lichtbildern handelt es sich um besonders sensible Daten, da sie eine hochakkurate Erkennung ermöglichen und daher ähnlich schutzbedürftig wie genetische Informationen oder Gesundheitsdaten sind. Ein automatisierter, unkontrollierter und kaum eingegrenzter Zugriff von Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten auf biometrische Lichtbilder verletzt daher das Recht auf informationelle Selbstbestimmung all derjenigen, die von der Abfrage betroffen sind. Die Erhebung, Speicherung und Verwendung biometrischer Daten kann in Verbindung mit den entsprechenden Auswertungstechnologien, wie etwa Techniken zur automatisierten Gesichtserkennung, zur umfassenden Überwachung genutzt werden. Problematisch ist insbesondere die Ermächtigung der Nachrichtendienste, deren Arbeit intransparent ist und die mit ausländischen Partnerdiensten kooperieren. Für die Bürger*innen ist damit kaum mehr nachvollziehbar, wer Zugriff auf die biometrischen Datenbestände hat. Zudem haben die Personengruppen, die mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit betroffen sind (s. à 6.) wie Journalist*innen und andere Berufsgeheimnisträger, eine besondere Bedeutung für eine funktionierende Demokratie. Die automatisierte Passbildfrage, möglicherweise in Kombination mit Überwachungstechniken, ist geeignet, sie in ihrem Handeln erheblich einzuschränken und eine einschüchternde Wirkung zu entfalten.
8. Warum klagt die GFF vor dem Bundesverfassungsgericht?
Die Verfassungsbeschwerde ist der einzige Weg, um ein Gesetz direkt anzugreifen. Das ist im Falle der Änderungen des PAuswG und des PassG notwendig, weil die automatisierte Abfrage von Passbildern im Geheimen erfolgt. Betroffene werden also im Normalfall nicht davon erfahren und damit auch nicht die Möglichkeit haben, gegen eine konkrete Überwachungsmaßnahme vorzugehen.
9. Wie sind die Erfolgsaussichten?
Statistisch sind die Erfolgsaussichten von Verfassungsbeschwerden zwar gering. Gleichwohl sprechen viele gute Gründe für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelungen, insbesondere unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die GFF hat zudem vier Kläger*innen für ihr Verfahren gewonnen, an denen die drastischen Folgen des Gesetzes besonders anschaulich deutlich werden. Daher rechnen wir uns insgesamt gute Chancen auf einen Erfolg in Karlsruhe aus.
10. Was würde im Erfolgsfall passieren?
Ziel der Klage ist es, die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes feststellen zu lassen. Damit soll der Gesetzgeber gezwungen werden, es zu überarbeiten und insbesondere auch Journalist*innen, Politiker*innen und andere Berufsgeheimnisträger besser zu schützen. Das Bundesverfassungsgericht hat verschiedene Möglichkeiten, mit einem verfassungswidrigen Gesetz umzugehen. Im besten Fall verwirft das Gericht das Gesetz in seiner aktuellen Fassung und macht dem Gesetzgeber Vorgaben für eine verfassungskonforme Neugestaltung. Das wäre ein bedeutender strategischer Erfolg, der letztlich auch das Vertrauen in aktive und unabhängige Geheimdienstkontrolle stärkt.