Chatkontrolle bei Facebook
Die GFF hat Klage gegen Meta erhoben, da das Unternehmen automatisiert Messenger-Nachrichten von Nutzer*innen auf Facebook scannt. Damit verletzt Meta nicht nur die Privatsphäre, sondern auch das Grundrecht, über eigene Daten zu bestimmen.
Ein Großteil unserer digitalen Kommunikation findet mittlerweile über Messenger von Social Media Plattformen statt. Über diese Chatfunktion werden Geburtstagsgrüße und Urlaubsfotos verschickt. Menschen nutzen die Messenger-Dienste aber auch dafür, besonders sensible und persönliche Informationen mit anderen Menschen zu teilen. So auch unser Kläger Marcel Schneider (Name geändert).
Schneider hat in der Vergangenheit Missbrauch erfahren. Über den Facebook Messenger kann er sich dazu aber nicht austauschen, auch wenn das für ihn der einfachste oder einzige Weg ist. Andernfalls läuft er Gefahr, dass sein Austausch Dritten offenbart wird. Fälle wie dieser zeigen, warum eine vertrauliche Kommunikation unerlässlich ist.
Europaparlament ringt um Chatkontrolle
Aktuell wird im Europaparlament über den Vorschlag einer sogenannten verpflichtenden Chatkontrolle diskutiert. Diese Verordnung wird – neben vielen weiteren äußerst problematischen Regelungen – Plattformen dazu verpflichten, anlasslos und flächendeckend private Nachrichten auf Messenger-Diensten zu scannen, um so sexuelle Gewalt gegen Kinder zu bekämpfen. Expert*innen, Aktivist*innen und NGOs, darunter auch die GFF, warnen vor den Folgen dieser anlasslosen Massenüberwachung und schätzen ihren Nutzen für den Schutz von Kindern als sehr gering ein.
Digitalunternehmen scannen jedoch schon jetzt private Kommunikation und stützen sich dabei auf eine Übergangsverordnung. Auch diese soll es ermöglichen, „Child Sexual Abuse Material („CSAM“, dt. Material über sexuellen Kindesmissbrauch) zu unterbinden. Social-Media-Plattformen wie Facebook stützten sich auf eben diese Regel, um ihre anlasslose Massenüberwachung zu legitimieren. Was steckt hinter der Ausnahmeregel?
Ausnahmeregel als Grundlage für Massenüberwachung?
Die e-privacy-Richtlinie und der untersagten es Anbieter*innen privater Kommunikation zunächst, die Kommunikation ihrer Nutzer*innen auf CSAM zu durchscannen. Nach vermehrter Kritik, unter anderem aus Polizeibehörden, erließ die EU eine für drei Jahre gültige Ausnahmeregel.
Zwar gibt es aktuell keine Verpflichtung, die auf Messenger-Diensten ausgetauschten Nachrichten zu durchsuchen. Faktisch findet eine flächendeckende Überwachung der gesamten privaten Kommunikation von Nutzer*innen aber bereits statt.
Grundrechtecharta wird verletzt
Mit unserem Verfahren wollen wir die Rechtmäßigkeit dieser Ausnahmeregelung und damit auch der geplanten Chatkontrolle gerichtlich prüfen lassen. Denn aus Sicht der GFF ist die aktuell angewandte Regel nicht mit der Grundrechtecharte vereinbar. Insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 7 der Charta), das Recht auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 der Charta) und die Freiheit, Informationen ohne behördliche Eingriffe zu empfangen und weiterzugeben (Art. 11 der Charta) sind in Gefahr.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch die ehemalige Richterin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Prof. Ninon Colneric. In ihrem Gutachten argumentiert sie, dass bereits die jetzigen Möglichkeiten zur Chatkontrolle gegen die Charta-Grundrechte verstoßen. Dabei stützt sie sich maßgeblich auf die Rechtsprechung des EuGHs zur Vorratsdatenspeicherung.
Da die neue Verordnung in ihrer Wirkung noch weit über die bisherige Scanpraxis hinausgeht und insbesondere auch verschlüsselte Kommunikation gescannt werden soll, verstößt diese erst recht gegen die Grundrechtecharte.
Mit unserer Klage soll Meta verpflichtet werden, die Kommunikation des Klägers zukünftig nicht mehr ohne Anlass zu scannen. Die GFF zielt über den konkreten Fall hinaus auf ein Urteil ab, das die (Grund-)Rechtswidrigkeit anlassloser Chatkontrollen insgesamt feststellt. Unterstützt wird die Klage von unseren Kooperationsanwält*innen Dr. David Albrecht und Lisa Engelbrecht.