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Das Ende privater Kommunikation? GFF klagt gegen das automatisierte Scannen von Messenger-Nachrichten durch Facebook

Berlin, 20. Juli 2023 - Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) erhebt heute gemeinsam mit einem Facebook-Nutzer vor dem Amtsgericht Passau Klage gegen Meta. Das Unternehmen scannt automatisiert die von Nutzer*innen verschickten Messenger-Nachrichten. Dafür beruft es sich auf eine europäische Übergangsverordnung, die für einen Zeitraum von drei Jahren Ausnahmen von der e-Privacy-Richtlinie regelt. Die Klage ist von besonderer Relevanz, weil auf europäischer Ebene derzeit darüber gestritten wird, eine erweiterte Chatkontrolle einzuführen, die Unternehmen verpflichtet, sämtliche Online-Kommunikation zur Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen zu scannen. Eine solche Verpflichtung von Plattformen, private Chats faktisch anlasslos mitzulesen, würde das Ende verschlüsselter Kommunikation bedeuten. Mit der Klage soll Meta zum einen verpflichtet werden, die Kommunikation des Klägers zukünftig nicht mehr automatisch zu scannen. Zum anderen zielt die GFF über den konkreten Fall hinaus auf ein Urteil ab, das die (Grund-)Rechtswidrigkeit anlassloser Chatkontrollen insgesamt feststellt.

Digitale Kommunikation findet heute größtenteils über private Dienste statt – durch soziale Netzwerke oder über E-Mail. Wer sie nutzt, muss sich darauf verlassen können, dass die Inhalte vertraulich bleiben. Denn der private Austausch ist ein Recht von elementarer Bedeutung, analog wie digital. „Wenigen Personen ist bewusst, dass ihre Kommunikation über Messenger bereits jetzt überwacht werden kann, ohne dass sie dazu Anlass gegeben haben. Gerade über die Chatfunktion sozialer Netzwerke teilen wir schnell unsere intimsten Gedanken. Sie müssen vor den Blicken Dritter sicher sein“, sagt Jürgen Bering, Verfahrenskoordinator und Jurist bei der GFF.

Die von Meta durchgeführten automatisierten Chatkontrollen stehen nicht nur im Widerspruch zur Europäischen Datenschutzgrundverordnung, sie verletzen auch die Privatsphäre. Die intransparente Verarbeitung und Nutzung von Daten durch Dritte verstoßen insbesondere gegen das Grundrecht, über die eigenen Daten zu bestimmen. Daran ändert auch die „Automatisierung“ der Kontrollen nichts: Momentan ist die Fehlerrate der Software, die Missbrauchsdarstellungen erkennen soll, so hoch, dass zusätzlich stets Menschen das Ergebnis weiterleiten und überprüfen müssen. Diese Personen nehmen dabei unweigerlich Kenntnis vom persönlichen Inhalt der Nachrichten. Das betrifft häufig auch einvernehmlich geteilte Nacktaufnahmen, die das System fehlerhaft einordnet.

Dem Kläger Marcel Schneider (Name geändert), selbst Betroffener von sexualisierter Gewalt, ist es gerade aufgrund dieser Erfahrung wichtig, sich auf die Vertraulichkeit seiner Kommunikation verlassen zu können: „Ich hatte gehofft, dass Facebook für mich ein Ort ist, an dem ich mich mit Menschen austauschen kann, die Ähnliches erlebt haben wie ich. Aber wie soll das gehen, wenn private Nachrichten jederzeit mitgelesen werden?“

Besondere Relevanz hat die Vertraulichkeit der Kommunikation auch für Berufsgeheimnisträger*innen wie Anwält*innen. Ausnahmen sieht die Verordnung aber nicht vor, wie die Kooperationsanwält*innen Dr. David Albrecht und Lisa Engelbrecht, die den Kläger vor Gericht vertreten, betonen: „Mit der geplanten Verordnung würde das Mandatsgeheimnis in vielen Bereichen aufgehoben. Wenn etwa per E-Mail oder über Cloud-Server übermittelte Daten nach vermeintlich verdächtigen Inhalten durchsucht werden, ist insbesondere für Betroffene von Missbrauchstaten und beschuldigte Personen eine vertrauliche Kommunikation mit ihren Rechtsbeiständen nicht mehr möglich. Das ist in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar.“

Weitere Informationen zur Chatkontrolle-Verordnung finden Sie unter: https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/chatkontrolle_facebook

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55

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