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Überwachung rechtsstaatlich einhegen

Das Bundesverfassungsgericht verhandelte am 14. und 15. Januar 2020 unsere Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz. Im Raum standen sehr große Fragen.

Wenige Stunden nach Beginn des zweiten Verhandlungstages merkte Bundesverfassungsrichterin Baer verärgert an, dass sie den Bundesnachrichtendienst (BND) nicht ohne Grund seit zwei Tagen mit Detailfragen löchere. Anlass war, dass der BND dem Gericht ein wesentliches Dokument nicht vorab zur Verfügung gestellt hatte. Nun, so Baer, müsste sie ins Blaue hinein fragen. Die Verhandlung unserer Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz hat uns allen noch einmal verdeutlicht, wie schwierig es ist, einen Geheimdienst rechtsstaatlich einzuhegen – und wie wichtig es ist, dass wir genau das versuchen.

Grundrechtsbindung des Bundesnachrichtendiensts im Ausland

Schon am ersten Verhandlungstag ging es vor dem Gericht ums Ganze, nämlich darum, wo überall und für wen die im Grundgesetz verbrieften Grundrechte gelten. Die Bundesregierung beharrte auf dem Standpunkt, dass der BND als deutsche Behörde zwar an das Grundgesetz gebunden sei, aber nicht gegenüber Nicht-Deutschen im Ausland. Das Gericht zeigte sich wenig überzeugt von dieser Argumentation, und eine Frage von Richter Paulus hallte noch länger im Saal nach: „Ist es vorstellbar, dass die Menschenwürde für die Auslandstätigkeiten des BND nicht gilt?“

Ein Geheimdienst im Kreuzverhör

Vor allem haben wir vor Ort erlebt, wie unsere Verfassungsbeschwerde den BND in Bedrängnis bringt: Der notorisch undurchsichtige Geheimdienst musste sich den Fragen und Bedenken des höchsten deutschen Gerichts stellen. Er musste interne Prozesse erklären wie selten zuvor. Und er musste auf die vielen guten Nachfragen und Argumente von unseren Verfahrensbevollmächtigten Prof. Dr. Matthias Bäcker und Dr. Bijan Moini reagieren. Das gewährte unschätzbare Einblicke in einen Geheimdienst, der offenbar auch selbst Lücken im BND-Gesetz erkannt und in der Praxis – allerdings unzulänglich – zu schließen versucht hatte.

Das Bundesverfassungsgericht wiederum hat uns alle mit seinen genauen, geradezu akribischen Fragen beeindruckt. Die Richter*innen wollten bis ins kleinste technische Detail verstehen, wie die Erhebung, Auswertung und Übermittlung von Daten aus der strategischen Fernmeldeaufklärung funktioniert und wie genau diese Tätigkeit kontrolliert wird. Zu diesen Themen bat es viele Sachverständige um Stellungnahmen, darunter Constanze Kurz vom Chaos Computer Club. Wir sind uns nun noch sicherer als zuvor, dass das Gericht ein Grundsatzurteil sprechen wird.

Ein Fall von Bündnisstärke

Auf der Beschwerdeführer-Bank saßen neben Matthias Bäcker und Bijan Moini unser Vorsitzender Ulf Buermeyer und Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen (RoG). Gemeinsam mit RoG organisierten wir zudem ein Pressegespräch am Vorabend und eine morgendliche Aktion vor dem Gericht. Unsere Verfassungsbeschwerde ist auch ein Beispiel dafür, wie viel wir erreichen können, wenn wir andere NGOs mit ins Boot holen.

Für die Gesellschaft für Freiheitsrechte ist das Verfahren schon jetzt ein großer Erfolg. Denn die Verhandlung zeigt: Unsere strategische Prozessführung wirkt!

Weitere Informationen

  • Unsere Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz finden Sie hier.
  • Fotografische Eindrücke aus Karlsruhe: flic.kr/s/aHsmKK86tc

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