Zum Inhalt springen

Filmreifer Sieg für die Kunstfreiheit: Landgericht Düsseldorf erklärt Sperrung der Filmwerkstatt Düsseldorf bei Facebook für rechtswidrig

Berlin/Düsseldorf, 8. Juli 2024 – Gemeinsam mit der Filmwerkstatt Düsseldorf hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) vor dem Landgericht Düsseldorf einen großen Erfolg für die Kunstfreiheit erzielt. Gut ein Jahr nach der gemeinsam mit der Kanzlei Hausfeld eingereichten Klage urteilt das Landgericht, dass Meta rechtswidrig handelte, als das Unternehmen die Facebook-Seite der Filmwerkstatt Düsseldorf sperrte. Die Entscheidung setzt ein wichtiges Signal, dass Internet-Plattformen Grundrechte wie die Kunst- und Meinungsfreiheit wahren müssen.

„Das Urteil ist nicht nur ein Erfolg für die Kunstfreiheit. Es zeigt, dass Nutzer*innenrechte gegenüber internationalen Digitalkonzernen auch an deutschen Gerichten durchgesetzt werden können. Das ist eine sehr gute Nachricht für den Schutz unserer Grundrechte im Netz“, sagt Jürgen Bering, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.

Der Digitalkonzern hatte die Seite der Filmwerkstatt Düsseldorf im Dezember 2021 ohne Angabe von Gründen gesperrt. Ausschlaggebend war vermutlich ein zu Werbezwecken gepostetes Filmstill des oscarnominierten Films „Der Schamane und die Schlange“. Das Bild zeigte eine Gruppe indigener Menschen im Lendenschurz und wurde möglicherweise von Algorithmen als unzulässige Nacktheit gewertet. Nach eigenen Angaben kann der Konzern heute nicht mehr nachvollziehen, wie es zu der Sperrung kam. „Nutzer*innen sind einem fehlerhaften Prüfverfahren ausgeliefert, das die einzige Möglichkeit des Widerspruchs darstellt. Versagt das von Facebook vorgegebene Onlineverfahren, gibt es keinerlei Möglichkeit mehr, mit dem Anbieter zu kommunizieren, um eine Klärung herbeizuführen. Ohne die Hilfe der GFF wäre ein juristisches Vorgehen unmöglich gewesen und sicher ist das auch für die allermeisten anderen kleineren Akteur*innen in der Kultur keine bezahlbare Option“, sagt Jan Wagner, Leiter der Filmwerkstatt Düsseldorf.

Trotz Unklarheit über den Grund der Sperre gab Facebook die Seite des Vereins auf Anfrage der Filmwerkstatt und der GFF nicht frei. Erst eineinhalb Jahre nach der Sperre wurde die Seite im Juni 2023 entsperrt. Das Verfahren zeigt exemplarisch, was im Kunstbereich oft passiert, und wogegen sich nur wenige tatsächlich wehren können: Ein Post wird automatisiert gesperrt, da Algorithmen Bilder falsch einschätzen. Die vorhandenen Überprüfungsmechanismen sind ebenfalls nicht verlässlich. Das ist eine fatale Einschränkung der Kunst-, Wissenschafts- und Meinungsfreiheit.

Mit der Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf steht die Kunstbranche Plattformen nicht hilflos gegenüber, doch der Weg ist kein leichter. Plattformen ziehen sich auf die Position zurück, dass sie in Deutschland gar nicht verklagt werden könnten, da ihr Sitz in Irland liegt. Gesetzlich ist zwar vorgesehen, dass Verbraucher*innen vor deutsche Gerichte ziehen können. Im digitalen Raum ist aber häufig unklar, wer tatsächlich Verbraucher*in ist, beispielsweise weil Nutzer*innen soziale Netzwerke auch politisch, künstlerisch und sogar kommerziell nutzen. Da nur Menschen Verbraucher*innen sein können, sind gemeinnützige Vereine wie die Filmwerkstatt von vornherein ausgeschlossen.

In diesem Fall konnte ein deutsches Gericht entscheiden, weil es sich um eine kartellrechtliche Streitigkeit handelte. Indem Meta die Seite der Filmwerkstatt ohne konkrete Begründung sperrte, nutzte es seine marktbeherrschende Stellung klar aus und behinderte die Kulturschaffenden unbillig. Der Verein konnte eineinhalb Jahre lang nicht auf Facebook für sein Angebot werben und so Interessierte nicht erreichen, die den Verein finanziell unterstützen. Das Urteil ist wegweisend, bietet es doch gerade Vereinen, Künstler*innen und Forschenden die Möglichkeit, sich rechtliches Gehör zu verschaffen.

Mit der Entscheidung werden Nutzer*innenrechte gegenüber Plattformen gestärkt. In diesem Bereich entfaltet der Digital Services Act seit Anfang des Jahres Wirkung. Die europäische Verordnung macht den Plattformen strengere Vorgaben und soll verhindern, dass Seiten wie die der Filmwerkstatt willkürlich gesperrt werden. Dennoch zeigen sich in der Praxis erhebliche Lücken. Daher geht die GFF mit dem eigens gegründeten Center for User Rights auch weiterhin gegen Fehlverhalten von Plattformen vor.

Mehr Informationen zum Fall finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/filmwerkstatt

Der Fall ist Teil des Center for User Rights. Mehr Infos dazu hier:
https://centerforuserrights.freiheitsrechte.org/

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Maria Scharlau
presse@freiheitsrechte.org
030/549 08 10-55

Grundrechte verteidigen.
Fördermitglied werden!