
Filmwerkstatt Düsseldorf: Willkürliche Sperren Von Facebook-Seiten gefährden Kunstfreiheit
Im Dezember 2021 löschte Facebook die Seite der Filmwerkstatt Düsseldorf. Im März 2023 haben wir gemeinsam mit der Kanzlei Hausfeld Klage am Landgericht Düsseldorf eingereicht
Keine Warnung, keine Begründung, keine Möglichkeit sich zu wehren: Wenn Facebook Seiten von Nutzer*innen oder Fanpages sperrt oder löscht, passiert das oftmals willkürlich. So auch im Fall der Filmwerkstatt Düsseldorf: Im Dezember 2021 verschwand die Seite des gemeinnützigen Vereins ohne Vorwarnung. Mutmaßlicher Anlass der Löschung war ein kurz zuvor geposteter Programmhinweis auf den Oscar nominierten Film „Der Schamane und die Schlange“. Die Werbung wurde mit einem Filmstill begleitet, das den Regisseur sowie eine Gruppe traditionell bekleideter Einheimischer zeigte (siehe oben).
Social Media ist eine für die Kunst überlebenswichtige Plattform
Mit der willkürlichen Löschung der Seite gefährdet Facebook die Kunstfreiheit der Filmwerkstatt. Denn die Facebook-Seite, der über 4000 Menschen folgten, war Hauptausspielkanal für die Werbung des gemeinnützigen Vereins. Mit der willkürlichen Löschung ihrer Facebook-Seite ist die Filmwerkstatt massiv darin eingeschränkt, ihr Angebot zu verbreiten. Den Schaden, den der sich unter anderem über Spenden finanzierende Verein durch die fehlende Präsenz erlitten hat, ist schwierig zu beziffern.
Für Kunst im Allgemeinen sind das Internet und insbesondere soziale Netzwerke eine unverzichtbare Plattform, um Aufmerksamkeit zu generieren und so eine Wirkung zu entfalten. Das Grundrecht der Kunstfreiheit, das durch diese willkürliche Löschung massiv eingeschränkt wurde, gilt nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für gemeinnützige Vereine.
BGH legt hohe Hürden für das Sperren von Seiten fest
Social Media Plattformen wie Facebook moderieren ihre Inhalte meist automatisch mit Algorithmen. Der Einsatz dieser künstlichen Intelligenz, zu dem es mutmaßlich auch im Fall der Filmwerkstatt gekommen ist, ist jedoch sehr fehleranfällig: Filter schlagen an bei Faktoren wie beispielsweise nackter Haut, ohne jedoch den Kontext eines Werkes zu verstehen. Damit sind rechtswidrige Sperrungen und Löschungen vorprogrammiert. Die Löschung der Seite ohne Vorwarnung und Begründung macht es der Filmwerkstatt zudem unmöglich, sich gegen die Maßnahme zu wehren. Kontaktversuche zu Facebook blieben unbeantwortet.
Das Vorgehen von Facebook widerspricht klar der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2021. Denn die legt hohe Hürden für die Sperrung oder Löschung von Nutzer*innen und Seiten fest: Soziale Netzwerke wie Facebook müssen aufgrund ihres enormen Einflusses die Grundrechte ihrer Nutzer*innen achten. Zu den Vorschriften zählen, dass Accountsperren objektiv und sachlich begründet sein muss. Zudem muss im Vorfeld eine Anhörung stattfinden und im Nachgang die Möglichkeit bestehen, Sanktionen zu hinterfragen.
Mit dem gemeinsam mit der Filmwerkstatt angestoßenen Verfahren will die GFF feststellen lassen, dass die bestehende Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit auch auf die Kunstfreiheit übertragbar ist. In der im März 2022 veröffentlichten Studie „Grundrechtsbindung Sozialer Netzwerke“ hat GFF-Jurist und Verfahrenskoordinator Jürgen Bering bereits eingehend beleuchtet, inwieweit soziale Netzwerke die Grundrechte ihrer Nutzer*innen schützen müssen.
Filmwerkstatt Düsseldorf zeigt Parallelen zu Goliathwatch
Im Juli 2022 konnte die GFF gemeinsam mit der Kanzlei Hausfeld bereits einen Erfolg erzielen. Im Februar 2022 sperrte Facebook die Seite der konzernkritischen NGO Goliathwatch – auch hier ohne Vorwarnung oder Ankündigung. In dem von uns koordinierten Eilrechtsschutzverfahren entschied das Oberlandesgericht Hamburg, dass die Sperrung rechtswidrig war, sodass Facebook die Seite wieder freischalten musste. Damit hat das Gericht bestätigt, dass auch nicht-Nutzer*innen sich im Falle der Verletzung der Meinungsfreiheit auf die Rechtsprechung des BGH berufen können. Mit der Filmwerkstatt besteht nun die Möglichkeit, dass ein zweites Gericht bestätigt, dass Facebook nicht nur die Grundrechte von Privatpersonen, sondern auch die Grundrechte von juristischen Personen zu berücksichtigen hat.