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Erfolg im Eilverfahren gegen verfassungswidrigen Leistungsausschluss von Geflüchteten

Berlin/Hamburg, 17. April 2025 – Das Sozialgericht Hamburg hat heute dem Eilantrag der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gegen den Ausschluss des Antragstellers von allen Leistungen stattgegeben. Das Gericht stoppt damit die rechtswidrige Behördenpraxis des Hamburger Amts für Migration, sogenannte Dublin-Geflüchtete von Leistungen auszuschließen und stärkt den Schutz des menschenwürdigen Existenzminimums.

„Es ist absurd, dass der Leistungsausschluss überhaupt durch das Gesetzgebungsverfahren gekommen ist. Die heutige Entscheidung stellt klar, dass das menschenwürdige Existenzminimum weder durch Gesetz noch durch Behörden ausgehebelt werden kann“, betont Lena Frerichs, Verfahrenskoordinatorin bei der GFF.

Seit Ende Oktober 2024 sieht eine Neuregelung im Asylbewerberleistungsgesetz einen Leistungsausschluss für sogenannte Dublin-Fälle vor. Das betrifft Menschen, die ihren Asylantrag in einem anderen EU-Land zuerst gestellt haben, das nun formal für das Asylverfahren zuständig ist. Meist scheitern die geplanten Überstellungen jedoch, etwa weil eine ausreichende Ausreisevereinbarung mit dem Zielland fehlt. Zunächst erhalten Betroffene in einer zweiwöchigen Übergangsfrist stark reduzierte Leistungen. In Hamburg bekommen sie Unterkunft, Essen und Trinken sowie knapp neun Euro für „Körperpflege“. Nur bei akuten Erkrankungen oder Schmerzen gewährt die Behörde noch ärztliche Behandlung. Kleidung oder Geld für eine Busfahrkarte gibt es nicht. Nach Ablauf der zwei Wochen sind die Betroffenen auf freiwillige Leistungen der Behörde angewiesen.

Im Fall unseres Antragstellers ist bislang kein Ausreisetermin festgelegt. Der Betroffene ist seit über vier Monaten in Deutschland. Obwohl zahlreiche Sozialgerichte, etwa in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, aufgrund europa- und verfassungsrechtlicher Bedenken den Leistungsausschluss aufgehoben und die kompletten Leistungen zugesprochen haben, setzt Hamburg seit Ende März 2025 die Regelung weiterhin um. Dem stellt sich das Sozialgericht Hamburg im Eilverfahren unseres Antragstellers nun entgegen. Das Gericht bestätigt: Solange die Überstellung in den zuständigen EU-Staat noch nicht erfolgt und eine Ausreise nicht tatsächlich möglich ist, besteht weiterhin ein Anspruch auf Sozialleistungen. Eine wichtige rechtliche Klarstellung für die Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums, welche die GFF gemeinsam mit Rechtsanwältin Malena Bayer erzielt. Das Hamburger Amt für Migration kann gegen den Beschluss noch Beschwerde einlegen.

Das menschenwürdige Existenzminimum garantiert das, was an Essen, Kleidung, Dach über dem Kopf etc. für ein würdevolles Leben nötig ist. Dieses Menschenrecht gilt für alle Menschen, die sich nicht selbst ausreichend versorgen können. Es steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen gleichermaßen zu. Zudem verpflichtet die europäische Aufnahmerichtlinie den EU-Staat, in dem sich die schutzsuchende Person befindet, für einen angemessenen Lebensstandard zu sorgen.

Der kürzlich verabschiedete Koalitionsvertrag sieht eine konsequente Umsetzung der bestehenden Anspruchseinschränkungen im Leistungsrecht vor. Ein Gesetz, das nicht die Grundrechte achtet, kann allerdings nicht konsequent umgesetzt werden. Das macht die Rechtsprechung deutlich, die immer wieder den Leistungsausschluss aufhebt.


Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/themen/gleiche-rechte-und-soziale-teilhabe/existenzielle-not


Bei Rückfragen wenden Sie sich an:

Dr. Maria Scharlau
presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55 – 01579/2493108

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