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Erfolg für die Grundrechte nach GFF-Klage: Bundesverfassungsgericht hegt Überwachungsbefugnisse der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern massiv ein

Berlin/Karlsruhe, 1. Februar 2023 – Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gab heute in großen Teilen einer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) gemeinsam mit dem Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ eingereichten Verfassungsbeschwerde gegen die Änderungen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern (SOG M-V) statt. Damit fällte das Gericht ein Grundsatzurteil: Die Karlsruher Richter*innen erklärten einen Teil der Überwachungsbefugnisse der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern für verfassungswidrig und setzen so auch der Verschärfung von Polizeigesetzen in anderen Bundesländern rechtsstaatliche Grenzen.

David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator, betont die weitreichende Bedeutung der heutigen Entscheidung aus Karlsruhe:

„Das Urteil ist ein Erfolg für die Freiheitsrechte und wird über Mecklenburg-Vorpommern hinaus Auswirkungen haben. Karlsruhe stellt klar: Tiefe Grundrechtseingriffe wie die Wohnraumüberwachung oder die Telekommunikationsüberwachung sind nur gerechtfertigt, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt. Die Polizeirechtsverschärfungen in verschiedenen Bundesländern, die Überwachung weit im Vorfeld einer Gefahr zulassen, verletzen das Grundgesetz.“

Die Verfassungsbeschwerde der GFF richtete sich unter anderem gegen längerfristige Observationen durch Polizeibeamt*innen, den Einsatz verdeckter Ermittler*innen und Vertrauenspersonen, Abhörmaßnahmen in und außerhalb der Wohnung, den Einsatz von Staatstrojanern und die Rasterfahndung. All diese Befugnisse hat das BVerfG in Teilen für verfassungswidrig erklärt, weil sie im Vorfeld einer konkreten Gefahr greifen. Zudem stellt das Gericht strenge Vorgaben für das Verhalten verdeckter Ermittler*innen und Vertrauenspersonen auf: Ausgeschlossen ist danach etwa, dass verdeckte Ermittler*innen intime Beziehungen zum Zweck der Informationsgewinnung eingehen.

„Das Bundesverfassungsgericht setzt der Polizei rechtsstaatliche Grenzen. Sie muss auch dann die Grundrechte achten, wenn es um die Abwehr schwerer Straftaten geht. Insbesondere muss sie stets den Kernbereich privater Lebensgestaltung achten. Ein Terrorismusverdacht ist keine Universalrechtfertigung für tiefgreifende Grundrechtseingriffe.“

Die Verfassungsbeschwerde wurde initial angestoßen von dem Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ und in Kooperation mit der GFF im Juni 2021 eingereicht. Unter den Beschwerdeführer*innen sind Aktivist*in Salome Krug, Strafverteidigerin Katrin Hildebrandt, der aktive Fußballfan des F.C. Hansa Rostock Sebastian Trettin sowie ein weiterer Fußballfan und ein Journalist. Die Beschwerdeführer*innen werden vertreten durch die Rechtsanwältin Dr. Anna Luczak aus Berlin.

Die heute entschiedene Verfassungsbeschwerde ist eine von vielen, mit denen sich die GFF gegen die Verschärfung von Polizeigesetzen in einigen Bundesländern richtet. Informationen zu weiteren Klagen finden Sie hier.

Weitere Informationen zur Klage finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/polg-mv

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Janina Zillekens, presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55

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