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„Oben ohne“ in der Berliner Plansche: GFF geht gemeinsam mit Klägerin gegen Geschlechterdiskriminierung in Berufung

Berlin, 21. November 2022 – Gemeinsam mit der Klägerin Gabrielle Lebreton und ihrer Rechtsanwältin Leonie Thum reicht die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) heute die Berufung gegen ein Urteil des Berliner Landgerichts ein. Im Sommer 2021 hatten Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes sowie die hinzugezogene Polizei die Klägerin, die sich mit freiem Oberkörper am Wasserspielplatz „Plansche“ im Plänterwald sonnte, aufgefordert sich zu bedecken. Als Lebreton sich weigerte, musste sie die „Plansche“ gemeinsam mit ihrem Kind verlassen. Die Klage auf Entschädigung wegen Geschlechtsdiskriminierung war erstinstanzlich gescheitert: Das Landgericht verkannte dabei, dass bei Anwendung des Berliner Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) die verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Diskriminierungsverbots angewendet werden müssen. Mit der Berufung will die GFF eine Klarstellung des Berliner Kammergerichts erreichen. Nur dann wird Rechtssicherheit geschaffen und das LADG kann seine geplante Wirkung als Schutzinstrument gegen Ungleichbehandlung entfalten.

„Bekleidungsvorschriften für weibliche Brüste sind nicht mehr zeitgemäß – und diskriminierend. Wir kämpfen dafür, dass das Land Berlin zukünftig die hohen grundrechtlichen Anforderungen an eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts beachtet und dass die gerichtliche Verkennung des verfassungsrechtlichen Maßstabs im ersten LADG-Urteil keine Schule macht,“ sagt Soraia Da Costa Batista, LADG-Expertin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF.

Das Berliner Landgericht begründet seine Entscheidung mit dem Schutz eines „geschlechtlichen Schamgefühls“ von Teilen der Gesellschaft, das die Klägerin verletzt habe. Diese Wertung zeigt, dass das Gericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe grob verkannt hat. Eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts und der damit verbundene Grundrechtseingriff ist nur unter hohen Anforderungen zulässig: er muss erforderlich sein für den Schutz von „Gemeinschaftsgütern mit Verfassungsrang“ und Grundrechten Dritter – wozu das „geschlechtliche Schamgefühl“ Einzelner nicht gehört. Das Vorgehen des Sicherheitsdienstes und im Ergebnis auch die Entscheidung des Gerichtes sind unverhältnismäßig. Gleichzeitig ist das Urteil von großer Bedeutung, da es droht, das Antidiskriminierungsrecht auszuhöhlen.

„Das Urteil des Berliner Landgerichts weist massive Mängel auf. Gerade die Kammer des Landgerichts, die grundsätzlich für Klagen nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz zuständig ist, hat es klar versäumt, die Maßstäbe des Gesetzes für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung anzuwenden“, kritisiert Rechtsanwältin Leonie Thum.

Der Vorfall fand große Beachtung und Unterstützung in den Medien und Sozialen Netzwerken. Thematisiert wurde dabei auch die Übersexualisierung der weiblichen Brust in Werbung und Film und die Forderung von Frauen wie auch trans, nicht-binären und agender Menschen, mehr Selbstbestimmung über den Umgang mit und das Zeigen ihres Körpers zu erlangen. „Männer dürfen völlig selbstverständlich ihren Oberkörper entblößen. Warum gilt das für Frauen nicht? Diese Diskriminierung und systematische, gegen den Willen der Betroffenen geschehende Sexualisierung des weiblichen Körpers haben mich nachhaltig schockiert – deshalb kämpfe ich weiter, nicht nur für mich, sondern für alle von Diskriminierung betroffenen Menschen“, betont die Klägerin Lebreton.

Weitere Informationen zu unserem Fall finden Sie hier:
freiheitsrechte.org/ladg_plansche

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Dr. Maria Scharlau, Tel. 01579/2493108
presse@freiheitsrechte.org

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