
„Oben ohne“ an der Berliner Plansche: GFF kämpft gegen Geschlechterdiskriminierung
Gemeinsam mit der Klägerin Gabrielle Lebreton gehen wir gegen Geschlechterdiskriminierung in Berufung. Ziel ist es eine Klarstellung des Berliner Kammergerichts zu erreichen, dass das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes einschlägig und verletzt war.
Dürfen Frauen in der Öffentlichkeit ihren Oberkörper entblößen? An dieser Frage entzündet sich ein Rechtstreit, der seinen Ursprung in einem Vorfall auf dem Wasserspielplatz „Plansche“ im Berliner Plänterwald hat. Im Sommer 2021 hatte die Klägerin Gabrielle Lebreton sich mit ihrem Kind sowie einem Freund und dessen Kind auf dem Wasserspielplatz getroffen.
Als Lebreton zum Sonnen ihr Oberteil auszog, wurde sie zunächst vom privaten Sicherheitsdienst des Parks und später von der hinzugezogenen Polizei dazu aufgefordert sich zu bedecken. Diese Forderung empfand Lebreton angesichts der vielen Männer, die sich unbehelligt oberkörperfrei auf dem Spielplatz aufhielten, als diskriminierend, was sie auch äußerte. Als Lebreton sich weigerte, den Anweisungen zu folgen, musste sie die „Plansche“ gemeinsam mit ihrem Kind verlassen.
Berliner Landgericht verkennt verfassungsrechtliche Maßstäbe
Nach dem Vorfall reichte Lebreton gemeinsam mit der Neuköllner Rechtsanwältin Leonie Thum Klage beim Berliner Landgericht ein. Die Forderung: Eine Entschädigung nach dem Berliner Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) wegen Geschlechterdiskriminierung. Das Gericht lehnte die Klage jedoch ab und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz eines „geschlechtlichen Schamgefühls“ in Teilen der Gesellschaft, das die Klägerin verletzt habe. Diese Wertung zeigt, dass das Gericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe grob verkannt hat und das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) und die dafür einschlägigen verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Diskriminierungsverbots nicht richtig angewendet hat.
Eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts ist nur unter hohen Anforderungen gerechtfertigt: sie muss erforderlich sein für den Schutz von „Gemeinschaftsgütern mit Verfassungsrang“ oder zum Schutz von Grundrechten Dritter – wozu das diffus beschriebene „geschlechtliche Schamgefühl“ nicht gehört. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte war unverhältnismäßig und verstößt – wie im Ergebnis auch die Entscheidung des Gerichtes – gegen das Diskriminierungsverbot. Gleichzeitig ist das Urteil von großer Bedeutung: wenn der falsche Prüfungsmaßstab für das LADG Schule macht, wird das neue Berliner Antidiskriminierungsrecht ausgehöhlt, bevor es Wirkung entfalten konnte.
Bekleidungsvorschriften für weibliche Brüste sind nicht mehr zeitgemäß – und diskriminierend. Wir kämpfen dafür, dass das Land Berlin zukünftig die hohen grundrechtlichen Anforderungen an eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts beachtet und dass die gerichtliche Verkennung des verfassungsrechtlichen Maßstabs im ersten LADG-Urteil keine Schule macht
Berliner Landgericht für Klagen nach dem LADG zuständig
Das Urteil des Berliner Landgerichts hat eine hohe rechtliche Relevanz. Denn seit 2020 gilt in Berlin das deutschlandweit einzigartige LADG. Dieses Gesetz, für das die GFF einen Klagefond ins Leben gerufen hat, soll Klagen gegen Diskriminierung durch staatliche Stellen erleichtern.
In seinem Urteil hat das Berliner Landgericht jedoch klar versäumt auf den Fall von Gabrielle Lebreton die verfassungsrechtlichen Maßstäbe nach Artikel 3 Grundgesetz anzuwenden, die für die Klage nach dem LADG einschlägig sind. Das bemängelt auch die Anwältin der Klägerin, Leonie Thum: „Das Urteil des Berliner Landgerichts weist massive Mängel auf. Gerade das Gericht, das grundsätzlich für Klagen nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz zuständig ist, hat es klar versäumt, die Maßstäbe des Grundgesetzes für eine Ungleichbehandlung anzuwenden.“ Mit der Berufung will die GFF sicherstellen, dass das Urteil keine Schule macht und so den Antidiskriminierungsschutz aushöhlt.
Vorfall reiht sich in #FreeTheNippel Bewegung ein
Der Vorfall fand große Beachtung in Sozialen Medien, wo unter dem Hashtag #FreeTheNipple die feministische Forderung gestellt wird, das sogenannte „Nippel-Verbot“ aufzuheben. Ziel dieser Bewegung ist es der Übersexualisierung der weiblichen Brust in Werbung und Film entgegenzutreten und Frauen wie auch trans, nicht-binären und agender Menschen mehr Selbstbestimmung über den Umgang mit und das Zeigen ihres Körpers zu ermöglichen.
Dieser Forderung fühlt sich auch die Klägerin Gabrielle Lebreton verbunden: „Männer dürfen völlig selbstverständlich ihren Oberkörper entblößen. Warum gilt das für Frauen nicht? Diese Diskriminierung und systematische, gegen den Willen der Betroffenen geschehende Sexualisierung haben mich nachhaltig schockiert – deshalb kämpfe ich weiter, nicht nur für mich, sondern für alle von Diskriminierung betroffenen Menschen.“
„Oben ohne“ für Frauen in der „Plansche“ mittlerweile erlaubt
Strittig war zudem die Tatsache, dass der Wasserspielplatz zum Zeitpunkt des Vorfalls gar keine Nutzungsordnung hatte. Das bedeutet, dass es streng genommen überhaupt keine Kleidervorschriften gab, gegen die Lebreton hätte verstoßen können.
Im Nachgang des Vorfalls etablierte die „Plansche“ zunächst eine Regelung, die zum Tragen von „handelsüblicher Badebekleidung“ verpflichtete. Daraufhin schaltete sich die Ombudsstelle des LADGs ein und drängte auf eine geschlechtergerechte Regelung. Mittlerweile hat die „Plansche“ ihre Vorschriften diskriminierungsfrei gestaltet und auch das „oben ohne“ Sonnen für Personen mit weiblichen Brüsten erlaubt.