Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg verkennt Equal Pay-Anspruch – GFF zieht gegen Daimler vors Bundesarbeitsgericht
Stuttgart/ Berlin, 1. Oktober 2024 – Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat heute in Teilen einer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützen Klage auf gleiche Bezahlung stattgegeben. Gleichzeitig fällt das Gericht in einzelnen Punkten weit hinter die bisherigen Standards zur Gewährleistung von Equal Pay zurück.
In der Verhandlung bestätigt das Gericht zwar, dass es eine systematische Benachteiligung von Frauen bei Daimler gibt, da die weiblichen Beschäftigten im Mittelwert deutlich unter dem Gehalt der männlichen liegen. Dem Unternehmen fehle es zudem an klaren Kriterien, die diese Gehaltsunterschiede erklären könnten. Trotzdem spricht das Gericht der Klägerin nicht die Differenz zum Mittelwert der männlichen Vergleichskollegen oder zum Gehalt ihres direkten Kollegen zu, wie es der Grundsatz der Lohngleichheit und die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorsieht. Stattdessen soll Daimler der Klägerin lediglich die Differenz zwischen dem weiblichen und dem männlichen Median-Gehalt bezahlen. Das begründet das Gericht damit, dass die Klägerin auch weniger verdient als der Median ihrer weiblichen Vergleichsgruppe und daher insoweit keine geschlechtsspezifische Diskriminierung vorliege.
„Das Landesarbeitsgericht stellt sich hier in eklatanten Widerspruch zum Europarecht und den klaren Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts. Für den Equal Pay-Anspruch kommt es nur auf den Vergleich zu den männlichen Kollegen an. Ob es andere Frauen gibt, die mehr verdienen als die Klägerin, ist für den Anspruch auf gleichen Lohn irrelevant", sagt Sarah Lincoln, Rechtsanwältin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs reicht es aus, wenn eine Frau zeigen kann, dass sie für die gleiche Arbeit weniger verdient als ihre männlichen Kollegen. Der Arbeitgeber muss in dem Fall objektive Gründe für den Gehaltsunterschied vorweisen, wie etwa Berufserfahrung, Qualifikation oder Arbeitsqualität. Gelingt dem Arbeitgeber das nicht, muss er das Gehalt der Frau an das Gehalt des männlichen Vergleichskollegen anpassen. Das sieht das Landesarbeitsgericht Stuttgart anders, lässt aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.
“Das Urteil des Landesarbeitsgericht führt nun dazu, dass wir bereits zum dritten Mal mit einer Equal Pay-Klägerin bis zum Bundesarbeitsgericht gehen müssen, um ihren Anspruch auf gleichen Lohn durchzusetzen", sagt Lincoln.
Die von der GFF unterstützte Klägerin ist seit nahezu 30 Jahren bei Daimler beschäftigt. Vor mehr als 15 Jahren ist sie zur Abteilungsleiterin befördert worden. Seit ihrer Rückkehr aus der Elternzeit in Teilzeit verdient die Klägerin deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen auf gleicher Ebene.
Der Fall ist beim Daimler-Konzern kein Einzelfall. Lohndiskriminierung ist sowohl bei der Mercedes-Benz AG als auch bei der Daimler AG ein strukturelles Problem, in allen Entgeltgruppen. Allein sechs weitere Abteilungsleiterinnen klagten oder klagen auf gleichen Lohn, teilweise schon in zweiter Instanz. In einer Umfrage bei der Mercedes-Benz AG gaben etwa 90 Prozent der befragten Frauen an, dass sie weniger als ihre männliche Vergleichsgruppe verdienen.
Die Klage ist bereits das dritte Equal Pay Verfahren, das die GFF unterstützt. Im Fall der ZDF-Journalistin Birte Meier entschied das Bundesarbeitsgericht, dass auch fest-freie Redakteur*innen einen Anspruch auf Auskünfte nach dem Entgelttransparenzgesetz haben. 2023 stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass gleicher Lohn nicht verhandelbar ist und die höhere Lohnforderung eines männlichen Kollegens keine ungleiche Bezahlung rechtfertigt.
Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/themen/gleiche-rechte-und-soziale-teilhabe/equal-pay-daimler
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