Equal-Pay-Klage gegen Daimler: Wir kämpfen für gleiche Bezahlung
Gemeinsam mit einer Abteilungsleiterin bei Daimler klagen wir auf gleiche Bezahlung und ziehen vor das Bundesarbeitsgericht. Mit ihrer Klage ist sie nicht allein: Sechs weitere Klägerinnen wenden sich gegen den Daimler-Konzern.
Die Klägerin ist seit fast dreißig Jahren bei Daimler beschäftigt. Vor mehr als 15 Jahren ist sie zur Abteilungsleiterin auf der E3-Ebene befördert worden. Das ist die dritte Hierarchieebene leitender Führungskräfte bei Daimler.
Seit ihrer Rückkehr aus der Elternzeit in Teilzeit verdient die Klägerin deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen auf der gleichen Ebene. Das Median-Monatsgehalt der Klägerin lag zwischen 2018 und 2022 um die 18 Prozent unter der männlichen Vergleichsgruppe. Wenn man andere Gehaltsbestandteile hinzunimmt, waren es im Schnitt sogar über 23 Prozent, mit Spitzenwerten bis zu 39 Prozent. Die Zuteilungen virtueller Aktien an männliche E3-Leiter waren z.B. um bis zu 140 Prozent höher als die für die Klägerin. Die Klägerin verdient außerdem etwa 30 Prozent weniger als ihr direkter Kollege aus demselben Unternehmensbereich, obwohl sie beide gleich lang im Unternehmen sind, im gleichen Jahr befördert wurden und gleichermaßen qualifiziert sind.
Landesarbeitsgericht: Entscheidung bleibt hinter Equal-Pay-Standards
Am 01. Oktober 2024 verhandelte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg unsere Equal-Pay-Klage und hat noch am selben Tag ein Urteil gefällt. Wie zuvor das Arbeitsgericht Stuttgart erkennt das Landesarbeitsgericht an, dass weibliche Beschäftigte bei Daimler systematisch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. In der Verhandlung gelingt es dem Unternehmen nicht, objektive Kriterien anzuführen, die eine unterschiedliche Bezahlung rechtfertigen würden. Bei der Frage, welche Lohndifferenz das Unternehmen der Klägerin schuldet, weicht das Landesarbeitsgericht jedoch von bisherigen Equal-Pay-Standards ab. Das Gericht spricht der Klägerin weder die Differenz zwischen ihrem Gehalt und dem mittleren Gehalt der männlichen Vergleichsgruppe noch die Differenz zwischen ihrem Gehalt und dem des direkten Vergleichskollegen zu. Stattdessen begrenzt es den Anspruch auf die Differenz zwischen der weiblichen und der männlichen Vergleichsgruppe.
Dieser Sonderweg des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ist mit dem Entgeltgleichheitsgebot nicht vereinbar. Maßgeblich ist nach den europarechtlichen Vorgaben sowie der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur, ob eine Beschäftigte für die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit weniger verdient als ein männlicher Beschäftigter. Kann der Arbeitgeber die Differenz nicht mit objektiven Kriterien begründen, muss er den Lohn vollständig angleichen. Begrenzt man den Anspruch auf die Differenz zwischen den beiden Mittelwerten, könnten sich Frauen nie mit männlichen Kollegen in der oberen Hälfte der Gehaltsskala vergleichen – selbst wenn es keinerlei Gründe für den Gehaltsunterschied gäbe.
Das Gebot der Entgeltgleichheit ist in Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie in § 3 Abs. 1 und 7 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) geregelt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG liegt eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung bereits vor, wenn eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt erhält, als eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter des jeweils anderen Geschlechts erhält, erhalten hat oder erhalten würde.
Es ist irrelevant, ob sich der Kollege, mit dem eine Frau sich vergleicht, in der Mitte oder ganz oben auf der Gehaltsskala bewegt. Eine Beschäftigte kann sich auch mit Personen aus der oberen Hälfte der Vergleichsgruppe vergleichen und eine entsprechende Gehaltsanpassung verlangen. Es steht dem Arbeitgeber frei, die Gehaltsunterschiede zu dem besser verdienenden Kollegen mit objektiven, transparenten Faktoren zu begründen, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Relevante Qualifikationen oder eine längere relevante Berufserfahrung können die Vermutung einer Lohndiskriminierung widerlegen.
Arbeitsgericht: Entscheidung nicht mit Equal-Pay-Grundsatz vereinbar
Zuvor hatte am 22. November 2023 das Arbeitsgericht Stuttgart Daimler in erster Instanz verurteilt, an die Klägerin immerhin die Differenz zum Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe in Höhe eines fünfstelligen Betrags für einen Zeitraum von fünf Jahren zu zahlen. Die Differenz zum Gehalt ihres direkten Kollegen sprach auch das Arbeitsgericht ihr nicht zu.
Dabei gelang es Daimler bereits in erster Instanz nicht, die Gehaltsunterschiede ausreichend zu begründen. Das Unternehmen hat kein transparentes, nachvollziehbares und objektives Entgeltsystem für E3-Leiter*innen. Vielmehr entscheiden die Vorgesetzten frei darüber, wie das vorhandene Budget auf die Abteilungsleiter*innen verteilt wird. Das führt dazu, dass die Gehälter der über 200 E3-Abteilungsleiter*innen bei Daimler im Jahr 2022 eine hohe Gehaltsspreizung von annähernd 70 Prozent aufwiesen.
GFF versiert im Kampf gegen Entgeltdiskriminierung
Das Verfahren gegen Daimler ist bereits die dritte Equal-Pay-Klage, die wir unterstützen. Im Fall der ZDF-Journalistin Birte Meier stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass auch fest-freie Redakteur*innen einen Anspruch auf Auskünfte nach dem Entgelttransparenzgesetz haben.
Unsere Klägerin Susanne Dumas, die bei einem sächsischen Metallunternehmen deutlich weniger verdiente als ihr direkter Kollege, bekam vor dem Bundesarbeitsgericht recht: Arbeitgeber*innen dürfen vom Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht abweichen, nur weil ein Mann höhere Gehaltsforderungen stellt als seine Kollegin.