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Freiheit im digitalen Zeitalter
Art. 1, 2

BKA-Gesetz

Das BKA-Gesetz sieht weitreichende Überwachungsmöglichkeiten vor und verletzt damit Grundrechte. Unsere Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg – mehrere Befugnisse wurden für verfassungswidrig erklärt.

Die GFF hat Verfassungsbeschwerde gegen das Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) erhoben und in vielen Punkten Recht bekommen. Das Gesetz gibt dem Bundeskriminalamt (BKA) weitreichende Überwachungsmöglichkeiten und erlaubt den Einsatz von Staatstrojanern (s. Update). Die Beschwerde machte außerdem geltend, dass der Datenbestand des BKAs stärker reguliert werden muss: die Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten durch das BKA beruhte auf unzureichenden Maßstäben und schützte nicht ausreichend vor den Risiken polizeilichen Datensammelns. Mit dem am 1. Oktober 2024 verkündeten Urteil erklärte das Bundesverfassungsgericht Teile des Gesetzes für verfassungswidrig. Die Regelungen zur heimlichen Überwachung von bloßen Kontaktpersonen und die zur Speicherung von lediglich einer Straftat beschuldigten Personen ohne individuelle Gefahrenprognose verletzen Grundrechte. Bis Juli 2025 muss nachgebessert werden.
Bijan Moini

Bijan Moini

Legal Director und Syndikus

„Dank unserer Verfassungsbeschwerde gegen das Bundeskriminalamtgesetz werden künftig weniger Menschen grundlos und für lange Zeit in der größten Polizeidatenbank des Landes landen.“

Karlsruher Richter*innen dämmen Überwachungsbefugnisse deutlich ein

Das BKAG stattet das Bundeskriminalamt mit einer Reihe möglicher Überwachungsbefugnisse aus. Insbesondere zur Terrorismusabwehr stehen tiefgreifende Mittel der verdeckten Überwachung zur Verfügung, etwa Abhörmaßnahmen oder der Einsatz verdeckter Ermittler*innen. Bereits 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum alten BKAG festgestellt, dass diese Mittel nur unter bestimmten, eng definierten Anforderungen zum Einsatz kommen dürfen. Das Bundesverfassungsgericht trug dem Gesetzgeber daher auf, das BKAG zu korrigieren und sicherzustellen, dass die darin enthaltenen Grundrechtseingriffe immer im Verhältnis zu ihrem Ziel, der Terrorismusabwehr, stehen.

Dies war jedoch auch nach der Neufassung des BKAG von 2017 nicht durchgängig der Fall. Noch immer konnten Personen, die lediglich Kontakt zu einer verdächtigen Person hatten, unter zu vagen Voraussetzungen zum Ziel von Überwachungsmaßnahmen werden. Dies betraf auch zwei unserer Beschwerdeführerinnen, die durch ihre berufliche Tätigkeit als Anwältinnen in Kontakt mit Verdächtigen stehen.

In ihrem Urteil vom 1. Oktober 2024 erklären die Karlsruher Richter*innen, dass für heimliche Überwachungsmaßnahmen gegenüber bloßen Kontaktpersonen eine spezifische individuelle Nähe zur potenziellen Straftat feststehen muss. Die Voraussetzungen für eine Überwachung waren zu unbestimmt und weit gefasst und verstießen gegen das Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung.

Staatstrojaner gefährdet IT-Sicherheit

Zudem enthält das BKAG seit 2017 – wie auch viele Polizeigesetze – Befugnisse zum Einsatz sogenannter Staatstrojaner. Das BKA kann zur Terrorismusabwehr Online-Durchsuchungen vornehmen sowie die laufende Kommunikation auswerten (Quellen-TKÜ). Zu diesem Zweck darf das BKA staatliche Spähsoftware auf den Rechnern Verdächtiger aufspielen und dafür selbst solche Sicherheitslücken in Hard- und Software ausnutzen, die den Herstellern unbekannt sind. Dieser Umgang mit IT-Sicherheitslücken bedroht die IT-Sicherheit aller Bürger*innen, obwohl der Staat sie eigentlich zu schützen hätte. Der Staatstrojaner verletzt daher das sogenannte IT-Grundrecht, das die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gewährleistet.

Update: Mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu unserer Verfassungsbeschwerde gegen das Polizeigesetz Baden-Württemberg haben wir die Rüge zum Staatstrojaner zurückgezogen, wodurch die staatliche Spähsoftware nicht mehr Teil des Verfassungsbeschwerdeverfahrens war. Das Bundesverfassungsgericht hatte in jener Entscheidung mehr Vortrag von uns verlangt, den wir weder in jenem Verfahren noch im vorliegenden Verfahren gegen das BKA-Gesetz nachholen konnten bzw. können – dafür aber in unserem Verfahren gegen das G10.

BKA-Datensammlung bedarf konkreter Grenzen

Schließlich zielte die Verfassungsbeschwerde darauf ab, die Datenbestände des BKA verfassungskonform zu regulieren. Insoweit betrat die Verfassungsbeschwerde Neuland, weil es an konkreten verfassungsrechtlichen Maßstäben für das Sammeln und Speichern von Daten durch das BKA noch fehlte. Sensible personenbezogene Daten können bereits aufgrund vager Anhaltspunkte, teils sogar aufgrund bloßer Vermutungen in weitem Umfang bevorratet und ohne weitere sachliche und zeitliche Grenzen genutzt werden. Dadurch können umfassende Persönlichkeitsprofile von Menschen entstehen und auf Dauer gespeichert bleiben, die sich nie etwas haben zuschulden kommen lassen.

Die Datensammlung des BKA führt Datenbestände aller Landespolizeien mit seinen eigenen Daten zusammen (sog. INPOL-Datenbank) und erstreckt sich dadurch auf erhebliche Teile der Bevölkerung. Für die betroffenen Personen begründet sie das Risiko, Opfer von diskriminierenden Befragungen bis hin zu freiheitsentziehenden Maßnahmen zu werden. Die Verfassungsbeschwerde unterbreitete mit Blick auf die Datensammlungen des BKA einen Vorschlag zur Konkretisierung der erforderlichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe.

Zumindest was die Voraussetzungen für die Aufnahme von Beschuldigten in den von Bund und Ländern gemeinsam genutzten Informationsverbund INPOL angeht, erklärt das Bundesverfassungsgericht im Oktober 2024 die entsprechende Regelung für unvereinbar mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die vorsorgliche Speicherung in die Datenbank INPOL erfordere als relevanter Grundrechtseingriff eine gewisse Erheblichkeitsschwelle und eine individuelle Negativprognose.

Mehrere Grundrechtsverletzungen beendet

Umfassende Überwachungsermächtigungen, unkontrolliertes Datensammeln – das Bundesverfassungsgericht erklärt mehrere Eingriffsbefugnisse nach dem BKAG schließlich für verfassungswidrig.

Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts

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