Das Ausländerzentralregister – Eine Datensammlung außer Kontrolle
Das Ausländerzentralregister (AZR) ist eine außer Kontrolle geratene Datensammlung, die Grundrechte und europarechtliche Vorgaben zum Datenschutz verletzt. Mit gezielten Klagen gehen wir im Bündnis aus PRO ASYL und LSVD dagegen vor.
Mit etwa 26 Millionen personenbezogenen Datensätzen ist das Ausländerzentralregister eines der umfangreichsten automatisierten Register der öffentlichen Verwaltung. Registriert wird jede Person, die ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Deutschland lebt. Auf das Ausländerzentralregister haben mehr als 16.000 öffentliche Stellen und Organisationen mit mehr als 150.000 Einzelnutzer*innen Zugriff, darunter neben den Ausländerbehörden auch Polizei- und Strafverfolgungsbehörden, Geheimdienste, Jobcenter, Jugendämter und Gerichte. Die Daten können automatisiert abgerufen werden oder werden vom BAMF ohne nennenswerte Hürden übermittelt, im Fall unseres Klägers an den Verfassungsschutz.
Allein im Jahr 2020 führten Behörden im Schnitt etwa 260.000 Datenabfragen pro Arbeitstag im Ausländerzentralregister durch. Besonders betroffen sind Geflüchtete, von denen neben Grundpersonalien und aufenthaltsrechtlichen Angaben auch biometrische Daten sowie Angaben zu Gesundheit, Bildung und Familie gespeichert sind. Das Ausländerzentralregister verletzt grundlegende verfassungsrechtliche und europarechtliche Datenschutzstandards. Und das bei einer besonders vulnerablen Personengruppe, die hier Schutz vor Krieg und Verfolgung sucht.


GFF-Studie: Das Ausländerzentralregister – Eine Datensammlung außer Kontrolle
Die GFF-Studie „Das Ausländerzentralregister – Eine Datensammlung außer Kontrolle“ zeigt, dass sich das Ausländerzentralregister in den letzten Jahren zu einem ausufernden und nahezu unkontrollierten Datenmonster entwickelt hat. Die Rechte der Betroffenen sind dabei auf der Strecke geblieben. Mechanismen zum Schutz besonders sensibler Daten existieren kaum. Das Missbrauchspotenzial ist enorm, wenn hunderttausende Behördenmitarbeiter*innen Zugriff auf so viele, teils hochsensible Daten haben. Nicht nur besteht die Gefahr, dass Behörden viel zu ausufernd vom Datenabruf Gebrauch machen. Im schlimmsten Fall können Daten wie Adresse, sexuelle Orientierung oder politische Überzeugung in die Hände von rassistisch motivierten Straftäter*innen oder Verfolgerstaaten gelangen und Betroffene so in Lebensgefahr bringen. Einblicke in die über sie gespeicherten Daten bekommen Betroffene nur sehr schwer: Bereits das Antragsverfahren ist mit hohen Hürden verbunden, die Antworten lassen sehr lange auf sich warten und der Umfang der Auskunft entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben.

GFF-Rechtsgutachten: Ausländerzentralregistergesetz verletzt verfassungs- und europarechtliche Vorgaben zum Datenschutz
In einem im Januar 2022 für die GFF erarbeiteten Gutachten kommt Prof. Dr. Matthias Bäcker zum Ergebnis, dass weite Teile des Ausländerzentralregistergesetzes gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das Diskriminierungsverbot und europarechtliche Vorgaben zum Datenschutz verstoßen. Die November 2022 in Kraft getretene AZR-Novelle verschärfte den Grundrechtseingriff. Die Gesetzesnovelle ermöglicht, dass Asylbescheide und Gerichtsentscheidungen im Ausländerzentralregister im Volltext gespeichert werden. Darin enthalten sind teils hochpersönliche Informationen zur Fluchtgeschichte, politischer Verfolgung, psychischer Gesundheit oder sexueller Orientierung. Die Speicherung all dieser Daten ist in der Regel nicht erforderlich und verletzt daher in besonders krasser Weise das Verhältnismäßigkeitsprinzip.
Auch der Grundsatz, dass Daten nur unter engen Voraussetzungen zweckentfremdet werden dürfen, wird verletzt: Auf die Datensammlung greifen staatliche Behörden nicht nur für die Migrationsverwaltung, sondern auch für zahlreiche weitere Zwecke zu: Sicherheitsbehörden nutzen sie für die Gefahrenabwehr, die Leistungsverwaltung zur Prüfung von Ansprüchen. Der Datenaustausch mit den Sicherheitsbehörden bedeutet, dass Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Geheimdienste auf sämtliche Daten im Ausländerzentralregister zugreifen können. Einzige Voraussetzung ist, dass der Datenzugriff zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Datenabruf ist nicht auf besonders hochrangige Rechtsgüter beschränkt, sondern kann auch zur Verfolgung oder Abwehr von Bagatelldelikten erfolgen. Dafür muss die Polizei keinen konkreten Ermittlungsansatz und keine konkrete Gefahr nachweisen. Es reichen also vage Verdachtsmomente, um umfangreiche personenbezogene Daten über eine Person und ihr familiäres und soziales Umfeld abzurufen.
Die Nutzung einer zentralen Datensammlung zu Zwecken der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung ist zudem eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Einen sachlichen Grund dafür gibt es nicht. Kriminalitätsbekämpfung und Gefahrenabwehr stehen – anders als die Migrationsverwaltung – nicht generell in einem Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit. Durch die weitgehenden Übermittlungsbefugnisse verstärkt der Gesetzgeber das weitverbreitete rassistische Vorurteil, wonach ein Zusammenhang zwischen Kriminalität und Herkunft besteht. Tatsächlich ist die Kriminalitätsrate – bei Deutschen und Ausländer*innen – eng verbunden mit wirtschaftlichen und sozialen Ausgangsbedingungen.
Verfassungsbeschwerde und mehrere Klagen
Im Bündnis mit PRO ASYL und dem LSVD sowie elf Geflüchteten haben wir daher im Oktober 2023 Verfassungsbeschwerde gegen die AZR-Novelle erhoben. September 2024 teilte das Bundesverfassungsgericht mit, dass es unsere Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annimmt – ohne Begründung.
Parallel zur Verfassungsbeschwerde haben wir 2023 Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach eingereicht. Mit zwei Geflüchteten wollen wir das BAMF verpflichten, zukünftig keine Daten aus dem Ausländerzentralregister an Polizei und Geheimdienste zu übermitteln. Im Laufe des Verfahrens hat sich zudem herausgestellt, dass das BAMF schon mehrfach die Daten eines Klägers an den Verfassungsschutz weitergegeben hat. Daher haben wir im April 2025 eine weitere Klage erhoben, mit der wir feststellen lassen wollen, dass die Übermittlung rechtswidrig war.
Folgt das Verwaltungsgericht unserer Argumentation, muss es das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof vorlegen. So können wir doch noch eine Grundsatzentscheidung erreichen.
Kein Datenschutz und Grundrechtsschutz zweiter Klasse
Die nächste Registerausweitung hat die Politik bereits im Visier. Der laxe Umgang mit Daten geflüchteter Menschen sowie das zunehmende Beschneiden ihrer Grundrechte, ist verfassungswidrig. Es darf in Deutschland keinen Datenschutz und keinen Grundrechtsschutz zweiter Klasse geben!
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