Wenn der Geheimdienst bei der Arbeitgeberin anruft: GFF erhebt mit Klima-Aktivist*innen Verfassungsbeschwerde gegen Bayerisches Verfassungsschutzgesetz
Berlin, 02. August 2024 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Klima-Aktivist*innen aus Bayern haben Verfassungsbeschwerde gegen das Bayerische Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) eingereicht. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine Vorschrift, die es dem Bayerischen Inlandsgeheimdienst ermöglicht, persönliche Daten unter sehr niedrigen Voraussetzungen an private Stellen wie Arbeitgeber oder Vermieterinnen weiterzugeben. Das kann schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben – wie den Verlust des Arbeitsplatzes oder soziale Ausgrenzung. Die GFF betrachtet dies als einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht, über die eigenen Daten zu bestimmen. Ein so gravierender Eingriff kann nur in Ausnahmefällen wie zur Abwehr einer Gefahr gerechtfertigt sein. Ziel der Verfassungsbeschwerde ist es, dass das Bundesverfassungsgericht klare Maßstäbe und strenge Grenzen für die Informationsweitergabe durch Geheimdienste an private Stellen festlegt.
„Nicht nur, dass der Verfassungsschutz Menschen umfassend überwachen kann. Durch die neue Regelung darf der Inlandsgeheimdienst die gesammelten Daten ohne Kenntnis der Betroffenen an das gesamte private und berufliche Umfeld weitergeben. Er kann dafür sorgen, dass Aktivist*innen ihren Job verlieren oder aus Vereinen ausgeschlossen werden – ohne dass sie von der Intervention des Geheimdienstes erfahren und sich dagegen wehren können“, kritisiert David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF. „Solche Methoden haben in einer Demokratie nichts zu suchen.“
Immer wieder versuchen Inlandsgeheimdienste, Protestbewegungen und zivilgesellschaftliches Engagement als extremistisch zu diskreditieren – zuletzt durch die Einstufung der Klimabewegung „Ende Gelände“ als „linksextremistischen Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Die ausgeweitete Befugnis, persönliche Daten an private Stellen zu übermitteln, verstärkt diese Einmischung in demokratische Prozesse erheblich. Damit wird demokratische Teilhabe ausgebremst und der Schutz der Privatsphäre gefährdet.
„Schlimm genug, dass der Verfassungsschutz die Klimagerechtigkeitsbewegung überwacht. Wenn der Geheimdienst jetzt auch noch persönliche Daten an meinen Arbeitgeber weitergeben darf, muss ich mir zweimal überlegen, zu welcher Veranstaltung ich gehe oder mit wem ich rede“, erklärt Beschwerdeführer Johnny Parks, der bei „Ende Gelände“ aktiv ist.
Neben Johnny Parks klagen Lisa Poettinger und Daniel Verlohr sowie zwei weitere Aktivist*innen gegen das Gesetz. Alle Beschwerdeführenden sind in Gruppen und Protestbewegungen aktiv, die vom Landesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch bzw. als Verdachtsfall angesehen werden – darunter „Ende Gelände“ und das „Offene Antikapitalistische Klimatreffen München“.
Die Verfassungsbeschwerde ist bereits die zweite Beschwerde der GFF gegen das BayVSG. Auf die erste Verfassungsbeschwerde hin setzte das Bundesverfassungsgericht 2022 in einem wegweisenden Urteil neue Standards für die Arbeit der Inlandsgeheimdienste. Durch eine Reform des BayVSG verbesserte der Bayerische Gesetzgeber in vielen Punkten den Schutz der Privatsphäre. Dagegen senkte er die ohnehin schon vagen Anforderungen für die Informationsweitergabe an Private bei der Reform ab. Die Verfassungsbeschwerde steht in einer Linie mit weiteren Verfahren gegen Rechtsgrundlagen der verschiedenen deutschen Geheimdienste. Übergreifendes Ziel ist, die Arbeit der Geheimdienste auf den Boden des Grundgesetzes zurückzuholen.
Weitere Informationen zur aktuellen Verfassungsbeschwerde gegen das BayVSG:
https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/vsg-bayern
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