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Bayerisches Verfassungsschutzgesetz
Der bayerische Inlandsgeheimdienst darf in vielen Fällen in die Grundrechte der Bevölkerung eingreifen. Deshalb haben wir Verfassungsbeschwerde eingereicht - und gewonnen.
Am 26. April 2022 gab das Bundesverfassungsgericht in weiten Teilen einer von der GFF eingereichten Klage gegen das BayVSG statt und fällte ein Grundsatzurteil. Die Karlsruher Richter*innen entschieden unter anderem, dass die Befugnis Auskunft über Verkehrsdaten aus Vorratsdatenspeicherung zu ersuchen, nichtig ist. Darüber hinaus stärkt das Urteil das Trennungsprinzip zwischen Verfassungsschutz und Polizei, indem es klare Schranken für den Informationsaustausch hochzieht. Finanziell unterstützt wurde das Vorgehen der GFF in diesem Verfahren durch die Stiftung Erneuerbare Freiheit. Die GFF hatte die Klage über die letzten fünf Jahre koordiniert.
Einen detaillierten Bericht der Verhandlung in Karlsruhe finden Sie hier. Das in der Verhandlung gehaltene Eingangsstatement unseres GFF-Vorstandsmitglieds, ehemals Vorsitzender des Vereins, Dr. Ulf Buermeyer finden Sie hier.
Die am 1. August 2016 in Kraft getretene Novelle des BayVSG hat dem bayerischen Inlandsgeheimdienst erweiterte Überwachungsbefugnisse gegeben. Im Dienste der „Inneren Sicherheit“ konnte noch breiter und tiefer in die Grundrechte der Bevölkerung eingegriffen werden, als dies in den übrigen Verfassungsschutzgesetzen der Länder und des Bundes zu diesem Zeitpunkt der Fall war.
Wer hat geklagt?
Die Beschwerdeführer*innen waren mehrere Personen, die als Funktionsträger bzw. Mitglieder von im Bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnten Organisationen glaubhaft machen konnten, Gegenstand der geheimdienstlichen Überwachung zu sein. Zu diesen Organisationen gehörte damals insbesondere der Landesverband Bayern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Inzwischen wurde die Beobachtung der Organisation zu Recht eingestellt.
Einer der Beschwerdeführer ist der Augsburger Oberarzt Dr. Harald Munding, Landessprecher der VVN-BdA. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung bezeichnete er sein langjährige Beobachtung durch den Bayerischen Verfassungsschutz als „Stigmatisierung“ und die Erwähnung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als „Einschüchterungspolitik, die wirkt“.
Die Verfassungsbeschwerde wurde von Prof. Dr. Matthias Bäcker (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) verfasst. Der Experte im Informationsrecht und Datenschutzrecht arbeitet in mehreren Verfahren als Prozessvertreter mit der GFF zusammen.
Wogegen wendete sich die Verfassungsbeschwerde?
Zu den Befugnissen im BayVSG, die das Bundesverfassungsgericht nach unserer Klage von 2017 für verfassungswidrig erklärt hat, gehörten:
- die Erhebung von Telekommunikations-Vorratsdaten (Art. 15 Abs. 3 BayVSG),
- der Große Lauschangriff (Art. 9 BayVSG),
- die Online-Durchsuchung (Art. 10 BayVSG),
- der Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern und V-Leuten (Art. 18 und 19 BayVSG).
Diese und weitere Maßnahmen griffen unzulässig in mehrere Grundrechte ein, insbesondere in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme (das sogenannte „Computer-Grundrecht“), das Fernmeldegeheimnis, die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht auf effektiven Rechtsschutz.
Konsequenzen des Verfahrens
Dieses Verfahren um das BayVSG hat Signalwirkung: Nicht zu Unrecht sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann nach der Verkündung des Urteils (dazu im Tagesspiegel), dass wahrscheinlich der Bund und alle Länder ihre Gesetze ändern müssen. Teilweise ist dies inzwischen geschehen. So wurde das Verfassungsschutzgesetz in Hessen überarbeitet – aber leider nicht ausreichend, sodass die GFF auch erfolgreich dagegen geklagt hat.
Auch über den geheimdienstlichen Bereich hinaus ist es der GFF wichtig, gegen verfassungsrechtliche zweifelhafte Freiheitseingriffe nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in den Ländern vorzugehen.
![Das Team der Gesellschaft für Freiheitsrechte](https://freiheitsrechte.org/uploads/images/Foerdermitglieder-Banner/_fullwidth_xs/2020-09-12-gffgff_5jahre-_J5A4642_blau-copy.jpg)