Zum Inhalt springen

Erfolg für Meinungsfreiheit! OVG Münster bestätigt: Entzug des Lehrauftrags von Bahar Aslan durch Polizeihochschule war rechtswidrig

Berlin/Münster, 18. Dezember 2023 – Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) hat heute die Beschwerde des Landes NRW zurückgewiesen – und bestätigt damit den von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gemeinsam mit Klägerin Bahar Aslan und Kooperationsanwalt Patrick Heinemann vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erstrittenen Erfolg: Der Widerruf des Lehrauftrags durch die Polizeihochschule NRW war rechtswidrig. Mit der Entscheidung des OVG ist das Verfahren abgeschlossen. Rechtsmittel stehen dem Land nicht offen.

Das Gericht stützt seine Entscheidung vor allem darauf, dass die Hochschule sich in ihrer Abwägung rechtswidrig auch auf sachfremde Umstände gestützt hat. Gleichzeitig verpasst das OVG die Chance, die Reichweite der Meinungsfreiheit explizit zu stärken. Denn: Genauso wie bereits das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen setzt sich auch das OVG nicht mit den Grundrechten von Bahar Aslan auseinander.

„Der Beschluss ist in der Sache ein Erfolg. Nun ist klar, der Widerruf des Lehrauftrags war rechtswidrig. Enttäuschend ist, dass auch das Oberverwaltungsgericht Münster die grundrechtlichen Dimensionen des Falls nicht explizit beleuchtet hat. Das wäre ein wichtiges Signal für Menschen wie Bahar Aslan gewesen, die nicht wegschauen, wenn sie Unrecht sehen“, kommentiert Laura Kuttler, Juristin und Projektkoordinatorin der GFF.

Aslan unterrichtet seit Januar 2022 das Fach „Interkulturelle Kompetenz“ an der Hochschule. Die Hochschule hatte Aslan im Mai 2023 einen Lehrauftrag für das kommende Wintersemester erteilt. Nachdem Aslan Ende Mai auf Twitter ihre Sorge über rechte und rassistische Kräfte bei der Polizei geäußert hatte, widerrief die Hochschule den Lehrauftrag. Wie das Gericht jetzt feststellte, hätte die Hochschule nicht aufgrund der vorgetragenen Umstände Aslan die Eignung als Lehrbeauftragte absprechen dürfen.

„Die HSPV NRW behauptet, dass ich nicht dazu geeignet wäre, eine 'differenzierte, vorurteilsfreie Sichtweise auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln'. Unliebsame Meinungen und gerade solche Ansichten zu äußern, die Defizite und Missstände in Staat und Gesellschaft benennen, ist konstituierend für den demokratischen Willensbildungsprozess“, sagt Klägerin Bahar Aslan.

Der Widerruf des Lehrauftrags und die dafür angeführten Gründe sind nicht haltbar. Insbesondere bezieht die Hochschule sachfremde Erwägungen mit ein und hält sich nicht an den selbstauferlegten Standard. „Das Oberverwaltungsgericht hat nicht nur bestätigt, dass der Widerruf des Lehrauftrags rechtswidrig ist, sondern auch die zahlreichen vorgeschobenen Argumente des Landes für nicht tragfähig erachtet“, sagt Kooperationsanwalt Patrick Heinemann.

In den letzten Jahren häuften sich Meldungen über rechtsextreme Chats und rassistische Vorfälle innerhalb von Sicherheitsbehörden. Wenn Polizist*innen diese Vorfälle meldeten, kam es immer wieder zu Sanktionen gegenüber den Hinweisgeber*innen, während die Vorfälle selbst nicht aufgearbeitet wurden. Um Hinweisgeber*innen in der Polizei besser zu schützen, hat die GFF im Juli das Projekt „Mach Meldung!“ gestartet. Das Projekt will potenziellen Whistleblower*innen Informationen über Meldewege an die Hand geben sowie die Problemlage durch Studien besser untersuchen. Die GFF will dadurch – wie auch mit dem Verfahren von Bahar Aslan – dazu beitragen, dass Missstände in den Sicherheitsbehörden aufgearbeitet werden. Das setzt voraus, dass Probleme benannt werden können und Menschen dafür nicht sanktioniert werden.

Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie unter:

https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/bahar_aslan

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:

Dr. Maria Scharlau,
presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55 – 01579/249310

Grundrechte verteidigen.
Fördermitglied werden!