Mach Meldung! Gemeinsam für einen besseren Schutz von Hinweisgebenden in der Polizei
Mit dem Projekt „Mach Meldung! Starke Stimmen für die Polizei“ will die GFF Whistleblowing in der Polizei etablieren, Hinweisgebende schützen und schließlich so das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken.
Sie haben einen Verstoß in Ihrem beruflichen Umfeld beobachten und wollen den jetzt melden? Informationen zu Meldestellen und was Sie als Beschäftigte*r im öffentlichen Dienst beachten müssen finden Sie auf unserem Infoportal.
Setzen sich Menschen für Demokratie, für rechtmäßiges und diskriminierungsfreies Handeln und gegen Rassismus, Extremismus ein, sprechen wir als Gesellschaft von Zivilcourage, von Aktivismus und Gemeinsinn. Weisen Menschen hingegen an ihrem Arbeitsplatz oder an anderer Stelle auf Rechts- oder Verfassungsverstöße hin, müssen diese Menschen völlig andere Bezeichnungen über sich ergehen lassen: Nestbeschmutzer*in, Verräter*in, Denunziant*in. Die Folgen eines Hinweises gehen jedoch meist deutlich weiter als abwertende Worte. Von Diskriminierung und Mobbing durch das Arbeitsumfeld bis hin zur Kündigung – Menschen, die Missstände melden, setzen sich einem großen Risiko aus.
Dabei leisten Hinweisgeber*innen einen unschätzbar wichtigen Beitrag zu mehr Transparenz, Vielfalt, Rechtsstaatlichkeit. Sie setzen wirksame Ursachen gegen Korruption, Rechtsmissbrauch und verfassungsfeindliche Entwicklungen. Ziel unseres Projekts ist es deshalb, für Hinweisgebende und ihren Schutz einzustehen. Unser Fokus liegt dabei explizit auf der Polizei.
Whistleblowing in der Polizei besonders wichtig – und besonders schwierig
In einer eng verwobenen Behörde wie der Polizei ist es oftmals schwierig, beobachtetes Fehlverhalten zu melden. Die stellenweise gefährliche Arbeit verlangt, sich vielleicht sogar mit dem Leben aufeinander verlassen zu können. So entsteht ein starker Zusammenhalt, der davon abhalten kann, Kolleg*innen selbst bei schweren Verstößen zu melden.
Doch gerade bei der Polizei ist Transparenz unabdingbar. Denn diese Behörde hat weitreichende Handlungsmöglichkeiten wie freiheitsbeschränkende Maßnahmen, Durchsuchungen und die Anwendung unmittelbaren Zwangs. All das greift tief in unsere Grundrechte ein. Ein Missbrauch dieser Befugnisse und damit ein schwindendes Vertrauen in den Rechtsstaat muss mit allen Mitteln verhindert werden.
Fehlverhalten innerhalb der Polizei kommt aktuell meist nur zufällig ans Licht. Doch Medienberichte über Vorfälle von rassistischen oder sexistischen Übergriffen, wie auch rechtsextremen Tendenzen zeigen, dass mehr Transparenz dringend notwendig ist.
Mit unserem Projekt wollen wir das Hinweisen auf Missstände und Fehlverhalten normalisieren und zu einem innerhalb der Polizei akzeptierten Vorgang machen. Dieses Ziel verfolgen wir mit drei verschiedenen Strategien:
1. Bedarfsanalyse und Evaluation
Um eine empirische Grundlage für unser Projekt zu schaffen, wird eine Studie zu Whistleblowing in der Polizei erstellt, die sowohl qualitative als auch quantitative Elemente aufweise: Zum einen sollen Befragungen von Polizist*innen zur Praxis des Whistleblowings und den Auswirkungen der neuen Rechtslage, dem Umgang mit Meldungen und der Motivationslage für Whistleblowing durchgeführt werden. Zum anderen werden durch eine externe wissenschaftliche Einrichtung zusätzlich ausführliche Interviews mit Polizeibeamt*innen zum Thema erstellt, geführt und ausgewertet.
2. Bildung und Informationsarbeit
Ein großer Teil unserer Arbeit umfasst, Polizist*innen über ihre Rechte bei Hinweisgaben aufzuklären. Dies erfolgt zum einen über ein Online-Informationsportal explizit für die Polizei, für welches wir nach Möglichkeit mit Polizist*innen, Verbänden und zuständigen Stellen kooperieren. Gleichzeitig bieten wir zu diesem Thema Schulungen und Fortbildungen für Polizist*innen sowohl in der Ausbildung als auch im aktiven Polizeidienst an. Wir werben für Whistleblowing als Beitrag zu einer rechtsstaatlichen Polizei und bieten Informationen zur Rechtslage sowie zu konkreten Melde- wegen bei internen und externen Meldestellen an. In geeigneten Fällen unterstützen wir Polizist*innen bei Fragen zur Hinweisgabe.
3. Advocacy und Policy Arbeit
Unsere Erkenntnisse und Erfahrungen aus den obenstehenden Bereichen an Entscheidungsträger*innen des Bundes und der Länder herantragen, ist der letzte Pfeiler unseres Projektes. Wir bringen uns in die Evaluation des Hinweisgeberschutzgesetzes ein, positionieren uns für das Schließen von bestehenden Schutzlücken, gerade für Polizist*innen, und gehen dafür auf die Landesgesetzgeber bzw. Innenministerien/Polizeidirektionen zu. Wir verknüpfen uns zum Thema und bauen einen Begleitkreis zum Whistleblowing bei der Polizei auf. Hierfür treten wir u.a. mit Polizeihochschulen, Gewerkschaften und Polizeiverbänden in Austausch.
Das Hinweisgeberschutzgesetz – ein erster Schritt
Im Mai 2023 setzte der Bundestag nach langem Ringen die Whistleblowing-Richtlinie der Europäischen Union um. Das am 2. Juli in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) sieht erstmalig konkrete und umfassende Regelungen zu Verfahren und Schutz bei Hinweisgabe vor. Nach dem HinSchG müssen nun in Unternehmen und Behörden, daher auch für die Polizei, interne (also bei der konkreten Behörde) und externe Meldestellen (staatliche Stellen außerhalb des*der konkreten Beschäftigungsgeber*in) für Verstöße eingerichtet werden.
Für eine ordnungsgemäße Meldung nach den gesetzlichen Vorgaben können Hinweisgeber*innen nicht verantwortlich gemacht werden. Auch dürfen sie keine Repressalien (wie z.B. Entlassung, schlechte Beurteilung, Anfeindungen, Benachteiligungen) erfahren, weil sie Verstöße gemeldet haben.
Trotzdem weist das Gesetz weiterhin Lücken auf. Insbesondere bei dem Schutz von Hinweisgeber*innen in Sicherheitsbehörden. So sind beispielsweise anonyme Meldungen und ein Schadensersatz für immaterielle Schäden nicht vorgesehen. Zudem wurden Bußgelder für Beschäftigungsgeber, die die Vorgaben des Gesetzes nicht einhalten, von 100.000 auf 50.000 herabgesetzt. Damit kann keine adäquate Abschreckungswirkung erzielt werden.
Whistleblowing stärken mit strategischer Prozessführung
Im Rahmen des Projektes „Mach Meldung“ plant die GFF zudem mit strategischen Klagen das Rechte von Whistleblower*innen vor Gericht zu verteidigen. Dafür können wir auf unsere Expertise zurückgreifen, die wir bei einer vergangenen Klage im Bereich Whistleblowing sammeln konnten.
Gemeinsam mit dem Friedensaktivisten Hermann Theisen konnten wir einen Freispruch erreichen. Theissen hatte Mitarbeiter*innen von Rüstungskonzernen Informationen darüber an die Hand gegeben, wie sie Rechtsverstöße melden können – und wurde deswegen wegen des „Aufrufs zu Straftaten“ angeklagt wurde.
Practice what you preach: Eine Whistleblowing Policy für die Zivilgesellschaft
Um mit gutem Beispiel voranzugehen, haben wir gemeinsam mit anderen NGOs eine Whistleblowing Policy für zivilgesellschaftliche Organisationen erarbeitet. Mit der Policy verpflichten sich die beteiligten Organisationen zu umfassenden internen Maßnahmen zum Schutz von Whistleblower*innen. Dazu richten wir eine gemeinsame interne Meldestelle ein und schützen Whistleblower*innen umfassend vor Repressalien.
Die Selbstverpflichtung gilt für alle Organisationen ab dem 1. Januar 2023. Neben der GFF haben bisher Transparency International Deutschland, Whistleblower-Netzwerk, LobbyControl und foodwatch die Policy unterzeichnet. Wir rufen alle zivilgesellschaftlichen Organisationen auf, sich zu beteiligen.
Der Schutz durch unsere Whistleblowing Policy geht über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus. Wir schützen Whistleblower*innen nicht nur, wenn sie Rechtsverstöße melden, sondern auch bei Hinweisen auf sonstiges erhebliches Fehlverhalten, wie zum Beispiel Machtmissbrauch. Außerdem ermöglichen wir anonyme Meldungen und die Offenlegung gegenüber der Presse bei starkem öffentlichem Interesse. Die Policy dient damit auch als Vorbild für andere Organisationen und für eine gute Gesetzgebung.