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Bahar Aslan © Privat
Demokratie und Grundrechte
Art. 5, 12

Öffentliche Kritik an Rassismus in der Polizei muss möglich sein

Gemeinsam mit der Hochschuldozentin Bahar Aslan haben wir uns erfolgreich gegen den Entzug ihres Lehrauftrags an der Polizeihochschule NRW. Aslan hatte öffentlich ihre Sorge über rechte und rassistische Kräfte bei der Polizei geäußert.

Wegen eines Tweets entzog die Polizeihochschule NRW der Dozentin Bahar Aslan ihren Lehrauftrag. Aslan hatte sich zuvor besorgt über rechte und rassistische Kräfte in der Polizei geäußert. Daraufhin entzog die Hochschule Aslan den Lehrauftrag, weil sie ungeeignet sei, um weiterhin als Dozentin für „Interkulturelle Kompetenz“ zu arbeiten. Diese Maßnahme ist aus Sicht der GFF klar rechtswidrig und verletzt die Meinungs- und Lehrfreiheit Aslan. Gemeinsam mit Bahar Aslan und Rechtsanwalt Patrick Heinemann haben wir uns per Eilantrag am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen den Widerrufsbescheid gewandt - und gewonnen. Das Verwaltungsgericht bemängelt u.a., dass die Hochschule keine Gesamtabwägung von Bahar Aslans fachlicher Eignung vorgenommen hat. Nach einer Beschwerde des Landes NRW bestätigte das Oberverwaltungsgericht Münster das Urteil.
Laura Kuttler

Laura Kuttler

Juristin und Projektkoordinatorin

Der Vorfall ist bezeichnend: Eine Lehrbeauftragte der Polizeihochschule verliert ihren Job, weil sie öffentlich ihre Angst vor Rassismus in der Polizei äußert. Das zeigt, wie weit wir davon entfernt sind, dass Sicherheitsbehörden sich mit Rassismus in den eigenen Reihen auseinandersetzen. Kritik an staatlichen Behörden üben zu können ist der Teil der Meinungsfreiheit – das hat die Polizeihochschule grob verkannt.

Darf eine Dozentin einer Polizeihochschule sich öffentlich über rechte und rassistische Kräfte in der Polizei äußern? Wenn es nach der Polizeihochschule NRW geht nicht. Denn die hatte ihrer Dozentin für „Interkulturelle Kompetenz“, Bahar Aslan, ihren Lehrauftrag entzogen, nachdem sie sich in einem Tweet besorgt über rechtsextreme und rassistische Kräfte bei den Sicherheitsbehörden geäußert hatte.

Aslan unterrichtet seit Januar 2022 an der Polizeihochschule. Im Mai erteilte die Hochschule ihr einen neuen Lehrauftrag, bevor es zu dem Konflikt kam. Wegen der kritischen Äußerung in ihrem Tweet bezeichnet die Hochschule Aslan als „ungeeignet“, um den Kurs weiterhin zu unterrichten und hat den Lehrauftrag widerrufen. Zugleich hat die Hochschule die sofortige Vollziehung des Widerrufs angeordnet. Gemeinsam mit Rechtsanwalt Patrick Heinemann haben wir uns gegen diese rechtswidrige Maßnahme mit einem Antrag beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gewandt - und gewonnen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestätigte unsere Einschätzung und bemängelt u.a., dass die Hochschule keine Gesamtabwägung von Bahar Aslans fachlicher Eignung vorgenommen hat. Positive Faktoren wurden völlig außer Acht gelassen – wie z.B. ihre guten Leistungen als Lehrkraft. Die Studierenden hatten Aslan durchweg positiv bewertet.

Bedeutung der Meinungsfreiheit verkannt

In ihrem Tweet berichtet Aslan von ihren Erfahrungen mit der Polizei als Person of Color. Sie „bekomme Herzrasen“, wenn sie oder eine ihrer Freund*innen in eine Polizeikontrolle gerate. Die Sicherheitsbehörden machten People of Color eher Angst, als dass sie sie schützten.

Diese Aussage Aslans über ihre höchstpersönlichen Erfahrungen sind von der Meinungsfreiheit geschützt. Sie stellen keinen Grund für den Entzug eines Lehrauftrags dar. Mit ihrer Sanktion verletzt die Polizeihochschule die Grundrechte Aslans.

Die Polizei sollte die erste Adresse für People of Color sein, um sie zu schützen. Die Realität sieht leider anders aus: Viele von ihnen haben Angst vor der Polizei. Anscheinend habe ich mich für die Polizeihochschule zur Persona non grata gemacht, indem ich diese Angst öffentlich anspreche.
Bahar Aslan - Lehrerin und politische Bildnerin

Bei der Polizei Nordrhein-Westfalen kam und kommt es immer wieder zu rechtsextremen Vorfällen. Besondere mediale Aufmerksamkeit erlangte dabei 2020 eine Chat-Gruppe von etwa 30 Polizisten, in der rechtsextreme Inhalte geteilt wurden Dass an den Polizeihochschulen von Nordrhein-Westfalen verstärkt „Interkulturelle Kompetenz“ gelehrt wird, war eine Reaktion auf das Bekanntwerden der rechtsextremen Chats. Um dem zu begegnen, sollte auch die Perspektive rassifizierter Menschen stärker in der Polizeiausbildung abgebildet werden.

Dass die Polizeihochschule nun einer Lehrbeauftragen den Lehrauftrag entzieht, weil sie rassistische und rechtsextreme Strömungen benennt, zeigt, dass die Behörden alte Muster fortsetzen: Bei öffentlicher Kritik an polizeilichen Missständen wird deren Benennung problematisiert, anstatt das Problem anzugehen.

Dieses als „tone policing“ bezeichnete Verhalten beschreibt, dass Menschen die Kritik üben vorgeworfen wird, diese nicht angemessen zu äußern. Damit wird vermieden, sich mit der eigentlichen Kritik des Gegenübers befassen zu müssen. Besonders weibliche people of color werden mithilfe dieser Taktik zum Schweigen gebracht.

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