Gleiche Rechte für alle Eltern – der Kampf geht in die nächste Instanz
Berlin/Celle, 10. August 2020 – Familie Akkermann hat beim Oberlandesgericht (OLG) Celle Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hildesheim eingelegt. Seit der Geburt ihrer Tochter Paula kämpft das lesbische Ehepaar vor Gericht dafür, dass beide Frauen rechtlich als Eltern anerkannt werden und Paula nicht länger gegenüber Kindern, die in eine heterosexuelle Ehe geboren werden, diskriminiert wird. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) koordiniert die Prozessführung und bereitet gemeinsam mit der Anwältin der Familie, Lucy Chebout, den Weg durch alle Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht vor.
„Es gibt keine Ehen oder Familien zweiter Klasse. Das Geschlecht der Eltern darf nicht darüber entscheiden, ob ein Kind zwei Elternteile hat oder nur eines“ sagt dazu Lea Beckmann, Juristin und Verfahrenskoordinatorin der GFF. „Unser Kampf gegen diese Diskriminierung geht nun in die nächste Instanz, wir sind damit einen Schritt weiter auf dem Weg nach Karlsruhe.“
Wenn Kinder in eine Ehe geboren werden, dann werden nur Männer automatisch als zweiter Elternteil in die Geburtsurkunde eingetragen. Nachdem Gesa C. Teichert-Akkermann im Februar 2020 die gemeinsame Tochter zur Welt gebracht hatte, wurde daher nur sie, nicht aber ihre Ehefrau Verena Akkermann in die Geburtsurkunde eingetragen. Ihre Tochter Paula hat offiziell nur einen Elternteil, ihr stehen daher keine unterhalts- oder erbrechtlichen Ansprüche gegen ihre zweite Mutter zu und Verena Akkermann hat kein Sorgerecht für ihre Tochter. Gegen diese Benachteiligung gehen die drei gemeinsam mit der GFF gerichtlich vor. Den Antrag auf Feststellung des Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen Tochter Paula und der zweiten Mutter Verena Akkermann hat das Amtsgericht Hildesheim mit Beschluss vom 3. Juli 2020 abgewiesen (Az: NZS 67 IV/20). Das Gericht begründet die Abweisung damit, dass das Gesetz in § 1592 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch nur die Anerkennung der gebärenden Person als „Mutter“ kenne. Eine Anwendung der für „Väter“ geltenden Vorschriften auf ein lesbisches Paar lehnte es unter Verweis auf Rechtsprechung des BGH ab (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – XII ZB 231/18). Auch im zweiten Verfahren der Familie, das auf Berichtigung der Geburtsurkunde abzielt, hat das Amtsgericht Hannover unter Verweis auf diese BGH-Rechtsprechung den Antrag mit Beschluss vom 22. Juli 2020 zurückgewiesen (Az. 85 III 21/20). Die drei werden auch hiergegen Beschwerde einlegen.
„Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die sich beide Amtsgerichte berufen, verletzt Grund- und Menschenrechte“, sagt Lea Beckmann, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. „Standesämter und Gerichte müssen die aktuelle Regelung zur Eltern-Kind-Zuordnung diskriminierungsfrei auf alle Ehepaare anwenden – also auch, wenn das zweite Elternteil kein Mann ist.“ Für die Ungleichbehandlung lesbischer Eltern gibt es keine Rechtfertigung. Denn die biologische Abstammung ist bei der gesetzlichen Regelung von Elternschaft und Familie nach § 1592 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht entscheidend: Der Ehemann der Mutter wird automatisch zweiter Elternteil des Kindes, unabhängig davon, ob das Kind mithilfe einer Samen- oder Embryonenspende gezeugt wurde oder ob er biologisch mit dem Kind verwandt ist. Wäre Verena Akkermann ein Mann, wäre sie seit Geburt des Kindes Elternteil. Damit werden sie, ihre Frau und ihre Tochter auf Grund ihres Geschlechts diskriminiert – was Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes verbietet. Außerdem verstößt die fehlende Anerkennung der zweiten Mutter gegen die Grundrechte auf besonderen Schutz von Ehe und Familie und auf elterliche Pflege und Erziehung aus Artikel 6.
Regenbogenfamilien bleibt aktuell nur die sogenannte „Stiefkindadoption“. Eine Adoption ist aber für Ehepaare, die sich in gemeinsamer Familienplanung für eine Schwangerschaft entschieden haben, völlig unpassend. Familie Akkermann weigert sich, diesen Weg zu gehen. „Paula muss nicht adoptiert werden, wir haben uns gemeinsam für sie entschieden und Gesa hat sie im Rahmen unserer Ehe zur Welt gebracht“, sagt dazu Verena Akkermann. „Dass die Gesetze unseres Staates diese Tatsache nicht anerkennen, erleben wir als große Ungerechtigkeit gegenüber Regenbogenfamilien. Uns schreiben so viele andere Betroffene und auch unser ganzes soziales und berufliches Umfeld steht hinter uns. Dieser Zuspruch und die Liebe zu unserer Tochter bestätigt uns, dass es richtig ist, weiter zu kämpfen.“
„Wenn die Gerichte die Vater-Regelung nicht gleichermaßen auf alle Geschlechter anwenden, muss der Bundestag diese eindeutige Diskriminierung beenden – oder eben das Bundesverfassungsgericht entscheiden“, sagt Lea Beckmann. Die GFF koordiniert mehrere Gerichtsverfahren queerer Familien. Die strategischen Prozesse haben das Ziel, gleiche Rechte für alle Eltern und ihre Kinder durchzusetzen.
Weitere Informationen zum Fall finden Sie hier.
Fragen und Antworten zur rechtlichen Anerkennung der Elternschaft bei nicht-heterosexuellen Paaren finden Sie hier.
Ein Interview mit Familie Akkermann zur Geburt ihrer Tochter und den weiteren Schritten finden Sie hier.
Die Juristin und Verfahrenskoordinatorin Lea Beckmann sowie nach Absprache Verena und Gesa Akkermann stehen für Gespräche zur Verfügung.
Bei An- und Rückfragen wenden Sie sich an:
Daniela Turß, ,
Tel. 030/549 08 10 55 oder 0175/610 2896