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Arbeit am Laptop ©Laptop von Myriam Jessier, lizensiert unter Unsplash
Freiheit im digitalen Zeitalter
Art. 1, 2, 3, 13

Überwachung von Online-Prüfungen

Wir klagen gegen den Einsatz von Proctoring-Software: Studierende dürfen nicht maßlos überwacht werden.

Immer mehr Hochschulen haben während der Corona-Pandemie auf Online-Prüfungen gesetzt, um Studierenden einen Abschluss aus der Ferne und ohne Infektionsrisiko zu ermöglichen. Über den Infektionsschutz hinaus hält ein Teil der Universitäten an dem digitalen Konzept fest. Die Sorge vor Betrug bei den digitalen Prüfungen ist allerdings weiterhin groß, so dass die Grundrechte der Prüfungsteilnehmer*innen ausgehöhlt werden. Online-Proctoring, also die digitale „Beaufsichtigung“ der Studierenden mit spezieller Software, soll Betrugsversuche automatisch erkennen, etwa anhand von Blickanalyse und Gesichtserkennung. Die intensive Fernüberwachung kann diskriminieren, die IT-Sicherheit und die Privatsphäre gefährden.
David Werdermann

David Werdermann

Rechtsanwalt und Verfahrenskoordinator

„Online-Prüfungen können – vor allem in Pandemiezeiten – eine sinnvolle Ergänzung zu Präsenzprüfungen sein. Dabei dürfen die Grundrechte der Studierenden jedoch nicht unter die Räder kommen.“

Wir haben bereits gemeinsam mit einem Studenten gegen den Einsatz von Überwachungs-Software bei der Fernuniversität Hagen geklagt und klagen jetzt gegen die Universität Erfurt.

Fernüberwachung mittels Gesichtserkennung und Rechner-Zugriff an der Universität Erfurt

Die Fernüberwachung von Studierenden ist durch die an der Universität Erfurt eingesetzte Software hoch problematisch. Mittels künstlicher Intelligenz, insbesondere Gesichtserkennung, versucht die Software Wiseflow Täuschungsversuche zu erkennen. Mit Wiseflow werden sehr sensible biometrische Daten verarbeitet und an das Unternehmen Amazon Web Services übermittelt. Zahlreiche Studien zeigen außerdem, dass Gesichtserkennung bei Schwarzen Menschen und People of Color nicht funktioniert oder eine höhere Fehlerquote aufweist. Entsprechend wirkt solche Software oft diskriminierend.

Die Software ist zudem eine Gefahr für die IT-Sicherheit der Studierenden. Durch die Installation der Spähsoftware sind Studierende gezwungen, die Kontrolle über ihren eigenen Rechner auf dem auch viele höchst persönliche Daten gespeichert sind, ein Stück weit aufzugeben. Das birgt erhebliche Gefahren für die Sicherheit der Daten, wie ein von uns in Auftrag gegebenes IT-Gutachten zeigt.

Studierende sind darauf angewiesen Prüfungen abzulegen. Die Überwachung ist eine Zumutung, zumal es deutlich weniger gravierendere Eingriffe durch reine Beobachtung und alternative Prüfungskonzepte wie Open-Book-Klausuren gibt.

Um sicherzustellen, dass sich unverhältnismäßige Überwachung nicht etabliert oder gar auf andere Bereiche, etwa den Arbeitsplatz übergreifen, hat die GFF Klage gegen die Universität Erfurt erhoben. Die Klägerin wird dabei von den Rechtsanwält*innen Tilmann Herbrich und Elisabeth Niekrenz der Kanzlei Spirit Legal vertreten. Mit der Klage will die GFF die zulässigen Rahmenbedingungen für Online-Prüfungen feststellen lassen.

Unverhältnismäßige Videoaufzeichnung an der Fernuniversität Hagen

Genau wie viele andere staatliche und private Hochschulen hat auch die Fernuniversität Hagen in einer speziellen Corona-Ordnung vorgesehen, dass bestimmte Klausuren videoüberwacht werden. Die Studierenden sollen nicht nur Kamera und Mikrofon aktivieren und ihren Bildschirm teilen, sondern die Aufnahmen werden auch aufgezeichnet und gespeichert. Um Täuschungsversuche zu verhindern, würde es aber ausreichen, die Studierenden bei der Prüfung zu beobachten – genau wie bei Klausuren im Hörsaal. Außerdem gibt es alternative Prüfungskonzepte wie Open-Book-Klausuren. Die Aufzeichnung und Speicherung der Daten sind deshalb unnötig und unverhältnismäßig. Die Regelung sieht zudem keine klare Frist für die Löschung der Daten vor. Die Aufzeichnung verstößt daher gegen die Datenschutz-Grundverordnung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Deshalb hatten wir gemeinsam mit einem Studenten der Fernuniversität einen Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen eingereicht. Ziel war es, dass die für den 8. März 2021 geplante Prüfung nicht aufgezeichnet, sondern allenfalls mittels Videoübertragung beobachtet wird. Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler aus Münster vertrat den Antragsteller.

Gespeicherte Aufnahmen mögen aus Sicht der Prüfungsbehörde zwar praktisch sein, um Täuschungsversuche zu beweisen. Das rechtfertigt aber noch lange keine schwerwiegenden Grundrechtseingriffe wie die Videoaufzeichnung – noch dazu im häuslichen Umfeld.
David Werdermann, Rechtsanwalt und Verfahrenskoordinator

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen wies den Eilantrag am 4. März 2021 ab. Die Entscheidung beruht nicht auf einer ausführlichen Prüfung der Rechtslage, sondern lediglich auf einer Folgenabwägung. Ausdrücklich heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts: Die „Rechtmäßigkeit der Aufzeichnung und Speicherung könne im Eilverfahren nicht geklärt werden“. Das Gericht hat insbesondere nicht entschieden, ob die Aufzeichnung verhältnismäßig ist. Außerdem äußerte es Zweifel daran, ob die Regelungen zur Löschung der Aufnahmen bestimmt genug sind.

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