Überwachung von Online-Prüfungen
Wir klagen gegen den Einsatz von Proctoring-Software: Studierende dürfen nicht maßlos überwacht werden.
Wir haben bereits gemeinsam mit einem Studenten gegen den Einsatz von Überwachungs-Software bei der Fernuniversität Hagen geklagt. Eine weitere Klage gegen die Universität Erfurt wurde im August 2024 am Landgericht Erfurt verhandelt. Das Gericht hat eine Entscheidung für Oktober dieses Jahres angekündigt.
Fernüberwachung mittels Gesichtserkennung und Rechner-Zugriff an der Universität Erfurt
Die Fernüberwachung von Studierenden ist durch die an der Universität Erfurt eingesetzte Software hoch problematisch. Mittels künstlicher Intelligenz, insbesondere Gesichtserkennung, versucht die Software Wiseflow Täuschungsversuche zu erkennen. Mit Wiseflow werden sehr sensible biometrische Daten verarbeitet und an das Unternehmen Amazon Web Services übermittelt. Zahlreiche Studien zeigen außerdem, dass Gesichtserkennung bei Schwarzen Menschen und People of Color nicht funktioniert oder eine höhere Fehlerquote aufweist. Entsprechend wirkt solche Software oft diskriminierend.
Die Software ist zudem eine Gefahr für die IT-Sicherheit der Studierenden. Durch die Installation der Spähsoftware sind Studierende gezwungen, die Kontrolle über ihren eigenen Rechner auf dem auch viele höchst persönliche Daten gespeichert sind, ein Stück weit aufzugeben. Das birgt erhebliche Gefahren für die Sicherheit der Daten, wie ein von uns in Auftrag gegebenes IT-Gutachten zeigt.
Studierende sind darauf angewiesen Prüfungen abzulegen. Die Überwachung ist eine Zumutung, zumal es deutlich weniger gravierendere Eingriffe durch reine Beobachtung und alternative Prüfungskonzepte wie Open-Book-Klausuren gibt.
Um sicherzustellen, dass sich unverhältnismäßige Überwachung nicht etabliert oder gar auf andere Bereiche, etwa den Arbeitsplatz übergreifen, hat die GFF Klage gegen die Universität Erfurt erhoben. Die Klägerin wird dabei von den Rechtsanwält*innen Tilman Herbrich und Elisabeth Niekrenz der Kanzlei Spirit Legal vertreten. Mit der Klage will die GFF die zulässigen Rahmenbedingungen für Online-Prüfungen feststellen lassen.
Unverhältnismäßige Videoaufzeichnung an der Fernuniversität Hagen
Genau wie viele andere staatliche und private Hochschulen hat auch die Fernuniversität Hagen in einer speziellen Corona-Ordnung vorgesehen, dass bestimmte Klausuren videoüberwacht werden. Die Studierenden sollen nicht nur Kamera und Mikrofon aktivieren und ihren Bildschirm teilen, sondern die Aufnahmen werden auch aufgezeichnet und gespeichert. Um Täuschungsversuche zu verhindern, würde es aber ausreichen, die Studierenden bei der Prüfung zu beobachten – genau wie bei Klausuren im Hörsaal. Außerdem gibt es alternative Prüfungskonzepte wie Open-Book-Klausuren. Die Aufzeichnung und Speicherung der Daten sind deshalb unnötig und unverhältnismäßig. Die Regelung sieht zudem keine klare Frist für die Löschung der Daten vor. Die Aufzeichnung verstößt daher gegen die Datenschutz-Grundverordnung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Deshalb hatten wir gemeinsam mit einem Studenten der Fernuniversität einen Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen eingereicht. Ziel war es, dass die für den 8. März 2021 geplante Prüfung nicht aufgezeichnet, sondern allenfalls mittels Videoübertragung beobachtet wird. Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler aus Münster vertrat den Antragsteller.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen wies den Eilantrag am 4. März 2021 ab. Die Entscheidung beruht nicht auf einer ausführlichen Prüfung der Rechtslage, sondern lediglich auf einer Folgenabwägung. Ausdrücklich heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts: Die „Rechtmäßigkeit der Aufzeichnung und Speicherung könne im Eilverfahren nicht geklärt werden“. Das Gericht hat insbesondere nicht entschieden, ob die Aufzeichnung verhältnismäßig ist. Außerdem äußerte es Zweifel daran, ob die Regelungen zur Löschung der Aufnahmen bestimmt genug sind.