Aufruf zum Whistleblowing
Hermann Theisen wurde angezeigt, weil er Mitarbeiter*innen von Waffenherstellern aufrief, illegale Praktiken aufzudecken. Wir erreichten seinen Freispruch.
Die GFF hat erfolgreich Rechtsbehelfe gegen die Verurteilung eines Friedensaktivisten eingelegt. Hermann Theisen hatte Mitarbeiter*innen von Waffenherstellern aufgerufen, etwaige illegale Praktiken der Konzerne aufzudecken. Die Konzerne zeigten ihn an, er wurde in erster Instanz wegen „öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“ verurteilt. Mit unserer Unterstützung legte Theisen Rechtsbehelfe ein und bekam endlich Recht: Whistleblowing und der Aufruf dazu sind Zivilcourage und keine Straftat.
Hermann Theisen engagiert sich gegen illegale Waffenexporte. Dafür verteilt er unter anderem Flugblätter, in denen er illegale Exporte von Rüstungskonzernen anprangert – vornehmlich vor den Betriebsgeländen der Konzerne. In den Flugblättern fordert er die Beschäftigten der Rüstungskonzerne Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann dazu auf, Informationen über illegales Verhalten ihrer Arbeitgeber zu veröffentlichen.
Für sein Engagement wurde Hermann Theisen im Jahr 2018 von den Amtsgerichten München, Celle und Cloppenburg zu Geldstrafen verurteilt. Die Gerichte bewerteten seine Aufrufe zum Whistleblowing als öffentliche Aufforderungen zu Straftaten, nämlich zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betreffenden Unternehmen. Dadurch habe sich Hermann Theisen selbst strafbar gemacht.
Amtsgerichte ließen Meinungsfreiheit von Hermann Theisen unberücksichtigt
Diese Einschätzung ist juristisch nicht haltbar, was die Freisprüche Theisens nach unserer Berufung durch die Landgerichte München und Lüneburg sowie nach unserer Revision durch das Oberlandesgericht Oldenburg im Jahr 2019 bestätigten. Die Amtsgerichte haben bei der Auslegung der Flugblätter Hermann Theisens in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gesicherte Meinungsfreiheit unzureichend berücksichtigt. Die Flugblätter sind Ausdruck von Hermann Theisens politischer Überzeugung. Die Meinungsfreiheit umfasst dabei auch pointierte und provozierende Formulierungen. Die Flugblätter sollten zum Nachdenken und Diskutieren anregen und wurden nicht öffentlich, sondern gezielt an die Beschäftigten der betreffenden Konzerne verteilt.
Selbst wenn man die Flugblätter als konkreten öffentlichen Aufruf betrachtet, rief Hermann Theisen keinesfalls zu einer Straftat auf. Denn das Aufdecken von illegalen Geschäftspraktiken ist im öffentlichen Interesse und nicht strafbar. Beschäftigte, die illegales Verhalten ihrer Arbeitgeber offenbaren, leisten selbst einen Beitrag zur Aufklärung von Straftaten.
Freisprüche senden positives Signal an Whistleblower*innen
Dass Hermann Theisens Engagement für Whistleblowing nicht strafbar ist, stärkt auch Whistleblower*innen selbst. Denn wenn schon ein Aufruf zum Whistleblowing Geldstrafen nach sich zieht, hält dies potentielle Hinweisgeber*innen erst recht ab, mit ihrem Wissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Unser Erfolg in Theisens Verfahren ist ein wichtiger Schritt dahin, dass die wichtige Funktion von Whistleblowing für die Pressefreiheit und die öffentliche Meinungsbildung anerkannt und ihr couragiertes Handeln nicht länger kriminalisiert wird.
Wir planen weitere strategische Verfahren, die den Schutz von Whistleblower*innen stärken, und setzten uns auch mit anderen juristischen Interventionen dafür ein, dass sie keine Repressionen mehr fürchten müssen. Mehr Informationen über das Projekt Zivilcourage finden Sie hier.